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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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französischer Kolonisten ans dem Elsaß kamen wir dicht vorbei. Man sah denselben
zwar noch die Neuheit an, wie z. B. kein Hans Fensterscheiben hatte, doch blickte
sonst schon eine gewisse Wohlhabenheit und die Zeichen des guten Fortkommens einem
entgegen. Die Männer, welche auf den Feldern arbeiteten, trugen weite blaue Blousen
und große, breiträudrige grobe Strohhüte, die Frauen hatten ihre Landestracht, die
kurzen dunkelrothen, dicken elsasser Rocke, trotz des wärmeren Klimas unverändert
beibehalten. Eine Colonistenfrau moll vor ihrer Thür eine sehr stattliche Kuh.
Da der Wagen gerade einen steilen Berg hinauf fuhr, so war ich ausgestiegen,
UM zu Fuß zu gehen, nud so auch meiner etwas gar z" unruhigen, unauf¬
hörlich schmatzenden und zankenden Reisegesellschaft auf eine Weile zu entrinnen.
Ich machte mir gleich den Spaß, sie ohne Weiteres deutsch anzureden, worüber sie
ebenso verwundert wie erfreut war, und mir in echtem, gutem schwäbisch, wie
man es nur an den Ufern des Neckars hören kann, antwortete. Bor mehreren
Jahren war diese Familie aus Eßlingen ausgewandert, hatte, wie mir die Frau
sagte, im Anfang mit sehr vielen Mühseligkeiten zu kämpfen gehabt, war auch
schon einmal von den Kabylen ratzenkahl ausgeplündert worden, jetzt aber in gutem
Fortkommen. Einen Trunk schöne, frische Milch, der und bei der stärker brennenden
Sonne sehr erquickte, gab mir die Frau in einem Trinkbecher, der aus einer
Kürbisschale geschnitzt war. Die Annahme des Geldes dafür verweigerte sie,
und meinte, es sei ihr eine große Freude, einen "Dütschen Harren" mal wieder
gesehen zu haben.

In meinem Omnibus wurde es mir jetzt allmählich zu eng und heiß, und
das ewige Zanken und Schwatzen der Meu und das Weinen der kleinen Kinder
zu unerträglich; so kletterte ich denn bald nach der ersten Station Hamma zu dem
Gensdarmen oben auf den Verdeck; zwar brannten die Sonnenstrahlen hier nicht
wenig, doch war es freier und luftiger. Auf etwas Sonnenhitze muß sich ohne¬
dies Jeder, der Algerien in den wärmeren Monaten bereisen will, gefaßt
machen. Eine unangenehme Aenderung trat hinter Hamma ein, der Weg wurde
jetzt sehr schlecht. Von Konstantine bis dahin hatte eine treffliche, von dem
Militair mit unendlicher Mühe angelegte Straße geführt, weiter war dieselbe
noch nicht fertig, und ein kaum fahrbarer Weg begann. Auch die Gegend ward
rauher und kahler, und die üppige Vegetation schwand, sobald wir das schöne,
fruchtbare Thal verlassen hatten, und wieder mehr in die Berge kamen. Nur
durch barbarisches Antreiben konnten unsere' 6 Maulesel vermocht werden, den
schweren Wagen im Schritt fortzuschleppen, und das ewige Peitschen .derselben
'machte einen widerlichen Eindruck. Trotz aller Hitze ging ich daher größtentheils
M Fuß, von der übrigen Reisegesellschaft folgte aber nur der Conducteur, ein
alter braver, ausgedienter Soldat, außerdem der durstige Baßbuffo und das
hübsche 13jährige Mädchen meinem Beispiel, die übrigen ließen sich mit echt
französischer Gleichartigkeit gegen Thierquälerei selbst die mühseligsten Berge von


französischer Kolonisten ans dem Elsaß kamen wir dicht vorbei. Man sah denselben
zwar noch die Neuheit an, wie z. B. kein Hans Fensterscheiben hatte, doch blickte
sonst schon eine gewisse Wohlhabenheit und die Zeichen des guten Fortkommens einem
entgegen. Die Männer, welche auf den Feldern arbeiteten, trugen weite blaue Blousen
und große, breiträudrige grobe Strohhüte, die Frauen hatten ihre Landestracht, die
kurzen dunkelrothen, dicken elsasser Rocke, trotz des wärmeren Klimas unverändert
beibehalten. Eine Colonistenfrau moll vor ihrer Thür eine sehr stattliche Kuh.
Da der Wagen gerade einen steilen Berg hinauf fuhr, so war ich ausgestiegen,
UM zu Fuß zu gehen, nud so auch meiner etwas gar z» unruhigen, unauf¬
hörlich schmatzenden und zankenden Reisegesellschaft auf eine Weile zu entrinnen.
Ich machte mir gleich den Spaß, sie ohne Weiteres deutsch anzureden, worüber sie
ebenso verwundert wie erfreut war, und mir in echtem, gutem schwäbisch, wie
man es nur an den Ufern des Neckars hören kann, antwortete. Bor mehreren
Jahren war diese Familie aus Eßlingen ausgewandert, hatte, wie mir die Frau
sagte, im Anfang mit sehr vielen Mühseligkeiten zu kämpfen gehabt, war auch
schon einmal von den Kabylen ratzenkahl ausgeplündert worden, jetzt aber in gutem
Fortkommen. Einen Trunk schöne, frische Milch, der und bei der stärker brennenden
Sonne sehr erquickte, gab mir die Frau in einem Trinkbecher, der aus einer
Kürbisschale geschnitzt war. Die Annahme des Geldes dafür verweigerte sie,
und meinte, es sei ihr eine große Freude, einen „Dütschen Harren" mal wieder
gesehen zu haben.

