Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.Diese erscheinen in der Regel zuerst in dem Feuilleton irgend eines Jour¬ Ganz entschieden zur Modeliteratur gehören ferner die halb naturphiloso¬ Zum Schluß noch eine kleine Abschweifung in das Gebiet der eigentlichen Diese erscheinen in der Regel zuerst in dem Feuilleton irgend eines Jour¬ Ganz entschieden zur Modeliteratur gehören ferner die halb naturphiloso¬ Zum Schluß noch eine kleine Abschweifung in das Gebiet der eigentlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94461"/> <p xml:id="ID_25" prev="#ID_24"> Diese erscheinen in der Regel zuerst in dem Feuilleton irgend eines Jour¬<lb/> nals und werden dann nachträglich zusammengestellt. Wenn von dieser Art,<lb/> zu componiren, eine gewisse Nachlässigkeit unzertrennlich ist, so hat dies bei dem<lb/> Genre weniger zu sagen, als der eben daraus hervorgehende Feuilletonstyl, der<lb/> über dem Bestreben, jeden Augenblick pikant zu sein, leicht ins Gezierte verfällt.<lb/> Namentlich sahen wir das bei den vielfachen Skizzen von der Londoner Industrie-<lb/> Ausstellung. Das rein Technische und Materielle war von den illustrirten Zeitun¬<lb/> gen bereits so ausgebeutet, daß dem eigentlichen Feuilletonisten Nichts übrig<lb/> blieb, als sich in philosophischen Combinationen und den ungewöhnlichen Em¬<lb/> pfindungen zu ergehen. Trotzdem ist in allen diesen Schriften doch immer mehr<lb/> positiver Inhalt und weniger Coquetterie, als in der Reiseliteratur aus dem Ende<lb/> der Wer und dem Anfang der 30er Jahre, wo man nach Heine's Vorbild blos<lb/> darum reiste, um neue Nahrung für seinen Weltschmerz und neuen Stoff für<lb/> Sonnette und Balladen zu sammeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_26"> Ganz entschieden zur Modeliteratur gehören ferner die halb naturphiloso¬<lb/> phisch, halb descriptio gehaltenen Darstellungen von dem Ganzen der Welt, die,<lb/> meistens aus einer Nachahmung des Humboldt'schen Kosmos hervorgegangen, der<lb/> Wissenschaft einen großem Boden und der Aufklärung einen größern Inhalt zu<lb/> »erschaffen suchen. Etwas Dilettantismus ist bei solchen Darstellungen nicht zu<lb/> vermeiden, denn einerseits sträubt sich die Natur der Wissenschaft gegen die Po¬<lb/> pularität, andererseits geht über dem Bestreben, die Totalität der Wissenschaft zu<lb/> umfassen, leicht die wissenschaftliche Gründlichkeit und Tiefe verloren. Trotzdem<lb/> ist diese Literatur ein sehr nützliches Werkzeug zur Bekämpfung des Aberglaubens<lb/> einerseits, d,er flachen Abstraction andererseits. — Sie bildet eine geschlossene<lb/> Phalanx, die viel bedeutender und wirksamer ist, als die naturphilosophische Pe¬<lb/> riode zu Anfang dieses Jahrhunderts. Damals hielt sich Jeder, der einige phi¬<lb/> losophische Kategorien im Kops hatte, für berechtigt, über das Ganze des Men¬<lb/> schengeschlechts zu phantasiren, heute bemüht man sich doch, vorher etwas zu ler¬<lb/> nen;'damals hob man die Nachtseite der Natur, das Traumwesen ^ den Som¬<lb/> nambulismus u. s. w. zu Gunsten der Mystik gegen die Aufklärung hervor, heute<lb/> dienen alle jene Untersuchungen der Aufklärung. Damit ist nicht gesagt, daß<lb/> man jene dunklen Gebiete der Natur ganz aufgegeben habe, im Gegentheil gehört<lb/> die Beschäftigung mit den unklaren Gebieten der Phrenologie, der Physiognomik,<lb/> des thierischen Magnetismus u. s. w. wieder mehr als je zur Mode, aber man<lb/> bemüht sich, auch in diesen unklaren Gebieten so zusammenhängend und wissen¬<lb/> schaftlich als möglich zu Werke zu gehen, während man früher auch das Klarste<lb/> mit nebelhafter Mystik zu umschleiern suchte. —</p><lb/> <p xml:id="ID_27" next="#ID_28"> Zum Schluß noch eine kleine Abschweifung in das Gebiet der eigentlichen<lb/> Wissenschaft. Wie der philologische Unterricht die Grundlage unsrer heutigen Er¬<lb/> ziehung ist, so erscheint auch unter allen Wissenschaften neben der Naturwissenschaft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Diese erscheinen in der Regel zuerst in dem Feuilleton irgend eines Jour¬
nals und werden dann nachträglich zusammengestellt. Wenn von dieser Art,
zu componiren, eine gewisse Nachlässigkeit unzertrennlich ist, so hat dies bei dem
Genre weniger zu sagen, als der eben daraus hervorgehende Feuilletonstyl, der
über dem Bestreben, jeden Augenblick pikant zu sein, leicht ins Gezierte verfällt.
