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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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was einem Aufgeben der Sache des Don Carlos seitens des Letzteren ziemlich
gleichkam. Narvaez hatte bald nach Uebernahme seines dritten Ministeriums
Martinez de la Rosa, einen der hervorragendsten. Staatsmänner der Moderado's,
officiell als Gesandten in Rom beglaubigt. Trotzdem machte der päpstliche Hof
die Anerkennung des Status quo in Betreff der Kirchengüter, die Besetzung der
erledigten Praelaturen und die Sendung eines Nuntius nach Madrid von der
Abschließung eines Concvrdats abhängig, das der Geistlichkeit Entschädigung ge¬
währen, ihre Stellung sichern und den Einfluß des heiligen Stuhls in Spanien
wiederherstellen sollte.

Ans dieser abschüssigen Bahn der Zugeständnisse gegen eine Politik begriffe",
deren Unersättlichkeit nnr ihre Zähigkeit und Gewandtheit gleichkam, und die in
Madrid in dem religiösen Eifer der Königin-Mutter, die mit dem herannahenden
Alter mehr und mehr einer bigotten Richtung sich hingab, eine mächtige Stütze
fand, konnte die spanische Regierung sich selbst unter der kraftvollen Leitung des
Narvaez nicht von dem überhandnehmenden Einflüsse Rom's emancipiren. Die
Ereignisse von 4848, welche überall die gesellschaftlichen Grundlagen erschütterten,
brachten demselben vielmehr nur noch neuen Zuwachs. Natürlich war es unter
diesen. Umständen, daß das Madrider Cabinet sofort gegen die römische Republik
die allerfeiudseligste Haltung annahm. Es mochte siedet sogar, wenigstens bei
dem Herzog von Valencia, die Hoffnung mitunterlaufcn, auf leichtere Bedingungen
hin mit dem römischen Stuhle abschließen zu können, wenn man ihm in dieser
Bedrängniß sich als ein unentbehrlicher Bundesgenosse zu zeigen wüßte. Auch
wurde der spanische Stolz des Münsters durch den Gedanken gespornt, bei inner
Angelegenheit, die vorzugsweise das katholische Europa anging, die so lauge in
allen großen Welthändeln nentralistrie Mitactivn Spaniens wieder eintreten
zu lassen.

Das Project einer Intervention im Kirchenstaate wurde daher von Madrid
aus eifrig bei deu übrigen katholischen Cabincten betrieben und zu diesem Zweck
ein Kongreß in Vorschlag gebracht, der in einer der größere" Städte des östlichen
Spaniens abgehalten werden sollte. Ja es scheint, daß die spanische Regierung
eine Zeit lang sich der Aussicht hingab, durch Benutzung der zwischen Frankreich
und Oesterreich bestehenden Eifersucht und der Besorgnis) Englands, eine dieser
Mächte festen Fuß in Mittelitalien fassen zu sehn, es durchzusetzen, daß man sie
allein mit der Wiederherstellung der päpstlichen Autorität beauftrage. Diese
Hoffnungen wurden bald vereitelt. Louis Napoleon, der an Cavaignac's Stelle
an die Spitze der französischen Republik getreten war, beschloß durch französische
Waffen den Papst wiedereinzusetzen, dadurch dem österreichischen Einfluß in Italien
zu begegnen, und zugleich sich die Unterstützung der römischen Curie, sowie der
französischen Geistlichkeit für seiue weitaussehendeu Pläne zu sichern. Spanien
war dadurch auf eine secuudaire Rotte beschränkt, und erwägt man den heftigen
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was einem Aufgeben der Sache des Don Carlos seitens des Letzteren ziemlich
gleichkam. Narvaez hatte bald nach Uebernahme seines dritten Ministeriums
Martinez de la Rosa, einen der hervorragendsten. Staatsmänner der Moderado's,
officiell als Gesandten in Rom beglaubigt. Trotzdem machte der päpstliche Hof
die Anerkennung des Status quo in Betreff der Kirchengüter, die Besetzung der
erledigten Praelaturen und die Sendung eines Nuntius nach Madrid von der
Abschließung eines Concvrdats abhängig, das der Geistlichkeit Entschädigung ge¬
währen, ihre Stellung sichern und den Einfluß des heiligen Stuhls in Spanien
wiederherstellen sollte.

Ans dieser abschüssigen Bahn der Zugeständnisse gegen eine Politik begriffe»,
deren Unersättlichkeit nnr ihre Zähigkeit und Gewandtheit gleichkam, und die in
Madrid in dem religiösen Eifer der Königin-Mutter, die mit dem herannahenden
Alter mehr und mehr einer bigotten Richtung sich hingab, eine mächtige Stütze
fand, konnte die spanische Regierung sich selbst unter der kraftvollen Leitung des
Narvaez nicht von dem überhandnehmenden Einflüsse Rom's emancipiren. Die
Ereignisse von 4848, welche überall die gesellschaftlichen Grundlagen erschütterten,
brachten demselben vielmehr nur noch neuen Zuwachs. Natürlich war es unter
diesen. Umständen, daß das Madrider Cabinet sofort gegen die römische Republik
die allerfeiudseligste Haltung annahm. Es mochte siedet sogar, wenigstens bei
dem Herzog von Valencia, die Hoffnung mitunterlaufcn, auf leichtere Bedingungen
hin mit dem römischen Stuhle abschließen zu können, wenn man ihm in dieser
Bedrängniß sich als ein unentbehrlicher Bundesgenosse zu zeigen wüßte. Auch
wurde der spanische Stolz des Münsters durch den Gedanken gespornt, bei inner
Angelegenheit, die vorzugsweise das katholische Europa anging, die so lauge in
allen großen Welthändeln nentralistrie Mitactivn Spaniens wieder eintreten
zu lassen.

Das Project einer Intervention im Kirchenstaate wurde daher von Madrid
aus eifrig bei deu übrigen katholischen Cabincten betrieben und zu diesem Zweck
ein Kongreß in Vorschlag gebracht, der in einer der größere» Städte des östlichen
Spaniens abgehalten werden sollte. Ja es scheint, daß die spanische Regierung
eine Zeit lang sich der Aussicht hingab, durch Benutzung der zwischen Frankreich
und Oesterreich bestehenden Eifersucht und der Besorgnis) Englands, eine dieser
Mächte festen Fuß in Mittelitalien fassen zu sehn, es durchzusetzen, daß man sie
allein mit der Wiederherstellung der päpstlichen Autorität beauftrage. Diese
Hoffnungen wurden bald vereitelt. Louis Napoleon, der an Cavaignac's Stelle
an die Spitze der französischen Republik getreten war, beschloß durch französische
Waffen den Papst wiedereinzusetzen, dadurch dem österreichischen Einfluß in Italien
zu begegnen, und zugleich sich die Unterstützung der römischen Curie, sowie der
französischen Geistlichkeit für seiue weitaussehendeu Pläne zu sichern. Spanien
war dadurch auf eine secuudaire Rotte beschränkt, und erwägt man den heftigen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/279>, abgerufen am 22.12.2024.