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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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die den Gläubigern so viel bewilligte, als die vorhandenen Mittel erlaubten.
Die Schwierigkeit war einerseits, die Ansprüche dieser Letzteren mit dem Beirag
der ersteren'zu vereinbaren, und ferner die neuen Verpflichtungen, welche der
Staat einging, so zu bemessen, daß der öffentliche Schatz anch wirtlich im Stande
bliebe, ihnen nachzukommen. Narvaez hatte im vergangenen Jahre die Vorlage
eines Entwurfs zur Regulirung der Schuld für die nächste Sitzung verheißen,
und noch im Beginn derselben diese Zusage erneuert. Die Gegner des Cabinets
wählten dieses ihnen sehr günstige Terrain, um dem Ministerium: mit fortwähren¬
den Mahnungen zuzusetzen. Im Laufe des Decembers brachte Sanchez silva,
ein progrcssistischer Abgeordneter, sogar einen oppositionellen Negulirungsentwurf
ein, der, der Hauptsache nach, die ganze Staatsschuld in Aproc. Renten con-
vertirt wissen wollte. Derselbe mürbe, wie zu erwarten war, mit -130 gegen
30 Stimmen der Progressisten verworfen. Unterdeß wuchs die Heftigkeit und
auch die Zahl der verbündeten progressistisch-puritanischen Opposition fortwährend.
Dabei wurde das Ministerium durch die zweideutige Haltung Mon's beunruhigt,
der im Beginn der Session es abgeschlagen hatte, als Kandidat der Regierung
für die Präsidentschaft des Congresses aufzutreten. So zwischen die unausgesetzt
dauernde Intrigue des Palastes und die Befürchtung einer Spaltung in der Majo¬
rität gestellt, beschloß Narvaez, die letztere zu benutzen, so lange er über sie ver¬
fügte, sich die Zollerhebung der Steuern bewilligen zu lassen und die Cortes
lauge vor dem gebräuchlichen Termine nach Hause zu schicken. Dieser wenig par¬
lamentarische Entschluß steigerte die Erbitterung auf den Oppositionsbänken anf's
Höchste. Das Ministerium ward, mit Hinweisung ans die Zusage der Vorlage
eines Gesetzes zur Schuldenregulirung, des Bruchs seiner Versprechungen beschul¬
digt. Doch die Mehrheit, unter der sich auch Mon und seine Freunde befanden,
blieb ihm treu. Nach deu heftigste" Debatten bewilligten 172 gegen 82 Stimmen
die Forterhebnng des vorjährigen Budgets. Der Senat trat dem Votum bei, und
vor Ende des Februar bereits wurden die Cortes vertagt.

Narvaez hatte sich die Opposition vom Halse geschafft, aber um einen Preis,
der die Früchte deS Sieges fast überstieg. Die Annäherung an die Progres¬
sisten, welche mit der Amnestie einen großen Schritt vorwärts gethan hatte, war
wiederum gebrochen; mit dem Verstummen der parlamentarischen Angriffe war
dem Cabinet zugleich die Stütze der Mehrheit gegen seine Feinde am Hofe entzo¬
gen. Und die Intriguen der Camarilla des Königs schlummerten nicht. Ein
vom Lande mit Jubel aufgenommenes Ereigniß gab dem Einfluß Don Francis-
co's über seine Gemahlin neuen Zuwachs. Am .1. Dec. bereits hatte die Gaeeta
die officielle Anzeige der Schwangerschaft Isabella's gebracht. Es giebt dies
zugleich einen Fingerzeig -- Die Königin befand sich damals bereits im drit¬
ten Monat derselben --, woher schon im October bei der Ernennung des Mi¬
nisteriums Cleonard - Balboa die sonst ganz unerklärliche Willfährigkeit Jsabella's


die den Gläubigern so viel bewilligte, als die vorhandenen Mittel erlaubten.
Die Schwierigkeit war einerseits, die Ansprüche dieser Letzteren mit dem Beirag
der ersteren'zu vereinbaren, und ferner die neuen Verpflichtungen, welche der
Staat einging, so zu bemessen, daß der öffentliche Schatz anch wirtlich im Stande
bliebe, ihnen nachzukommen. Narvaez hatte im vergangenen Jahre die Vorlage
eines Entwurfs zur Regulirung der Schuld für die nächste Sitzung verheißen,
und noch im Beginn derselben diese Zusage erneuert. Die Gegner des Cabinets
wählten dieses ihnen sehr günstige Terrain, um dem Ministerium: mit fortwähren¬
den Mahnungen zuzusetzen. Im Laufe des Decembers brachte Sanchez silva,
ein progrcssistischer Abgeordneter, sogar einen oppositionellen Negulirungsentwurf
ein, der, der Hauptsache nach, die ganze Staatsschuld in Aproc. Renten con-
vertirt wissen wollte. Derselbe mürbe, wie zu erwarten war, mit -130 gegen
30 Stimmen der Progressisten verworfen. Unterdeß wuchs die Heftigkeit und
auch die Zahl der verbündeten progressistisch-puritanischen Opposition fortwährend.
Dabei wurde das Ministerium durch die zweideutige Haltung Mon's beunruhigt,
der im Beginn der Session es abgeschlagen hatte, als Kandidat der Regierung
für die Präsidentschaft des Congresses aufzutreten. So zwischen die unausgesetzt
dauernde Intrigue des Palastes und die Befürchtung einer Spaltung in der Majo¬
rität gestellt, beschloß Narvaez, die letztere zu benutzen, so lange er über sie ver¬
fügte, sich die Zollerhebung der Steuern bewilligen zu lassen und die Cortes
lauge vor dem gebräuchlichen Termine nach Hause zu schicken. Dieser wenig par¬
lamentarische Entschluß steigerte die Erbitterung auf den Oppositionsbänken anf's
Höchste. Das Ministerium ward, mit Hinweisung ans die Zusage der Vorlage
eines Gesetzes zur Schuldenregulirung, des Bruchs seiner Versprechungen beschul¬
digt. Doch die Mehrheit, unter der sich auch Mon und seine Freunde befanden,
blieb ihm treu. Nach deu heftigste» Debatten bewilligten 172 gegen 82 Stimmen
die Forterhebnng des vorjährigen Budgets. Der Senat trat dem Votum bei, und
vor Ende des Februar bereits wurden die Cortes vertagt.

Narvaez hatte sich die Opposition vom Halse geschafft, aber um einen Preis,
der die Früchte deS Sieges fast überstieg. Die Annäherung an die Progres¬
sisten, welche mit der Amnestie einen großen Schritt vorwärts gethan hatte, war
wiederum gebrochen; mit dem Verstummen der parlamentarischen Angriffe war
dem Cabinet zugleich die Stütze der Mehrheit gegen seine Feinde am Hofe entzo¬
gen. Und die Intriguen der Camarilla des Königs schlummerten nicht. Ein
vom Lande mit Jubel aufgenommenes Ereigniß gab dem Einfluß Don Francis-
co's über seine Gemahlin neuen Zuwachs. Am .1. Dec. bereits hatte die Gaeeta
die officielle Anzeige der Schwangerschaft Isabella's gebracht. Es giebt dies
zugleich einen Fingerzeig — Die Königin befand sich damals bereits im drit¬
ten Monat derselben —, woher schon im October bei der Ernennung des Mi¬
nisteriums Cleonard - Balboa die sonst ganz unerklärliche Willfährigkeit Jsabella's


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/352>, abgerufen am 03.01.2025.