Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.hören. Sieht man in letzterer Stadt auch hin und wieder schöne Rosse der Was aber die geistigen Genüsse betrifft, so steht Berlin ungleich höher. Außer Das Theater kann sich nicht im Mindesten mit den königlichen Bühnen in hören. Sieht man in letzterer Stadt auch hin und wieder schöne Rosse der Was aber die geistigen Genüsse betrifft, so steht Berlin ungleich höher. Außer Das Theater kann sich nicht im Mindesten mit den königlichen Bühnen in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94711"/> <p xml:id="ID_847" prev="#ID_846"> hören. Sieht man in letzterer Stadt auch hin und wieder schöne Rosse der<lb/> besten mecklenburgischen oder englischen Zucht, so verstehen die Reiter doch nur<lb/> ausnahmsweise ordentlich zu reiten. Alle Art'eilf- und Fuhrmannspferde sind<lb/> hingegen fast durchgängig besser und wohlgenährter.</p><lb/> <p xml:id="ID_848"> Was aber die geistigen Genüsse betrifft, so steht Berlin ungleich höher. Außer<lb/> dem Beobachten der lebhaften Handelsthätigkeit, des bunten Treibens im Hafen<lb/> und den materiellen Genüssen' gewährt Hamburg einem Fremden wenig Ausbeute,<lb/> besonders in der schlechter» Jahreszeit, wo er auf Ausflüge in die Umgegend<lb/> verzichten muß. Die reiches Handelsstadt ist ausfallend arm an Kunstschätzen irgend<lb/> einer Art, die meisten kleinen Residenzen wie Carlsruhe, Braunschweig, Cassel u. s. w.<lb/> haben mehr Sehenswürdigkeiten auszuweisen. Es giebt in ganz Hamburg keine<lb/> einzige große Kuustsammlung, die für einen nur etwas gereisten Fremden der<lb/> Besichtigung werth wäre, kein kunstvolles Monument, kein architektonisch schö-<lb/> nes, großartiges öffentliches Gebäude. Die Börse, der Thurm der Stadtwasser¬<lb/> kunst, die „Liudleischeu Siehlauteu", sind das Einzige. Auch an historischen Denk¬<lb/> mälern ist Hamburg arm, und kann sich nicht im Entferntesten mit Frankfurt,<lb/> Augsburg, Nürnberg vergleichen, wie auch die Kirchen nichts Merkwürdiges ent¬<lb/> halten. Der Ort hatte von jeher nnr Bedeutung als Handelsstadt, und ist in<lb/> der allgemeinen Geschichte Deutschlands nie von Wichtigkeit gewesen. Für den<lb/> Freund der Technik wird diese Stadt ebenfalls nicht allzugroße Ausbeute ge¬<lb/> währen. Außer den großen Schiffswersten, unter denen besonders das Etab¬<lb/> lissement des Hauses Godesrvi, unbedingt das großartigste Privatwerft auf dem<lb/> europäischen Continent, hervorragt, die Wageubauanstalt von Croissant und<lb/> Lauenstein und die Stvckfabrik von Meier, besitzt dieselbe keine Fabrikanlagen von<lb/> allgemeinerem Interesse, wie z. B. die umfangreiche Maschinenfabrik von Bvrsig<lb/> bei Berlin, die großen Cattun- und Seidenwebereien daselbst und viele andere<lb/> derartige Anstalten. Eben so arm ist Hamburg an bedeutenden Ateliers nahm¬<lb/> hafter Bildhauer, Maler ja selbst an höheren-Gewerbetreibenden wie Eisengießer,<lb/> Silberarbeiter n. s. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_849" next="#ID_850"> Das Theater kann sich nicht im Mindesten mit den königlichen Bühnen in<lb/> Berlin oder Dresden vergleichen, besonders in dem Ensemble des höhern Schau¬<lb/> spieles, auch in der Ausstattung' der Opern und Ballets wird der Unterschied<lb/> recht grell hervortreten. Das Publicum des Berliner Hauses ist ungleich<lb/> gebildeter. In Hamburg besteht es in seiner großen Mehrheit aus Kaufleuten,<lb/> welche sich »ach der anstrengenden Arbeit des Tages einige Abendstunden aus<lb/> leichte und bequeme Weise vertreiben wollen. So eben von der reichlichen Mahl¬<lb/> zeit aufgestanden, denn in Hamburg wird durchgängig um i oder 3, in Berlin<lb/> um 2 oder 3 Uhr zu Mittag gegessen, sehen viele Besucher, besonders von den<lb/> Abonnenten der Sperrsitze nud Logen des 1. Ranges, das Theater als den<lb/> bequemsten Ort der Siesta an, wo man sich geistiger Ruhe hingeben kann, ohne</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
hören. Sieht man in letzterer Stadt auch hin und wieder schöne Rosse der
besten mecklenburgischen oder englischen Zucht, so verstehen die Reiter doch nur
ausnahmsweise ordentlich zu reiten. Alle Art'eilf- und Fuhrmannspferde sind
hingegen fast durchgängig besser und wohlgenährter.
