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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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und empfängt denselben gleich mit ihren festen Armen, bevor er noch auf-
gestiegen.

Wird der Reisende in Berlin von der Polizei gelangweilt, so sorgt sie dafür
auch für seine Bequemlichkeit. Regelmäßig geordnet stehen die Droschken auf¬
gestellt, ein Constabler überwacht sie,' hilft dem Fremden den bestellten Wagen
aufsuchen, und sagt ihm auf Befragen sogleich die Taxe, die er für seine Fahrt ent¬
richten muß, so daß derselbe vor jeder Prellerei und Willkür geschützt ist. In Ham--
bürg findet das Gegentheil davon statt, die Droschkenkutscher, rohe, grobe Ge¬
sellen, brandschatzen den Fremden nach Willkür, und wer nicht vorher mit ihnen han¬
delte, muß für eine Fahrt mit Gepäck nach seinem Gasthause so viel entrichten,
daß er in Berlin fast einen ganzen Tag dafür - fahren könnte. Zwar sind auch
sie einer Taxe unterworfen, nach welcher der geborene Hamburger ruhig seinen
Preis bezahlt, die der Fremde aber nie zu sehen bekommt, und will derselbe sich
bei der Polizei beklagen, so hat er so viel Unbequemlichkeiten davon, daß unter
100 Geprellten 90 es unterlassen.

Auch im Aeußeren dieser Droschken zeigt sich der verschiedene Charakter
beider Städte. In Hamburg sind sie durchgängig einfach, solide, von, einer ge¬
wissen behäbigen Wohlhabenheit zeugend, und auch die Pferde sehen dick und
fett ans; den Fuhrleuten sieht man an, daß sie gut leben. Auf äußere Toilette
geben sie hingegen nicht viel, und ihr gewöhnlicher Winterauzug, grobe blaue
Wollenstrümpfe bis über die Knie heraufgezogen, und klappernde Holzpantoffeln,
sieht fast zu familiair aus. In Berlin blickt auch bei den Droschken das Bestreben
durch, äußerlich einen gewissen eleganten Anstrich anzunehmen. Die Kutscher
tragen eine Art Livrve, Manche sogar stark mit Messing beschlagene Pickelhauben;
da aber, der Verdienst nicht so groß ist, um Alles gut in Stand halten zu können,
die Pferde der weiten Fahrten in der großen Stadt wegen aber sehr abgetrieben
werden, so steht, trotz diesem äußeren Schein, Alles ärmlich, verfallen, ja selbst
verhungert aus, wenigstens im Vergleich zu Hamburg.

In seinem Hotel wird der Fremde denselben Unterschied bemerken. Alles,
was das materielle Leben anbelangt, ist in Hamburg ungleich besser und gediegener
wie in Berlin, trotz der hochtönenden Namen, die man hier der geringfügigsten
Sache umzuhängen beliebt. So einen reellen Tisch, mit dem ausgesucht besten
Fleisch, Fischen, Gemüsen besetzt, wie im Hotel de l'Europe in Hamburg oder bei
Streit, wird man in ganz Berlin vergebens suchen, obgleich die dortigen Hotels
erster Klasse es lieben, ihre Mittagstische mit einer viel größeren Menge der ver¬
schiedensten Schüsseln zu besetzen. Auch in dem wahrhaften Comfort der Einrichtung,
der den äußeren Schein verschmähend, sich an das wirklich Reelle und Bequeme
halt, übertreffen die Hamburger Gasthäuser ersten Ranges, selbst die besten Ber¬
liner bei Weitem. Ju der Verzierung mit Hunden Glasfenstern, vielfarbigen aber
dabei dünnen Fuß- und-Treppen-Teppichen,- Vasen, Statuetten u. s. w., kurz


und empfängt denselben gleich mit ihren festen Armen, bevor er noch auf-
gestiegen.

Wird der Reisende in Berlin von der Polizei gelangweilt, so sorgt sie dafür
auch für seine Bequemlichkeit. Regelmäßig geordnet stehen die Droschken auf¬
gestellt, ein Constabler überwacht sie,' hilft dem Fremden den bestellten Wagen
aufsuchen, und sagt ihm auf Befragen sogleich die Taxe, die er für seine Fahrt ent¬
richten muß, so daß derselbe vor jeder Prellerei und Willkür geschützt ist. In Ham--
bürg findet das Gegentheil davon statt, die Droschkenkutscher, rohe, grobe Ge¬
sellen, brandschatzen den Fremden nach Willkür, und wer nicht vorher mit ihnen han¬
delte, muß für eine Fahrt mit Gepäck nach seinem Gasthause so viel entrichten,
daß er in Berlin fast einen ganzen Tag dafür - fahren könnte. Zwar sind auch
sie einer Taxe unterworfen, nach welcher der geborene Hamburger ruhig seinen
Preis bezahlt, die der Fremde aber nie zu sehen bekommt, und will derselbe sich
bei der Polizei beklagen, so hat er so viel Unbequemlichkeiten davon, daß unter
100 Geprellten 90 es unterlassen.

