Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zeit den Mangel an Ackerboden durch künstliche Handarbeit, Wald- und Berg¬
cultur zu ersetzen sucht, angewiesen. Ja, das Land steht seines gebirgigen Ter¬
rains wegen insofern unter dem mittlern Durchschnitt landwirtschaftlicher Production,
als es noch jetzt nicht den Bedarf an vollen Bodenerzeugnissen, sich zu erbauen
vermag. Die Einwohner besitzen alle Tugenden des deutschen Volkscharakters,
sie sind fleißig, genügsam und hängen mit vieler Liebe an ihrer Landschaft. In
diesem Lande ließ im I. 1649 die Landesregierung an alle Dorfschultheißen der
Hennebergischen Aemter die Aufforderung ergehen, genau anzugeben, wie viel Fa¬
milien, Häuser, Scheuern und Stück Vieh im Jahre 1634 in jedem Ort vor¬
handen waren, und wie viel davou im laufenden Jahre 1649 noch beständen.
Die Schulzen der betreffenden Orte lieferten die verlangten genau gearbeiteten
Verzeichnisse ein, von denen manche nebenbei noch interessante historische Angaben
e/nthielten. Die Originalberichte wurden in dem Regiernngsarchiv zu Meiningen
deponirt; in der neuesten Zeit ist leider der größte Theil davon bei Antiquaren
untergegangen. Ein kleiner geretteter Theil umfaßt die Statistik 'von 20 Ortschaf¬
ten, von denen gegenwärtig -I zu Bayern, 19 zu Sachsen-Meiningen gehören. Die
Zahlen und kurzen Notizen dieser Berichte sprechen eine furchtbare Sprache, 'die
Verwüstung ist in allen Orten ziemlich gleich, und es ist kein Grund anzunehmen,
daß sie gerade in den 20 Ortschaften, von denen sich die Berichte erhalten haben,
übermäßig großer gewesen ist, als in den anderen Orten des Landes. Das
bayerische Wilmars z. B. hatte im I. 1634 29 Familien 43 Hänser und Scheu-'
ern, 41-Kühe und Ochsen und 80 Schafe; 1649 9 Familien, 2 bewohnte und
2S wüst stehende Häuser, 18 Kühe und Ochsen, keine Schafe. Und ist, 'sagt
der Bericht, das Dorf viele Jahre wüst gestanden, und ist das Feld sehr verderbt und
mit Holz bewachsen. Die Schafe sind sämmtlich in allen Orten vernichtet ge¬
wesen, von den Pferden sind 8S Proc., von den Ziegen über 83 Proc., von
den Kühen über 82 Proc., von den Häusern über 63 Proc., und von den
Familien über 82 Proc. eingegangen, die noch stehenden Häuser werden
bei vielen Orten als beschädigt und ruinenhaft, die vorhandenen Pferde als lahm
und blind, die Felder und Wiesen als verwüstet und zum Theil mit Holz über¬
wachsen, angeführt. In dem erwähnten Buche sind durch Professor Bruckner bei
den 19 meiningischen Orten, die gegenwärtigen statistischen Verhältnisse den alten
gegenüber gestellt, und die Folgerungen, welche sich daraus machen lassen, sind in¬
teressant genug, um allgemeine Beachtung zu verdienen.

Wir heben hier, aus der Mitte heraus, drei auf einander folgende Ort¬
schaften hervor,, und stellen den Bestand derselben in dem Jahre 1634, wo die
Verwüstung noch mäßig war, vom Jahre 1649 und vom Jahre 1849 neben¬
einander und lassen die Zahlen selbst sprechen:


Zeit den Mangel an Ackerboden durch künstliche Handarbeit, Wald- und Berg¬
cultur zu ersetzen sucht, angewiesen. Ja, das Land steht seines gebirgigen Ter¬
rains wegen insofern unter dem mittlern Durchschnitt landwirtschaftlicher Production,
als es noch jetzt nicht den Bedarf an vollen Bodenerzeugnissen, sich zu erbauen
vermag. Die Einwohner besitzen alle Tugenden des deutschen Volkscharakters,
sie sind fleißig, genügsam und hängen mit vieler Liebe an ihrer Landschaft. In
diesem Lande ließ im I. 1649 die Landesregierung an alle Dorfschultheißen der
Hennebergischen Aemter die Aufforderung ergehen, genau anzugeben, wie viel Fa¬
milien, Häuser, Scheuern und Stück Vieh im Jahre 1634 in jedem Ort vor¬
handen waren, und wie viel davou im laufenden Jahre 1649 noch beständen.
