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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Spätsommer ,<8t9 war in New-Orleans eine Expedition ausgerüstet; auf die
Reclamationen des spanischen Gesandten in Washington aber hatte der Präsident,
General Taylor, durch energische Maßregeln das Auslaufen derselben verhindert.
Im Frühjahr 18S0 ward der tollkühne Versuch erneuert. Deun tollkühn muß
es genannt werden, mit einigen hundert oder selbst tausend Mann eine Insel
anzugreifen, deren Regierung mindestens 20,000 Mann Veteranen zu ihrer Ver¬
fügung hatte (die Besatzung auf Cuba wird aus den ausgedienter spanischen
Soldaten eigends angeworben) und, im Besitz eines beträchtlichen Geschwaders,
den Eindringlingen den Rückweg abschneiden konnte. An der Spitze des Unter¬
nehmens stand der General Lopez, ein spanischer Creole aus Caraccas gebürtig,
der früher die Gunst der spanischen Regierung besessen und in Spanien und auf
Cuba hohe Posten bekleidet hatte, sich darauf aus unzufriedenen Ehrgeiz in Ver¬
schwörungen einließ, flüchtig wurde und seit ein Paar Jahren in New-Orleans
Pläne zur Losreißung jener Insel von Spanien schmiedete. Er versprach seinen
Genossen, daß nach ihrer Landung die Bevölkerung Cuba's sofort um die Fahne
der Unabhängigkeit sich schaaren würde, Illusionen, an die er selbst geglaubt zu
haben scheint. Die Lässigkeit der Centralregierung, einigermaßen durch ihre un¬
genügenden Mittel entschuldigt, ließ diesmal den Abentenercrn, die am hellen
Tage ihre Vorbereitungen trafen, freie Hand; Lopez wußte die spanischen Kreuzer
zu täuschen und landete mit 600 Mann in dem Städtchen Cardenas. Der
heftige Widerstand, den er hier jedoch bei der kleinen spanischen Besatzung fand,
bewog ihn sofort sich wieder einzuschiffen. Die Unternehmung nahm diesmal einen
fast lächerlichen Ausgang. Ein Schiff mit bewaffneten Zuzüglern, das von spa¬
nischen Kriegsdämpfern genommen war, wurde auf die Reclamationen der nord-
Merikanischcn Regierung nebst den Gefangenen wieder losgegeben, weil es aller¬
dings bei seiner Wegnahme sich noch nicht in den spanischen Gewässern befunden
hatte. Der Generalcapitain Roncali enthielt sich jeder Capitalstrafe, selbst gegen
die Gefangenen, die er unbestreitbar rechtmäßig in Händen hatte, und nach einigen
diplomatischen Verhandlungen zwischen Madrid und Washington wurde der Con¬
flict beigelegt. Die Pläne der Annexationspartei waren jedoch nur vertagt und
riefen späterhin, blindlings eine schreckliche Katastrophe hervor.

Indessen nahte sich die Zeit der Niederkunft der Königin. Die allgemeine
Erwartung war auf's Höchste gespannt und in der That war die Geburt eines
Thronerben von einer Bedeutung für Spanien, die weit über das gewöhnliche
Gewicht eines solchen Ereignisses hinausging. Dieselbe mußte den Plänen des
Carlismus einen tödtlichen Schlag geben nud gleichzeitig die Gefahren beseitigen,
die im Fall eines plötzlichen Ablebens Jsabella's aus der vielfach bestrittenen Erb--
folge der Montpensier'schen Linie sich erheben konnten. Die größten Festlichkeiten
wurden vorbereitet, um dem nationalen Enthusiasmus eiuen würdigen Ausdruck
zu verleihen. Das Schicksal täuschte aber grausam die Hoffnungen, welche Spa-


Spätsommer ,<8t9 war in New-Orleans eine Expedition ausgerüstet; auf die
Reclamationen des spanischen Gesandten in Washington aber hatte der Präsident,
General Taylor, durch energische Maßregeln das Auslaufen derselben verhindert.
Im Frühjahr 18S0 ward der tollkühne Versuch erneuert. Deun tollkühn muß
es genannt werden, mit einigen hundert oder selbst tausend Mann eine Insel
anzugreifen, deren Regierung mindestens 20,000 Mann Veteranen zu ihrer Ver¬
fügung hatte (die Besatzung auf Cuba wird aus den ausgedienter spanischen
Soldaten eigends angeworben) und, im Besitz eines beträchtlichen Geschwaders,
den Eindringlingen den Rückweg abschneiden konnte. An der Spitze des Unter¬
nehmens stand der General Lopez, ein spanischer Creole aus Caraccas gebürtig,
der früher die Gunst der spanischen Regierung besessen und in Spanien und auf
Cuba hohe Posten bekleidet hatte, sich darauf aus unzufriedenen Ehrgeiz in Ver¬
schwörungen einließ, flüchtig wurde und seit ein Paar Jahren in New-Orleans
Pläne zur Losreißung jener Insel von Spanien schmiedete. Er versprach seinen
Genossen, daß nach ihrer Landung die Bevölkerung Cuba's sofort um die Fahne
der Unabhängigkeit sich schaaren würde, Illusionen, an die er selbst geglaubt zu
haben scheint. Die Lässigkeit der Centralregierung, einigermaßen durch ihre un¬
genügenden Mittel entschuldigt, ließ diesmal den Abentenercrn, die am hellen
Tage ihre Vorbereitungen trafen, freie Hand; Lopez wußte die spanischen Kreuzer
zu täuschen und landete mit 600 Mann in dem Städtchen Cardenas. Der
heftige Widerstand, den er hier jedoch bei der kleinen spanischen Besatzung fand,
bewog ihn sofort sich wieder einzuschiffen. Die Unternehmung nahm diesmal einen
fast lächerlichen Ausgang. Ein Schiff mit bewaffneten Zuzüglern, das von spa¬
nischen Kriegsdämpfern genommen war, wurde auf die Reclamationen der nord-
Merikanischcn Regierung nebst den Gefangenen wieder losgegeben, weil es aller¬
dings bei seiner Wegnahme sich noch nicht in den spanischen Gewässern befunden
hatte. Der Generalcapitain Roncali enthielt sich jeder Capitalstrafe, selbst gegen
die Gefangenen, die er unbestreitbar rechtmäßig in Händen hatte, und nach einigen
diplomatischen Verhandlungen zwischen Madrid und Washington wurde der Con¬
flict beigelegt. Die Pläne der Annexationspartei waren jedoch nur vertagt und
riefen späterhin, blindlings eine schreckliche Katastrophe hervor.

