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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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daß auch er noch nicht Alles vergessen habe, und mußte mit der Klinge so geschickt
umzugehen, daß.der Oberst vollauf zu thun hatte, sich seiner Haut zu wehren,,
und sich im Kurzen zurückziehen mußte. Gajewski folgte ihm, und hätte ihn mehr
als einmal verwunden können; doch es schien, als wollte er seinen Gegner schonen
und ihn nur mehr und mehr in die Enge treiben. Plötzlich schlug er dem Oberst
den Säbel ans der Hand und rief: "Halt, Herr Oberst, hier kommt ein Zaun.
Sie könnten straucheln und sich Schaden thun, und dafür sind sie mir zu werth/'

Der Oberst sah sich um und erblickte wirklich hinter sich eine niedrige Hecke,
über die er leicht hätte stürzen können.

"Kehren wir um und fangen wir von Neuem an."

Gesagt, gethan. Der Kampf begann wieder und zwar hitziger, als vorher.
Der Oberst war, durch die Erfahrung gewitzigt, jetzt etwas vorsichtiger geworden
und mehr auf seiner Hut; doch das sollte ihm nicht viel helfen. Es dauerte gar
nicht lange, so hatte ihn Gajewski bis an das Mühlgatter getrieben und rief nun
abermals:

"Halt, Herr Oberst, hier ist ein Gatter und dahinter das Wasser; auf ihre
Gesundheit ist es nicht abgesehen. Gehen wir weiter zurück/'

Dies geschah denn auch. Der Alte nahm seinen Soldatenmantel vom Wa-.
.gen herunter, breitete ihn auf der Erde aus, verbeugte sich vor seinem Gegner
und sagte: Ruhen sich der Herr Oberst ein wenig aus. Sie sind, wie ich sehe,
müde geworden, und ich kann-warten."

"Nein," schäumte der Oberst, den der unverhoffte Widerstand auf's Höchste
gereizt hatte, "der Komödie muß ein Ende gemacht werden."

"Wie's gefällig ist," erwiderte Gajewski, --- und die Klingen schwirrten auf's
Neue durch die Luft.

Beim dritten Gang flog der Säbel aus der Hand des Obersten und der
Alte rief:

"Stehen Sie, Herr Oberst, ich bin befriedigt."

Wie so? Was soll das heißen? fragte ihn dieser verwundert.

"Ich habe, was ich wollte," sagte Gajewski und zeigte auf die rechte Hand
seines Gegners, die wie durch eine Nadel geritzt schien, und an der das Blut
in kleinen Tröpfchen hernnterstckerte. "Und jetzt verzeihen Sie Ihrem unterthänig-
sten Diener den Schritt, welchen er mit blutendem Herzen gethan hat, den er jedoch
seiner Ehre schuldig war." Mit diesen Worten umfaßte Gajewski die Knie des
Obersten.

Dieser hob ihn auf, küßte ihn, nahm ihn mit sich nach Hause, und ließ
die Tapferkeit und Zartheit des alten Veteranen im feurigem Ungar hochleben.
Die Bitte, mit welcher sich Gajewski zu so ungelegener Zeit eingefunden hatte,
fand sofort Erledigung, und der Alte hatte von nun an erst recht die Vergünstigung,
unangemeldet in das Zimmer seines Gönners zu treten.




daß auch er noch nicht Alles vergessen habe, und mußte mit der Klinge so geschickt
umzugehen, daß.der Oberst vollauf zu thun hatte, sich seiner Haut zu wehren,,
und sich im Kurzen zurückziehen mußte. Gajewski folgte ihm, und hätte ihn mehr
als einmal verwunden können; doch es schien, als wollte er seinen Gegner schonen
und ihn nur mehr und mehr in die Enge treiben. Plötzlich schlug er dem Oberst
den Säbel ans der Hand und rief: „Halt, Herr Oberst, hier kommt ein Zaun.
Sie könnten straucheln und sich Schaden thun, und dafür sind sie mir zu werth/'

Der Oberst sah sich um und erblickte wirklich hinter sich eine niedrige Hecke,
über die er leicht hätte stürzen können.

„Kehren wir um und fangen wir von Neuem an."

Gesagt, gethan. Der Kampf begann wieder und zwar hitziger, als vorher.
Der Oberst war, durch die Erfahrung gewitzigt, jetzt etwas vorsichtiger geworden
und mehr auf seiner Hut; doch das sollte ihm nicht viel helfen. Es dauerte gar
nicht lange, so hatte ihn Gajewski bis an das Mühlgatter getrieben und rief nun
abermals:

„Halt, Herr Oberst, hier ist ein Gatter und dahinter das Wasser; auf ihre
Gesundheit ist es nicht abgesehen. Gehen wir weiter zurück/'

Dies geschah denn auch. Der Alte nahm seinen Soldatenmantel vom Wa-.
.gen herunter, breitete ihn auf der Erde aus, verbeugte sich vor seinem Gegner
und sagte: Ruhen sich der Herr Oberst ein wenig aus. Sie sind, wie ich sehe,
müde geworden, und ich kann-warten."