Namentlich sahen wir das bei den vielfachen Skizzen von der Londoner Industrie-
Ausstellung. Das rein Technische und Materielle war von den illustrirten Zeitun¬
gen bereits so ausgebeutet, daß dem eigentlichen Feuilletonisten Nichts übrig
blieb, als sich in philosophischen Combinationen und den ungewöhnlichen Em¬
pfindungen zu ergehen. Trotzdem ist in allen diesen Schriften doch immer mehr
positiver Inhalt und weniger Coquetterie, als in der Reiseliteratur aus dem Ende
der Wer und dem Anfang der 30er Jahre, wo man nach Heine's Vorbild blos
darum reiste, um neue Nahrung für seinen Weltschmerz und neuen Stoff für
Sonnette und Balladen zu sammeln.
Ganz entschieden zur Modeliteratur gehören ferner die halb naturphiloso¬
phisch, halb descriptio gehaltenen Darstellungen von dem Ganzen der Welt, die,
meistens aus einer Nachahmung des Humboldt'schen Kosmos hervorgegangen, der
Wissenschaft einen großem Boden und der Aufklärung einen größern Inhalt zu
»erschaffen suchen. Etwas Dilettantismus ist bei solchen Darstellungen nicht zu
vermeiden, denn einerseits sträubt sich die Natur der Wissenschaft gegen die Po¬
pularität, andererseits geht über dem Bestreben, die Totalität der Wissenschaft zu
umfassen, leicht die wissenschaftliche Gründlichkeit und Tiefe verloren. Trotzdem
ist diese Literatur ein sehr nützliches Werkzeug zur Bekämpfung des Aberglaubens
einerseits, d,er flachen Abstraction andererseits. — Sie bildet eine geschlossene
Phalanx, die viel bedeutender und wirksamer ist, als die naturphilosophische Pe¬
riode zu Anfang dieses Jahrhunderts. Damals hielt sich Jeder, der einige phi¬
losophische Kategorien im Kops hatte, für berechtigt, über das Ganze des Men¬
schengeschlechts zu phantasiren, heute bemüht man sich doch, vorher etwas zu ler¬
nen;'damals hob man die Nachtseite der Natur, das Traumwesen ^ den Som¬
nambulismus u. s. w. zu Gunsten der Mystik gegen die Aufklärung hervor, heute
dienen alle jene Untersuchungen der Aufklärung. Damit ist nicht gesagt, daß
man jene dunklen Gebiete der Natur ganz aufgegeben habe, im Gegentheil gehört
die Beschäftigung mit den unklaren Gebieten der Phrenologie, der Physiognomik,
des thierischen Magnetismus u. s. w. wieder mehr als je zur Mode, aber man
bemüht sich, auch in diesen unklaren Gebieten so zusammenhängend und wissen¬
schaftlich als möglich zu Werke zu gehen, während man früher auch das Klarste
mit nebelhafter Mystik zu umschleiern suchte. —
Zum Schluß noch eine kleine Abschweifung in das Gebiet der eigentlichen
Wissenschaft. Wie der philologische Unterricht die Grundlage unsrer heutigen Er¬
ziehung ist, so erscheint auch unter allen Wissenschaften neben der Naturwissenschaft
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