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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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harzischc Ehe verlangt nicht viel, das junge Paar zieht vielleicht nach der Hoch¬
zeit ohne weiteres wo nicht zu den Aeltern des.Mannes, zu den Aeltern der
Braut und fuhrt mit ihnen eine gemeinsame Wirthschaft, was in einem Bauern-
Hause schon ungleich mehr Schwierigkeiten macheu, und nur baun ausführbar
sein würde, wenn die Aeltern ihm ihre ganze Wirthschaft abtraten. Eine Mitgift
an Geld erwartet der Bräutigam kaum, und ihm versagt nicht leicht ein Mädchen
ihre Hand, denn er ist unter allen Umständen versorgt: wird er krank, so erhält
er einen Theil seines bisherigen Wochenlohns als Pension oder "Gnadengeld".
Der Guadeulohn. wird dann für die verschiedenen Ausgaben am Sonnabend in.
eben so viel Theile zerlegt als früher der volle Wochenlohn, die Gläubiger- sind
mit den verhältnismäßig gleichen, nnr viel kleineren Abschlagszahlungen zufrie¬
den, -- man richtet sich ein. Wachsen dem Bergmanne bei gesundem Körper
seine Schulden zu sehr über den Hals, so macht er zuweilen förmlich banqneront,
wo dann aus den verkauften Möbeln nur eine lächerlich kleine Summe gelöst
wird. Alsdann befördert ihn der Staat wenn er es verlangt, um ihn nur los
zu werden, noch nach Anstralien, wo er seine bergmännische Beschäftigung fortsetzt
und Aussicht hat, beim Bergbau ein erhebliches Amt zu bekleiden. Alles läßt
ihn bereitwillig ziehen, denn er muß sich vor seiner Abreise verpflichten, nicht allem
dem hannöverschen Staate die Auslage für die Ueberfahrt später zu erstatten,
sondern auch Geld für seine Gläubiger zu schicken wenn er sich nicht vorher mit
ihnen arrangirt hat und die Alimente für seine Kinder, wenn er nicht vorher
zum Heirathen gelangt ist.

Während in den Walddörfern, namentlich in dem großen und merkwürdigen
Orte Lerbach, welcher selbst einen Theil des Unterharzes mit Waldarbeitern
und Köhlern versorgt, und dessen Bewohner zum Staate in einem ähnlichen
Verhältnisse stehen, wie die bergmännische Bevölkerung der Bergstädte, die
Frauen die meisten Waldarbeiten der Männer theilen und noch dazu den
Wiesenban an den jähen Bergabhängen, zwischen denen das Dorf sich hinzieht,
fast allein besorge", sitzt die Frau deö besser besoldeten Bergmanns müßig daheim,
und sorgt nur, wie sie die Speisen für den Mann, der schweißtriefend heimkehrt,
so lecker als bei ihrem kleinen Gcldvvrrathe möglich ist, bereiten kann. Am
Abende des Samstags, wo der Lohn ausgezahlt wird, giebt es in jedem Berg¬
mannshanse einen festlichen Schmaus, wie er bei einer bäurischen Bevölkerung,
welche stets auf deu Erwerb eines Vermögens ausgeht, nicht möglich wäre und
nur bei einer Bevölkerung von kleinen Beamten denkbar ist., Für diesen Schmaus
wird ungefähr der sechste Theil der ganzen Wocheneinnahme ausgesetzt. Am
Montag ist das ganze Geld in der Regel verausgabt, am Dienstag und Mitt¬
woch wird sehr kümmerlich gelebt, am Donnerstag und besonders den Freitag
werden bei dem Kaufmann schon wieder Schulden aus den Sonnabend gemacht.
Auch an Schneider und Schuhmacher werden von jedem Wochenlohne einige


harzischc Ehe verlangt nicht viel, das junge Paar zieht vielleicht nach der Hoch¬
zeit ohne weiteres wo nicht zu den Aeltern des.Mannes, zu den Aeltern der
Braut und fuhrt mit ihnen eine gemeinsame Wirthschaft, was in einem Bauern-
Hause schon ungleich mehr Schwierigkeiten macheu, und nur baun ausführbar
sein würde, wenn die Aeltern ihm ihre ganze Wirthschaft abtraten. Eine Mitgift
an Geld erwartet der Bräutigam kaum, und ihm versagt nicht leicht ein Mädchen
ihre Hand, denn er ist unter allen Umständen versorgt: wird er krank, so erhält
er einen Theil seines bisherigen Wochenlohns als Pension oder „Gnadengeld".
Der Guadeulohn. wird dann für die verschiedenen Ausgaben am Sonnabend in.
eben so viel Theile zerlegt als früher der volle Wochenlohn, die Gläubiger- sind
mit den verhältnismäßig gleichen, nnr viel kleineren Abschlagszahlungen zufrie¬
den, — man richtet sich ein. Wachsen dem Bergmanne bei gesundem Körper
seine Schulden zu sehr über den Hals, so macht er zuweilen förmlich banqneront,
wo dann aus den verkauften Möbeln nur eine lächerlich kleine Summe gelöst
wird. Alsdann befördert ihn der Staat wenn er es verlangt, um ihn nur los
zu werden, noch nach Anstralien, wo er seine bergmännische Beschäftigung fortsetzt
und Aussicht hat, beim Bergbau ein erhebliches Amt zu bekleiden. Alles läßt
ihn bereitwillig ziehen, denn er muß sich vor seiner Abreise verpflichten, nicht allem
dem hannöverschen Staate die Auslage für die Ueberfahrt später zu erstatten,
sondern auch Geld für seine Gläubiger zu schicken wenn er sich nicht vorher mit
ihnen arrangirt hat und die Alimente für seine Kinder, wenn er nicht vorher
zum Heirathen gelangt ist.