In meinem Omnibus wurde es mir jetzt allmählich zu eng und heiß, und
das ewige Zanken und Schwatzen der Meu und das Weinen der kleinen Kinder
zu unerträglich; so kletterte ich denn bald nach der ersten Station Hamma zu dem
Gensdarmen oben auf den Verdeck; zwar brannten die Sonnenstrahlen hier nicht
wenig, doch war es freier und luftiger. Auf etwas Sonnenhitze muß sich ohne¬
dies Jeder, der Algerien in den wärmeren Monaten bereisen will, gefaßt
machen. Eine unangenehme Aenderung trat hinter Hamma ein, der Weg wurde
jetzt sehr schlecht. Von Konstantine bis dahin hatte eine treffliche, von dem
Militair mit unendlicher Mühe angelegte Straße geführt, weiter war dieselbe
noch nicht fertig, und ein kaum fahrbarer Weg begann. Auch die Gegend ward
rauher und kahler, und die üppige Vegetation schwand, sobald wir das schöne,
fruchtbare Thal verlassen hatten, und wieder mehr in die Berge kamen. Nur
durch barbarisches Antreiben konnten unsere' 6 Maulesel vermocht werden, den
schweren Wagen im Schritt fortzuschleppen, und das ewige Peitschen .derselben
'machte einen widerlichen Eindruck. Trotz aller Hitze ging ich daher größtentheils
M Fuß, von der übrigen Reisegesellschaft folgte aber nur der Conducteur, ein
alter braver, ausgedienter Soldat, außerdem der durstige Baßbuffo und das
hübsche 13jährige Mädchen meinem Beispiel, die übrigen ließen sich mit echt
französischer Gleichartigkeit gegen Thierquälerei selbst die mühseligsten Berge von


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[0339] französischer Kolonisten ans dem Elsaß kamen wir dicht vorbei. Man sah denselben zwar noch die Neuheit an, wie z. B. kein Hans Fensterscheiben hatte, doch blickte sonst schon eine gewisse Wohlhabenheit und die Zeichen des guten Fortkommens einem entgegen. Die Männer, welche auf den Feldern arbeiteten, trugen weite blaue Blousen und große, breiträudrige grobe Strohhüte, die Frauen hatten ihre Landestracht, die kurzen dunkelrothen, dicken elsasser Rocke, trotz des wärmeren Klimas unverändert beibehalten. Eine Colonistenfrau moll vor ihrer Thür eine sehr stattliche Kuh. Da der Wagen gerade einen steilen Berg hinauf fuhr, so war ich ausgestiegen, UM zu Fuß zu gehen, nud so auch meiner etwas gar z» unruhigen, unauf¬ hörlich schmatzenden und zankenden Reisegesellschaft auf eine Weile zu entrinnen. Ich machte mir gleich den Spaß, sie ohne Weiteres deutsch anzureden, worüber sie ebenso verwundert wie erfreut war, und mir in echtem, gutem schwäbisch, wie man es nur an den Ufern des Neckars hören kann, antwortete. Bor mehreren Jahren war diese Familie aus Eßlingen ausgewandert, hatte, wie mir die Frau sagte, im Anfang mit sehr vielen Mühseligkeiten zu kämpfen gehabt, war auch schon einmal von den Kabylen ratzenkahl ausgeplündert worden, jetzt aber in gutem Fortkommen. Einen Trunk schöne, frische Milch, der und bei der stärker brennenden Sonne sehr erquickte, gab mir die Frau in einem Trinkbecher, der aus einer Kürbisschale geschnitzt war. Die Annahme des Geldes dafür verweigerte sie, und meinte, es sei ihr eine große Freude, einen „Dütschen Harren" mal wieder gesehen zu haben. In meinem Omnibus wurde es mir jetzt allmählich zu eng und heiß, und das ewige Zanken und Schwatzen der Meu und das Weinen der kleinen Kinder zu unerträglich; so kletterte ich denn bald nach der ersten Station Hamma zu dem Gensdarmen oben auf den Verdeck; zwar brannten die Sonnenstrahlen hier nicht wenig, doch war es freier und luftiger. Auf etwas Sonnenhitze muß sich ohne¬ dies Jeder, der Algerien in den wärmeren Monaten bereisen will, gefaßt machen. Eine unangenehme Aenderung trat hinter Hamma ein, der Weg wurde jetzt sehr schlecht. Von Konstantine bis dahin hatte eine treffliche, von dem Militair mit unendlicher Mühe angelegte Straße geführt, weiter war dieselbe noch nicht fertig, und ein kaum fahrbarer Weg begann. Auch die Gegend ward rauher und kahler, und die üppige Vegetation schwand, sobald wir das schöne, fruchtbare Thal verlassen hatten, und wieder mehr in die Berge kamen. Nur durch barbarisches Antreiben konnten unsere' 6 Maulesel vermocht werden, den schweren Wagen im Schritt fortzuschleppen, und das ewige Peitschen .derselben 'machte einen widerlichen Eindruck. Trotz aller Hitze ging ich daher größtentheils M Fuß, von der übrigen Reisegesellschaft folgte aber nur der Conducteur, ein alter braver, ausgedienter Soldat, außerdem der durstige Baßbuffo und das hübsche 13jährige Mädchen meinem Beispiel, die übrigen ließen sich mit echt französischer Gleichartigkeit gegen Thierquälerei selbst die mühseligsten Berge von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/339>, abgerufen am 22.12.2024.