Auch im Aeußeren dieser Droschken zeigt sich der verschiedene Charakter
beider Städte. In Hamburg sind sie durchgängig einfach, solide, von, einer ge¬
wissen behäbigen Wohlhabenheit zeugend, und auch die Pferde sehen dick und
fett ans; den Fuhrleuten sieht man an, daß sie gut leben. Auf äußere Toilette
geben sie hingegen nicht viel, und ihr gewöhnlicher Winterauzug, grobe blaue
Wollenstrümpfe bis über die Knie heraufgezogen, und klappernde Holzpantoffeln,
sieht fast zu familiair aus. In Berlin blickt auch bei den Droschken das Bestreben
durch, äußerlich einen gewissen eleganten Anstrich anzunehmen. Die Kutscher
tragen eine Art Livrve, Manche sogar stark mit Messing beschlagene Pickelhauben;
da aber, der Verdienst nicht so groß ist, um Alles gut in Stand halten zu können,
die Pferde der weiten Fahrten in der großen Stadt wegen aber sehr abgetrieben
werden, so steht, trotz diesem äußeren Schein, Alles ärmlich, verfallen, ja selbst
verhungert aus, wenigstens im Vergleich zu Hamburg.

In seinem Hotel wird der Fremde denselben Unterschied bemerken. Alles,
was das materielle Leben anbelangt, ist in Hamburg ungleich besser und gediegener
wie in Berlin, trotz der hochtönenden Namen, die man hier der geringfügigsten
Sache umzuhängen beliebt. So einen reellen Tisch, mit dem ausgesucht besten
Fleisch, Fischen, Gemüsen besetzt, wie im Hotel de l'Europe in Hamburg oder bei
Streit, wird man in ganz Berlin vergebens suchen, obgleich die dortigen Hotels
erster Klasse es lieben, ihre Mittagstische mit einer viel größeren Menge der ver¬
schiedensten Schüsseln zu besetzen. Auch in dem wahrhaften Comfort der Einrichtung,
der den äußeren Schein verschmähend, sich an das wirklich Reelle und Bequeme
halt, übertreffen die Hamburger Gasthäuser ersten Ranges, selbst die besten Ber¬
liner bei Weitem. Ju der Verzierung mit Hunden Glasfenstern, vielfarbigen aber
dabei dünnen Fuß- und-Treppen-Teppichen,- Vasen, Statuetten u. s. w., kurz


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[0265] und empfängt denselben gleich mit ihren festen Armen, bevor er noch auf- gestiegen. Wird der Reisende in Berlin von der Polizei gelangweilt, so sorgt sie dafür auch für seine Bequemlichkeit. Regelmäßig geordnet stehen die Droschken auf¬ gestellt, ein Constabler überwacht sie,' hilft dem Fremden den bestellten Wagen aufsuchen, und sagt ihm auf Befragen sogleich die Taxe, die er für seine Fahrt ent¬ richten muß, so daß derselbe vor jeder Prellerei und Willkür geschützt ist. In Ham-- bürg findet das Gegentheil davon statt, die Droschkenkutscher, rohe, grobe Ge¬ sellen, brandschatzen den Fremden nach Willkür, und wer nicht vorher mit ihnen han¬ delte, muß für eine Fahrt mit Gepäck nach seinem Gasthause so viel entrichten, daß er in Berlin fast einen ganzen Tag dafür - fahren könnte. Zwar sind auch sie einer Taxe unterworfen, nach welcher der geborene Hamburger ruhig seinen Preis bezahlt, die der Fremde aber nie zu sehen bekommt, und will derselbe sich bei der Polizei beklagen, so hat er so viel Unbequemlichkeiten davon, daß unter 100 Geprellten 90 es unterlassen. Auch im Aeußeren dieser Droschken zeigt sich der verschiedene Charakter beider Städte. In Hamburg sind sie durchgängig einfach, solide, von, einer ge¬ wissen behäbigen Wohlhabenheit zeugend, und auch die Pferde sehen dick und fett ans; den Fuhrleuten sieht man an, daß sie gut leben. Auf äußere Toilette geben sie hingegen nicht viel, und ihr gewöhnlicher Winterauzug, grobe blaue Wollenstrümpfe bis über die Knie heraufgezogen, und klappernde Holzpantoffeln, sieht fast zu familiair aus. In Berlin blickt auch bei den Droschken das Bestreben durch, äußerlich einen gewissen eleganten Anstrich anzunehmen. Die Kutscher tragen eine Art Livrve, Manche sogar stark mit Messing beschlagene Pickelhauben; da aber, der Verdienst nicht so groß ist, um Alles gut in Stand halten zu können, die Pferde der weiten Fahrten in der großen Stadt wegen aber sehr abgetrieben werden, so steht, trotz diesem äußeren Schein, Alles ärmlich, verfallen, ja selbst verhungert aus, wenigstens im Vergleich zu Hamburg. In seinem Hotel wird der Fremde denselben Unterschied bemerken. Alles, was das materielle Leben anbelangt, ist in Hamburg ungleich besser und gediegener wie in Berlin, trotz der hochtönenden Namen, die man hier der geringfügigsten Sache umzuhängen beliebt. So einen reellen Tisch, mit dem ausgesucht besten Fleisch, Fischen, Gemüsen besetzt, wie im Hotel de l'Europe in Hamburg oder bei Streit, wird man in ganz Berlin vergebens suchen, obgleich die dortigen Hotels erster Klasse es lieben, ihre Mittagstische mit einer viel größeren Menge der ver¬ schiedensten Schüsseln zu besetzen. Auch in dem wahrhaften Comfort der Einrichtung, der den äußeren Schein verschmähend, sich an das wirklich Reelle und Bequeme halt, übertreffen die Hamburger Gasthäuser ersten Ranges, selbst die besten Ber¬ liner bei Weitem. Ju der Verzierung mit Hunden Glasfenstern, vielfarbigen aber dabei dünnen Fuß- und-Treppen-Teppichen,- Vasen, Statuetten u. s. w., kurz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/265>, abgerufen am 22.12.2024.