Die Schulzen der betreffenden Orte lieferten die verlangten genau gearbeiteten
Verzeichnisse ein, von denen manche nebenbei noch interessante historische Angaben
e/nthielten. Die Originalberichte wurden in dem Regiernngsarchiv zu Meiningen
deponirt; in der neuesten Zeit ist leider der größte Theil davon bei Antiquaren
untergegangen. Ein kleiner geretteter Theil umfaßt die Statistik 'von 20 Ortschaf¬
ten, von denen gegenwärtig -I zu Bayern, 19 zu Sachsen-Meiningen gehören. Die
Zahlen und kurzen Notizen dieser Berichte sprechen eine furchtbare Sprache, 'die
Verwüstung ist in allen Orten ziemlich gleich, und es ist kein Grund anzunehmen,
daß sie gerade in den 20 Ortschaften, von denen sich die Berichte erhalten haben,
übermäßig großer gewesen ist, als in den anderen Orten des Landes. Das
bayerische Wilmars z. B. hatte im I. 1634 29 Familien 43 Hänser und Scheu-'
ern, 41-Kühe und Ochsen und 80 Schafe; 1649 9 Familien, 2 bewohnte und
2S wüst stehende Häuser, 18 Kühe und Ochsen, keine Schafe. Und ist, 'sagt
der Bericht, das Dorf viele Jahre wüst gestanden, und ist das Feld sehr verderbt und
mit Holz bewachsen. Die Schafe sind sämmtlich in allen Orten vernichtet ge¬
wesen, von den Pferden sind 8S Proc., von den Ziegen über 83 Proc., von
den Kühen über 82 Proc., von den Häusern über 63 Proc., und von den
Familien über 82 Proc. eingegangen, die noch stehenden Häuser werden
bei vielen Orten als beschädigt und ruinenhaft, die vorhandenen Pferde als lahm
und blind, die Felder und Wiesen als verwüstet und zum Theil mit Holz über¬
wachsen, angeführt. In dem erwähnten Buche sind durch Professor Bruckner bei
den 19 meiningischen Orten, die gegenwärtigen statistischen Verhältnisse den alten
gegenüber gestellt, und die Folgerungen, welche sich daraus machen lassen, sind in¬
teressant genug, um allgemeine Beachtung zu verdienen.

Wir heben hier, aus der Mitte heraus, drei auf einander folgende Ort¬
schaften hervor,, und stellen den Bestand derselben in dem Jahre 1634, wo die
Verwüstung noch mäßig war, vom Jahre 1649 und vom Jahre 1849 neben¬
einander und lassen die Zahlen selbst sprechen:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94657"/>
          <p xml:id="ID_639" prev="#ID_638"> Zeit den Mangel an Ackerboden durch künstliche Handarbeit, Wald- und Berg¬<lb/>
cultur zu ersetzen sucht, angewiesen. Ja, das Land steht seines gebirgigen Ter¬<lb/>
rains wegen insofern unter dem mittlern Durchschnitt landwirtschaftlicher Production,<lb/>
als es noch jetzt nicht den Bedarf an vollen Bodenerzeugnissen, sich zu erbauen<lb/>
vermag. Die Einwohner besitzen alle Tugenden des deutschen Volkscharakters,<lb/>
sie sind fleißig, genügsam und hängen mit vieler Liebe an ihrer Landschaft. In<lb/>
diesem Lande ließ im I. 1649 die Landesregierung an alle Dorfschultheißen der<lb/>
Hennebergischen Aemter die Aufforderung ergehen, genau anzugeben, wie viel Fa¬<lb/>
milien, Häuser, Scheuern und Stück Vieh im Jahre 1634 in jedem Ort vor¬<lb/>
handen waren, und wie viel davou im laufenden Jahre 1649 noch beständen.<lb/>
Die Schulzen der betreffenden Orte lieferten die verlangten genau gearbeiteten<lb/>
Verzeichnisse ein, von denen manche nebenbei noch interessante historische Angaben<lb/>
e/nthielten. Die Originalberichte wurden in dem Regiernngsarchiv zu Meiningen<lb/>
deponirt; in der neuesten Zeit ist leider der größte Theil davon bei Antiquaren<lb/>
untergegangen. Ein kleiner geretteter Theil umfaßt die Statistik 'von 20 Ortschaf¬<lb/>
ten, von denen gegenwärtig -I zu Bayern, 19 zu Sachsen-Meiningen gehören. Die<lb/>
Zahlen und kurzen Notizen dieser Berichte sprechen eine furchtbare Sprache, 'die<lb/>
Verwüstung ist in allen Orten ziemlich gleich, und es ist kein Grund anzunehmen,<lb/>
daß sie gerade in den 20 Ortschaften, von denen sich die Berichte erhalten haben,<lb/>
übermäßig großer gewesen ist, als in den anderen Orten des Landes. Das<lb/>
bayerische Wilmars z. B. hatte im I. 1634 29 Familien 43 Hänser und Scheu-'<lb/>
ern, 41-Kühe und Ochsen und 80 Schafe; 1649 9 Familien, 2 bewohnte und<lb/>
2S wüst stehende Häuser, 18 Kühe und Ochsen, keine Schafe. Und ist, 'sagt<lb/>
der Bericht, das Dorf viele Jahre wüst gestanden, und ist das Feld sehr verderbt und<lb/>