„Nein," schäumte der Oberst, den der unverhoffte Widerstand auf's Höchste
gereizt hatte, „der Komödie muß ein Ende gemacht werden."

„Wie's gefällig ist," erwiderte Gajewski, -— und die Klingen schwirrten auf's
Neue durch die Luft.

Beim dritten Gang flog der Säbel aus der Hand des Obersten und der
Alte rief:

„Stehen Sie, Herr Oberst, ich bin befriedigt."

Wie so? Was soll das heißen? fragte ihn dieser verwundert.

„Ich habe, was ich wollte," sagte Gajewski und zeigte auf die rechte Hand
seines Gegners, die wie durch eine Nadel geritzt schien, und an der das Blut
in kleinen Tröpfchen hernnterstckerte. „Und jetzt verzeihen Sie Ihrem unterthänig-
sten Diener den Schritt, welchen er mit blutendem Herzen gethan hat, den er jedoch
seiner Ehre schuldig war." Mit diesen Worten umfaßte Gajewski die Knie des
Obersten.

Dieser hob ihn auf, küßte ihn, nahm ihn mit sich nach Hause, und ließ
die Tapferkeit und Zartheit des alten Veteranen im feurigem Ungar hochleben.
Die Bitte, mit welcher sich Gajewski zu so ungelegener Zeit eingefunden hatte,
fand sofort Erledigung, und der Alte hatte von nun an erst recht die Vergünstigung,
unangemeldet in das Zimmer seines Gönners zu treten.




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[0346] daß auch er noch nicht Alles vergessen habe, und mußte mit der Klinge so geschickt umzugehen, daß.der Oberst vollauf zu thun hatte, sich seiner Haut zu wehren,, und sich im Kurzen zurückziehen mußte. Gajewski folgte ihm, und hätte ihn mehr als einmal verwunden können; doch es schien, als wollte er seinen Gegner schonen und ihn nur mehr und mehr in die Enge treiben. Plötzlich schlug er dem Oberst den Säbel ans der Hand und rief: „Halt, Herr Oberst, hier kommt ein Zaun. Sie könnten straucheln und sich Schaden thun, und dafür sind sie mir zu werth/' Der Oberst sah sich um und erblickte wirklich hinter sich eine niedrige Hecke, über die er leicht hätte stürzen können. „Kehren wir um und fangen wir von Neuem an." Gesagt, gethan. Der Kampf begann wieder und zwar hitziger, als vorher. Der Oberst war, durch die Erfahrung gewitzigt, jetzt etwas vorsichtiger geworden und mehr auf seiner Hut; doch das sollte ihm nicht viel helfen. Es dauerte gar nicht lange, so hatte ihn Gajewski bis an das Mühlgatter getrieben und rief nun abermals: „Halt, Herr Oberst, hier ist ein Gatter und dahinter das Wasser; auf ihre Gesundheit ist es nicht abgesehen. Gehen wir weiter zurück/' Dies geschah denn auch. Der Alte nahm seinen Soldatenmantel vom Wa-. .gen herunter, breitete ihn auf der Erde aus, verbeugte sich vor seinem Gegner und sagte: Ruhen sich der Herr Oberst ein wenig aus. Sie sind, wie ich sehe, müde geworden, und ich kann-warten." „Nein," schäumte der Oberst, den der unverhoffte Widerstand auf's Höchste gereizt hatte, „der Komödie muß ein Ende gemacht werden." „Wie's gefällig ist," erwiderte Gajewski, -— und die Klingen schwirrten auf's Neue durch die Luft. Beim dritten Gang flog der Säbel aus der Hand des Obersten und der Alte rief: „Stehen Sie, Herr Oberst, ich bin befriedigt." Wie so? Was soll das heißen? fragte ihn dieser verwundert. „Ich habe, was ich wollte," sagte Gajewski und zeigte auf die rechte Hand seines Gegners, die wie durch eine Nadel geritzt schien, und an der das Blut in kleinen Tröpfchen hernnterstckerte. „Und jetzt verzeihen Sie Ihrem unterthänig- sten Diener den Schritt, welchen er mit blutendem Herzen gethan hat, den er jedoch seiner Ehre schuldig war." Mit diesen Worten umfaßte Gajewski die Knie des Obersten. Dieser hob ihn auf, küßte ihn, nahm ihn mit sich nach Hause, und ließ die Tapferkeit und Zartheit des alten Veteranen im feurigem Ungar hochleben. Die Bitte, mit welcher sich Gajewski zu so ungelegener Zeit eingefunden hatte, fand sofort Erledigung, und der Alte hatte von nun an erst recht die Vergünstigung, unangemeldet in das Zimmer seines Gönners zu treten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/346>, abgerufen am 22.12.2024.