Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.die Macht der althergebrachten Gewohnheit, hauptsächlich durch die fortwährenden Narvaez stand jetzt auf der Hohe seiner Macht. Jeder Widerstand war die Macht der althergebrachten Gewohnheit, hauptsächlich durch die fortwährenden Narvaez stand jetzt auf der Hohe seiner Macht. Jeder Widerstand war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94725"/> <p xml:id="ID_887" prev="#ID_886"> die Macht der althergebrachten Gewohnheit, hauptsächlich durch die fortwährenden<lb/> Reclamationen der catalonischen Baumwo'llenindustrie gehalten, die bis dahin jeden<lb/> Versuch einer Herabsetzung des Tarifs zu vereiteln gewußt hatte. Die Befürch¬<lb/> tung, daß Espartero hierin den Wünschen der ihn protegirenden Politik Englands<lb/> nachgeben würde, war eine Hauptursache der wiederholten Empörungen Bar¬<lb/> celona's gegen seine Regierung und ein nicht unwichtiges Moment seines Sturzes<lb/> gewesen. Eine durchgreifende Tarifreform erschien gleichwol.mit jedem Tage<lb/> unerläßlicher für die Regeneration Spaniens. Die Prohibitivzölle nöthigten<lb/> die Regierung, eine zahlreiche und kostspielige Grenz- und Küstenbewachung<lb/> zu halten, die trotz aller Anstrengung dem ausgedehntesten Schmuggelhandel<lb/> nicht steuern konnte. Erhöhter das Risiko und die Kosten des Letzteren nun<lb/> auch den Preis der heimlich eingeführten Waaren zum Vortheil der in¬<lb/> ländischen Fabrikanten, so gingen doch die Staatskassen bei dieser Art von<lb/> Zvllaufschlag leer aus. Somit vermehrte der bestehende Tarif, außer daß er<lb/> schwer auf dem Nationalwohlstand lastete, die Ausgaben des Staates um ein Be¬<lb/> trächtliches und verminderte um noch viel mehr das öffentliche Einkommen. Die<lb/> Verbreitung der Freihandelsideen durch ganz Europa, welche seit der Aufhebung<lb/> der Kornzölle von England ausging, machte sich anch in Spanien fühlbar.<lb/> Das spanische Ministerium beschloß eine Zollcrmäßigung, die, obwol sie noch<lb/> immer das Princip starker Schutzzölle für alle inländischen Fabrikate aufrecht<lb/> erhielt, doch im Gegensatze zu dem bisher geltenden System als ein höchst<lb/> wichtiger Fortschritt betrachtet werden muß. Die catalonischen Fabrikanten er¬<lb/> hoben auch sofort die lärmendste Opposition dagegen. Die Abgeordneten dieser<lb/> Provinz bestürmten das Ministerium privatim und im Congreß um Zurücknahme<lb/> der die Baumwollenindustrie betreffenden Bestimmungen und die bedrohten Fabrik¬<lb/> inhaber gingen so weit, der Regierung eine sehr bedeutende Summe jährlich —<lb/> mau gab sie sehr übertriebener Weise aus 3 Millionen Piaster an— zu biete», falls sie<lb/> die bestehenden Zollsätze aufrecht erhielte. Narvaez wies diesen Vorschlag mit<lb/> der trockenen Antwort zurück, er hoffe durch die Herabsetzung des Zolls eine grö¬<lb/> ßere Zunahme der Staatseinkünfte zu erzielen. Nach heftigen Debatten gingen<lb/> die ministeriellen Vorlagen durch beide Häuser der Cortes und erhielten gleich<lb/> nach Vertagung derselben die königliche Sanction. Vergebens versuchten die<lb/> catalonischen Fabrikanten, namentlich die von Barcelona, jetzt das System der<lb/> Einschüchterung, welches sie der schwankenden Regierung Esparteros gegenüber<lb/> mit Erfolg durchgeführt hatten, und entließen auf die Nachricht der Vollziehung<lb/> des-Zollgesetzes große Schaaren ihrer Arbeiter. An dem Tage, wo der neue<lb/> Tarif in Barcelona verkündigt wurde, hielt Concha auf der Rambla Heerschau<lb/> über 10,000 Man»; diese Demonstration genügte, um die erbitterten Fabrikherren,<lb/> so wie ihre aufgeregten Arbeitermassen zur Besinnung zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_888" next="#ID_889"> Narvaez stand jetzt auf der Hohe seiner Macht. Jeder Widerstand war</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0284]