mit Holz bewachsen. Die Schafe sind sämmtlich in allen Orten vernichtet ge¬<lb/>
wesen, von den Pferden sind 8S Proc., von den Ziegen über 83 Proc., von<lb/>
den Kühen über 82 Proc., von den Häusern über 63 Proc., und von den<lb/>
Familien über 82 Proc. eingegangen, die noch stehenden Häuser werden<lb/>
bei vielen Orten als beschädigt und ruinenhaft, die vorhandenen Pferde als lahm<lb/>
und blind, die Felder und Wiesen als verwüstet und zum Theil mit Holz über¬<lb/>
wachsen, angeführt. In dem erwähnten Buche sind durch Professor Bruckner bei<lb/>
den 19 meiningischen Orten, die gegenwärtigen statistischen Verhältnisse den alten<lb/>
gegenüber gestellt, und die Folgerungen, welche sich daraus machen lassen, sind in¬<lb/>
teressant genug, um allgemeine Beachtung zu verdienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_640"> Wir heben hier, aus der Mitte heraus, drei auf einander folgende Ort¬<lb/>
schaften hervor,, und stellen den Bestand derselben in dem Jahre 1634, wo die<lb/>
Verwüstung noch mäßig war, vom Jahre 1649 und vom Jahre 1849 neben¬<lb/>
einander und lassen die Zahlen selbst sprechen:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0216] Zeit den Mangel an Ackerboden durch künstliche Handarbeit, Wald- und Berg¬ cultur zu ersetzen sucht, angewiesen. Ja, das Land steht seines gebirgigen Ter¬ rains wegen insofern unter dem mittlern Durchschnitt landwirtschaftlicher Production, als es noch jetzt nicht den Bedarf an vollen Bodenerzeugnissen, sich zu erbauen vermag. Die Einwohner besitzen alle Tugenden des deutschen Volkscharakters, sie sind fleißig, genügsam und hängen mit vieler Liebe an ihrer Landschaft. In diesem Lande ließ im I. 1649 die Landesregierung an alle Dorfschultheißen der Hennebergischen Aemter die Aufforderung ergehen, genau anzugeben, wie viel Fa¬ milien, Häuser, Scheuern und Stück Vieh im Jahre 1634 in jedem Ort vor¬ handen waren, und wie viel davou im laufenden Jahre 1649 noch beständen. Die Schulzen der betreffenden Orte lieferten die verlangten genau gearbeiteten Verzeichnisse ein, von denen manche nebenbei noch interessante historische Angaben e/nthielten. Die Originalberichte wurden in dem Regiernngsarchiv zu Meiningen deponirt; in der neuesten Zeit ist leider der größte Theil davon bei Antiquaren untergegangen. Ein kleiner geretteter Theil umfaßt die Statistik 'von 20 Ortschaf¬ ten, von denen gegenwärtig -I zu Bayern, 19 zu Sachsen-Meiningen gehören. Die Zahlen und kurzen Notizen dieser Berichte sprechen eine furchtbare Sprache, 'die Verwüstung ist in allen Orten ziemlich gleich, und es ist kein Grund anzunehmen, daß sie gerade in den 20 Ortschaften, von denen sich die Berichte erhalten haben, übermäßig großer gewesen ist, als in den anderen Orten des Landes. Das bayerische Wilmars z. B. hatte im I. 1634 29 Familien 43 Hänser und Scheu-' ern, 41-Kühe und Ochsen und 80 Schafe; 1649 9 Familien, 2 bewohnte und 2S wüst stehende Häuser, 18 Kühe und Ochsen, keine Schafe. Und ist, 'sagt der Bericht, das Dorf viele Jahre wüst gestanden, und ist das Feld sehr verderbt und mit Holz bewachsen. Die Schafe sind sämmtlich in allen Orten vernichtet ge¬ wesen, von den Pferden sind 8S Proc., von den Ziegen über 83 Proc., von den Kühen über 82 Proc., von den Häusern über 63 Proc., und von den Familien über 82 Proc. eingegangen, die noch stehenden Häuser werden bei vielen Orten als beschädigt und ruinenhaft, die vorhandenen Pferde als lahm und blind, die Felder und Wiesen als verwüstet und zum Theil mit Holz über¬ wachsen, angeführt. In dem erwähnten Buche sind durch Professor Bruckner bei den 19 meiningischen Orten, die gegenwärtigen statistischen Verhältnisse den alten gegenüber gestellt, und die Folgerungen, welche sich daraus machen lassen, sind in¬ teressant genug, um allgemeine Beachtung zu verdienen. Wir heben hier, aus der Mitte heraus, drei auf einander folgende Ort¬ schaften hervor,, und stellen den Bestand derselben in dem Jahre 1634, wo die Verwüstung noch mäßig war, vom Jahre 1649 und vom Jahre 1849 neben¬ einander und lassen die Zahlen selbst sprechen:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/216
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/216>, abgerufen am 03.01.2025.