Was aber die geistigen Genüsse betrifft, so steht Berlin ungleich höher. Außer
dem Beobachten der lebhaften Handelsthätigkeit, des bunten Treibens im Hafen
und den materiellen Genüssen' gewährt Hamburg einem Fremden wenig Ausbeute,
besonders in der schlechter» Jahreszeit, wo er auf Ausflüge in die Umgegend
verzichten muß. Die reiches Handelsstadt ist ausfallend arm an Kunstschätzen irgend
einer Art, die meisten kleinen Residenzen wie Carlsruhe, Braunschweig, Cassel u. s. w.
haben mehr Sehenswürdigkeiten auszuweisen. Es giebt in ganz Hamburg keine
einzige große Kuustsammlung, die für einen nur etwas gereisten Fremden der
Besichtigung werth wäre, kein kunstvolles Monument, kein architektonisch schö-
nes, großartiges öffentliches Gebäude. Die Börse, der Thurm der Stadtwasser¬
kunst, die „Liudleischeu Siehlauteu", sind das Einzige. Auch an historischen Denk¬
mälern ist Hamburg arm, und kann sich nicht im Entferntesten mit Frankfurt,
Augsburg, Nürnberg vergleichen, wie auch die Kirchen nichts Merkwürdiges ent¬
halten. Der Ort hatte von jeher nnr Bedeutung als Handelsstadt, und ist in
der allgemeinen Geschichte Deutschlands nie von Wichtigkeit gewesen. Für den
Freund der Technik wird diese Stadt ebenfalls nicht allzugroße Ausbeute ge¬
währen. Außer den großen Schiffswersten, unter denen besonders das Etab¬
lissement des Hauses Godesrvi, unbedingt das großartigste Privatwerft auf dem
europäischen Continent, hervorragt, die Wageubauanstalt von Croissant und
Lauenstein und die Stvckfabrik von Meier, besitzt dieselbe keine Fabrikanlagen von
allgemeinerem Interesse, wie z. B. die umfangreiche Maschinenfabrik von Bvrsig
bei Berlin, die großen Cattun- und Seidenwebereien daselbst und viele andere
derartige Anstalten. Eben so arm ist Hamburg an bedeutenden Ateliers nahm¬
hafter Bildhauer, Maler ja selbst an höheren-Gewerbetreibenden wie Eisengießer,
Silberarbeiter n. s. w.
Das Theater kann sich nicht im Mindesten mit den königlichen Bühnen in
Berlin oder Dresden vergleichen, besonders in dem Ensemble des höhern Schau¬
spieles, auch in der Ausstattung' der Opern und Ballets wird der Unterschied
recht grell hervortreten. Das Publicum des Berliner Hauses ist ungleich
gebildeter. In Hamburg besteht es in seiner großen Mehrheit aus Kaufleuten,
welche sich »ach der anstrengenden Arbeit des Tages einige Abendstunden aus
leichte und bequeme Weise vertreiben wollen. So eben von der reichlichen Mahl¬
zeit aufgestanden, denn in Hamburg wird durchgängig um i oder 3, in Berlin
um 2 oder 3 Uhr zu Mittag gegessen, sehen viele Besucher, besonders von den
Abonnenten der Sperrsitze nud Logen des 1. Ranges, das Theater als den
bequemsten Ort der Siesta an, wo man sich geistiger Ruhe hingeben kann, ohne
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