Während in den Walddörfern, namentlich in dem großen und merkwürdigen
Orte Lerbach, welcher selbst einen Theil des Unterharzes mit Waldarbeitern
und Köhlern versorgt, und dessen Bewohner zum Staate in einem ähnlichen
Verhältnisse stehen, wie die bergmännische Bevölkerung der Bergstädte, die
Frauen die meisten Waldarbeiten der Männer theilen und noch dazu den
Wiesenban an den jähen Bergabhängen, zwischen denen das Dorf sich hinzieht,
fast allein besorge», sitzt die Frau deö besser besoldeten Bergmanns müßig daheim,
und sorgt nur, wie sie die Speisen für den Mann, der schweißtriefend heimkehrt,
so lecker als bei ihrem kleinen Gcldvvrrathe möglich ist, bereiten kann. Am
Abende des Samstags, wo der Lohn ausgezahlt wird, giebt es in jedem Berg¬
mannshanse einen festlichen Schmaus, wie er bei einer bäurischen Bevölkerung,
welche stets auf deu Erwerb eines Vermögens ausgeht, nicht möglich wäre und
nur bei einer Bevölkerung von kleinen Beamten denkbar ist., Für diesen Schmaus
wird ungefähr der sechste Theil der ganzen Wocheneinnahme ausgesetzt. Am
Montag ist das ganze Geld in der Regel verausgabt, am Dienstag und Mitt¬
woch wird sehr kümmerlich gelebt, am Donnerstag und besonders den Freitag
werden bei dem Kaufmann schon wieder Schulden aus den Sonnabend gemacht.
Auch an Schneider und Schuhmacher werden von jedem Wochenlohne einige


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[0026] harzischc Ehe verlangt nicht viel, das junge Paar zieht vielleicht nach der Hoch¬ zeit ohne weiteres wo nicht zu den Aeltern des.Mannes, zu den Aeltern der Braut und fuhrt mit ihnen eine gemeinsame Wirthschaft, was in einem Bauern- Hause schon ungleich mehr Schwierigkeiten macheu, und nur baun ausführbar sein würde, wenn die Aeltern ihm ihre ganze Wirthschaft abtraten. Eine Mitgift an Geld erwartet der Bräutigam kaum, und ihm versagt nicht leicht ein Mädchen ihre Hand, denn er ist unter allen Umständen versorgt: wird er krank, so erhält er einen Theil seines bisherigen Wochenlohns als Pension oder „Gnadengeld". Der Guadeulohn. wird dann für die verschiedenen Ausgaben am Sonnabend in. eben so viel Theile zerlegt als früher der volle Wochenlohn, die Gläubiger- sind mit den verhältnismäßig gleichen, nnr viel kleineren Abschlagszahlungen zufrie¬ den, — man richtet sich ein. Wachsen dem Bergmanne bei gesundem Körper seine Schulden zu sehr über den Hals, so macht er zuweilen förmlich banqneront, wo dann aus den verkauften Möbeln nur eine lächerlich kleine Summe gelöst wird. Alsdann befördert ihn der Staat wenn er es verlangt, um ihn nur los zu werden, noch nach Anstralien, wo er seine bergmännische Beschäftigung fortsetzt und Aussicht hat, beim Bergbau ein erhebliches Amt zu bekleiden. Alles läßt ihn bereitwillig ziehen, denn er muß sich vor seiner Abreise verpflichten, nicht allem dem hannöverschen Staate die Auslage für die Ueberfahrt später zu erstatten, sondern auch Geld für seine Gläubiger zu schicken wenn er sich nicht vorher mit ihnen arrangirt hat und die Alimente für seine Kinder, wenn er nicht vorher zum Heirathen gelangt ist. Während in den Walddörfern, namentlich in dem großen und merkwürdigen Orte Lerbach, welcher selbst einen Theil des Unterharzes mit Waldarbeitern und Köhlern versorgt, und dessen Bewohner zum Staate in einem ähnlichen Verhältnisse stehen, wie die bergmännische Bevölkerung der Bergstädte, die Frauen die meisten Waldarbeiten der Männer theilen und noch dazu den Wiesenban an den jähen Bergabhängen, zwischen denen das Dorf sich hinzieht, fast allein besorge», sitzt die Frau deö besser besoldeten Bergmanns müßig daheim, und sorgt nur, wie sie die Speisen für den Mann, der schweißtriefend heimkehrt, so lecker als bei ihrem kleinen Gcldvvrrathe möglich ist, bereiten kann. Am Abende des Samstags, wo der Lohn ausgezahlt wird, giebt es in jedem Berg¬ mannshanse einen festlichen Schmaus, wie er bei einer bäurischen Bevölkerung, welche stets auf deu Erwerb eines Vermögens ausgeht, nicht möglich wäre und nur bei einer Bevölkerung von kleinen Beamten denkbar ist., Für diesen Schmaus wird ungefähr der sechste Theil der ganzen Wocheneinnahme ausgesetzt. Am Montag ist das ganze Geld in der Regel verausgabt, am Dienstag und Mitt¬ woch wird sehr kümmerlich gelebt, am Donnerstag und besonders den Freitag werden bei dem Kaufmann schon wieder Schulden aus den Sonnabend gemacht. Auch an Schneider und Schuhmacher werden von jedem Wochenlohne einige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/26>, abgerufen am 22.12.2024.