Indessen nahte sich die Zeit der Niederkunft der Königin. Die allgemeine
Erwartung war auf's Höchste gespannt und in der That war die Geburt eines
Thronerben von einer Bedeutung für Spanien, die weit über das gewöhnliche
Gewicht eines solchen Ereignisses hinausging. Dieselbe mußte den Plänen des
Carlismus einen tödtlichen Schlag geben nud gleichzeitig die Gefahren beseitigen,
die im Fall eines plötzlichen Ablebens Jsabella's aus der vielfach bestrittenen Erb--
folge der Montpensier'schen Linie sich erheben konnten. Die größten Festlichkeiten
wurden vorbereitet, um dem nationalen Enthusiasmus eiuen würdigen Ausdruck
zu verleihen. Das Schicksal täuschte aber grausam die Hoffnungen, welche Spa-


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[0355] Spätsommer ,<8t9 war in New-Orleans eine Expedition ausgerüstet; auf die Reclamationen des spanischen Gesandten in Washington aber hatte der Präsident, General Taylor, durch energische Maßregeln das Auslaufen derselben verhindert. Im Frühjahr 18S0 ward der tollkühne Versuch erneuert. Deun tollkühn muß es genannt werden, mit einigen hundert oder selbst tausend Mann eine Insel anzugreifen, deren Regierung mindestens 20,000 Mann Veteranen zu ihrer Ver¬ fügung hatte (die Besatzung auf Cuba wird aus den ausgedienter spanischen Soldaten eigends angeworben) und, im Besitz eines beträchtlichen Geschwaders, den Eindringlingen den Rückweg abschneiden konnte. An der Spitze des Unter¬ nehmens stand der General Lopez, ein spanischer Creole aus Caraccas gebürtig, der früher die Gunst der spanischen Regierung besessen und in Spanien und auf Cuba hohe Posten bekleidet hatte, sich darauf aus unzufriedenen Ehrgeiz in Ver¬ schwörungen einließ, flüchtig wurde und seit ein Paar Jahren in New-Orleans Pläne zur Losreißung jener Insel von Spanien schmiedete. Er versprach seinen Genossen, daß nach ihrer Landung die Bevölkerung Cuba's sofort um die Fahne der Unabhängigkeit sich schaaren würde, Illusionen, an die er selbst geglaubt zu haben scheint. Die Lässigkeit der Centralregierung, einigermaßen durch ihre un¬ genügenden Mittel entschuldigt, ließ diesmal den Abentenercrn, die am hellen Tage ihre Vorbereitungen trafen, freie Hand; Lopez wußte die spanischen Kreuzer zu täuschen und landete mit 600 Mann in dem Städtchen Cardenas. Der heftige Widerstand, den er hier jedoch bei der kleinen spanischen Besatzung fand, bewog ihn sofort sich wieder einzuschiffen. Die Unternehmung nahm diesmal einen fast lächerlichen Ausgang. Ein Schiff mit bewaffneten Zuzüglern, das von spa¬ nischen Kriegsdämpfern genommen war, wurde auf die Reclamationen der nord- Merikanischcn Regierung nebst den Gefangenen wieder losgegeben, weil es aller¬ dings bei seiner Wegnahme sich noch nicht in den spanischen Gewässern befunden hatte. Der Generalcapitain Roncali enthielt sich jeder Capitalstrafe, selbst gegen die Gefangenen, die er unbestreitbar rechtmäßig in Händen hatte, und nach einigen diplomatischen Verhandlungen zwischen Madrid und Washington wurde der Con¬ flict beigelegt. Die Pläne der Annexationspartei waren jedoch nur vertagt und riefen späterhin, blindlings eine schreckliche Katastrophe hervor. Indessen nahte sich die Zeit der Niederkunft der Königin. Die allgemeine Erwartung war auf's Höchste gespannt und in der That war die Geburt eines Thronerben von einer Bedeutung für Spanien, die weit über das gewöhnliche Gewicht eines solchen Ereignisses hinausging. Dieselbe mußte den Plänen des Carlismus einen tödtlichen Schlag geben nud gleichzeitig die Gefahren beseitigen, die im Fall eines plötzlichen Ablebens Jsabella's aus der vielfach bestrittenen Erb-- folge der Montpensier'schen Linie sich erheben konnten. Die größten Festlichkeiten wurden vorbereitet, um dem nationalen Enthusiasmus eiuen würdigen Ausdruck zu verleihen. Das Schicksal täuschte aber grausam die Hoffnungen, welche Spa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/355>, abgerufen am 22.12.2024.