die Macht der althergebrachten Gewohnheit, hauptsächlich durch die fortwährenden
Reclamationen der catalonischen Baumwo'llenindustrie gehalten, die bis dahin jeden
Versuch einer Herabsetzung des Tarifs zu vereiteln gewußt hatte. Die Befürch¬
tung, daß Espartero hierin den Wünschen der ihn protegirenden Politik Englands
nachgeben würde, war eine Hauptursache der wiederholten Empörungen Bar¬
celona's gegen seine Regierung und ein nicht unwichtiges Moment seines Sturzes
gewesen. Eine durchgreifende Tarifreform erschien gleichwol.mit jedem Tage
unerläßlicher für die Regeneration Spaniens. Die Prohibitivzölle nöthigten
die Regierung, eine zahlreiche und kostspielige Grenz- und Küstenbewachung
zu halten, die trotz aller Anstrengung dem ausgedehntesten Schmuggelhandel
nicht steuern konnte. Erhöhter das Risiko und die Kosten des Letzteren nun
auch den Preis der heimlich eingeführten Waaren zum Vortheil der in¬
ländischen Fabrikanten, so gingen doch die Staatskassen bei dieser Art von
Zvllaufschlag leer aus. Somit vermehrte der bestehende Tarif, außer daß er
schwer auf dem Nationalwohlstand lastete, die Ausgaben des Staates um ein Be¬
trächtliches und verminderte um noch viel mehr das öffentliche Einkommen. Die
Verbreitung der Freihandelsideen durch ganz Europa, welche seit der Aufhebung
der Kornzölle von England ausging, machte sich anch in Spanien fühlbar.
Das spanische Ministerium beschloß eine Zollcrmäßigung, die, obwol sie noch
immer das Princip starker Schutzzölle für alle inländischen Fabrikate aufrecht
erhielt, doch im Gegensatze zu dem bisher geltenden System als ein höchst
wichtiger Fortschritt betrachtet werden muß. Die catalonischen Fabrikanten er¬
hoben auch sofort die lärmendste Opposition dagegen. Die Abgeordneten dieser
Provinz bestürmten das Ministerium privatim und im Congreß um Zurücknahme
der die Baumwollenindustrie betreffenden Bestimmungen und die bedrohten Fabrik¬
inhaber gingen so weit, der Regierung eine sehr bedeutende Summe jährlich —
mau gab sie sehr übertriebener Weise aus 3 Millionen Piaster an— zu biete», falls sie
die bestehenden Zollsätze aufrecht erhielte. Narvaez wies diesen Vorschlag mit
der trockenen Antwort zurück, er hoffe durch die Herabsetzung des Zolls eine grö¬
ßere Zunahme der Staatseinkünfte zu erzielen. Nach heftigen Debatten gingen
die ministeriellen Vorlagen durch beide Häuser der Cortes und erhielten gleich
nach Vertagung derselben die königliche Sanction. Vergebens versuchten die
catalonischen Fabrikanten, namentlich die von Barcelona, jetzt das System der
Einschüchterung, welches sie der schwankenden Regierung Esparteros gegenüber
mit Erfolg durchgeführt hatten, und entließen auf die Nachricht der Vollziehung
des-Zollgesetzes große Schaaren ihrer Arbeiter. An dem Tage, wo der neue
Tarif in Barcelona verkündigt wurde, hielt Concha auf der Rambla Heerschau
über 10,000 Man»; diese Demonstration genügte, um die erbitterten Fabrikherren,
so wie ihre aufgeregten Arbeitermassen zur Besinnung zu bringen.
Narvaez stand jetzt auf der Hohe seiner Macht. Jeder Widerstand war
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |