Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.bad, und wenn auch seine warmen Quellen zu Bädern und theilweise auch zum Trinken Was Baden jetzt so überaus angenehm macht, ist die Großartigkeit seines Treibens bad, und wenn auch seine warmen Quellen zu Bädern und theilweise auch zum Trinken Was Baden jetzt so überaus angenehm macht, ist die Großartigkeit seines Treibens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0198" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94639"/> <p xml:id="ID_587" prev="#ID_586"> bad, und wenn auch seine warmen Quellen zu Bädern und theilweise auch zum Trinken<lb/> benutzt, Heilmittel gegen mancherlei Uebel des gebrechlichen modernen Menschengeschlechts<lb/> gewähren, so ist dies im Ganzen doch nur Nebensache. Ueber die Hälfte aller Besucher<lb/> kommt des Vergnügens wegen her und badet vielleicht nur, um eine sonst nicht gut<lb/> zu benutzende Morgenstunde hinzubringen. Böte Baden nichts als seine Quellen, seine<lb/> ungeheueren Säle würden bald leer stehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_588" next="#ID_589"> Was Baden jetzt so überaus angenehm macht, ist die Großartigkeit seines Treibens<lb/> während der Sommermonate und die Lieblichkeit seiner Umgebung. Die kleinlichen<lb/> Rücksichten, die man sonst überall nehmen muß, dies ängstliche Sichdrehen und Winden,<lb/> um nicht Anstoß zu erregen, hier fällt es ganz fort. Da wird. nicht ängstlich nach<lb/> Rang und Stand gefragt, woher Jemand stamme, welches Kleid er trage, wie er<lb/> seine Zeit am liebsten 'sich vertreibe. Wer in irgend einer Weise bemerkt werden will,<lb/> muß schon ganz besondere Eigenschaften besitzen oder ganz auffallend leben. Freilich<lb/> fragen auch die kleineren Kreise, deren es hier Hunderte aller Art giebt, streng genug<lb/> nach den Verhältnissen eines Unbekannten, der sich ihnen zu nähern sucht. Baden<lb/> wimmelt von männlichen wie weiblichen Abenteurern selbst des vornehmsten Ranges, so<lb/> daß man gegen jeden Fremden, mit dem man nähere Bekanntschaft- schließen will, vor¬<lb/> sichtig sein muß. Von dem freundlichen Entgegenkommen, von der Verschmelzung<lb/> aller Badegäste in eine einzige große Familie, wie man es in manchen kleinen Bade¬<lb/> örtern findet, wo schon der Ankommende sich gleich in den ersten Tagen seines Auf-<lb/> enthaltes wie zu Hause fühlt, trifft man keine Spur. Wie ohne Neugier, so geht<lb/> auch ohne Theilnahme Alles an einander vorüber. Hier, wo Jedem eine so reiche<lb/> Auswahl zur Geselligkeit offen steht, kann Jeder auch nach Neigung wählerisch sein.<lb/> Es ist oft komisch anzuschauen, wenn bisweilen so ein großer Würdenträger eines kleinen<lb/> Staates, der daheim gewohnt ist, daß schon vor seinem leeren Wagen alle Hüte auf<lb/> hundert Schritte ans übergroßem Respect abfliegen, hier zuerst ankommt. Nachdem er<lb/> seinen oft unübersetzbaren Titel, der zwei Linien des Fremdcnblattes füllt, mit ängstlicher<lb/> Sorgfalt, daß ja kein „Ober" oder „Geheim" vergessen, werde, eingeschrieben, schreitet<lb/> er, ganz gegen die hiesige Sitte alle Ordensbänder im Knopfloch, die Gemahlin geputzt,<lb/> als wollte sie zum Hofbälle fahren, ihm zur Seite, im Gefühl seiner Würde stolz<lb/> einher, in der Meinung, Jeder müsse mit zuvorkommender Höflichkeit sich ihm nähern,<lb/> sich glücklich schätzen, die Ehre seiner Bekanntschaft zu machen. Aber von all den<lb/> langen Titeln, breiten Bändern und schönem Putz nimmt Niemand die geringste Notiz.<lb/> Dann verschwinden allmählich die Decorationen und einige boshafte Franzosen haben<lb/> kaum noch Gelegenheit, über unsere kleinen Lächerlichkeiten zu spötteln. — Das Con-<lb/> versationshaus mit seinen vielen Sälen und noch schönerem freien Platze, von sü߬<lb/> duftenden großen Orangenbäumen umsäumt, ist der Schauplatz des großartigsten<lb/> gesellschaftlichen Lebens. Es sind besonders die Abendstunden von 7—9 Uhr, wo man<lb/> sich hier versammelt. In einem Kiosk auf der grünen Matte, die durch die breite<lb/> Promenade von der Säulenhalle des Cvnversationshauses getrennt ist, spielt ein gut<lb/> besetztes Orchester vom Karlsruher Militair. Die Klänge der neusten Walzer, Polka's<lb/> und Ouvertüren beliebter Mode-Opern tönen in das Gesumme der auf- und nieder¬<lb/> wogenden Menschenmenge. Hier sind oft mehr als 1800 Personen aus der ganzen Welt<lb/> vereinigt, auf' dem Platze auf und ab schlendernd oder der Ruhe pflegend. Alles findet<lb/> hier seine Repräsentanten, Jugend und Schönheit, Stand und Reichthum, der Glanz</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0198]
bad, und wenn auch seine warmen Quellen zu Bädern und theilweise auch zum Trinken
benutzt, Heilmittel gegen mancherlei Uebel des gebrechlichen modernen Menschengeschlechts
gewähren, so ist dies im Ganzen doch nur Nebensache. Ueber die Hälfte aller Besucher
kommt des Vergnügens wegen her und badet vielleicht nur, um eine sonst nicht gut
zu benutzende Morgenstunde hinzubringen. Böte Baden nichts als seine Quellen, seine
ungeheueren Säle würden bald leer stehen.
Was Baden jetzt so überaus angenehm macht, ist die Großartigkeit seines Treibens
während der Sommermonate und die Lieblichkeit seiner Umgebung. Die kleinlichen
Rücksichten, die man sonst überall nehmen muß, dies ängstliche Sichdrehen und Winden,
um nicht Anstoß zu erregen, hier fällt es ganz fort. Da wird. nicht ängstlich nach
Rang und Stand gefragt, woher Jemand stamme, welches Kleid er trage, wie er
seine Zeit am liebsten 'sich vertreibe. Wer in irgend einer Weise bemerkt werden will,
muß schon ganz besondere Eigenschaften besitzen oder ganz auffallend leben. Freilich
fragen auch die kleineren Kreise, deren es hier Hunderte aller Art giebt, streng genug
nach den Verhältnissen eines Unbekannten, der sich ihnen zu nähern sucht. Baden
wimmelt von männlichen wie weiblichen Abenteurern selbst des vornehmsten Ranges, so
daß man gegen jeden Fremden, mit dem man nähere Bekanntschaft- schließen will, vor¬
sichtig sein muß. Von dem freundlichen Entgegenkommen, von der Verschmelzung
aller Badegäste in eine einzige große Familie, wie man es in manchen kleinen Bade¬
örtern findet, wo schon der Ankommende sich gleich in den ersten Tagen seines Auf-
enthaltes wie zu Hause fühlt, trifft man keine Spur. Wie ohne Neugier, so geht
auch ohne Theilnahme Alles an einander vorüber. Hier, wo Jedem eine so reiche
Auswahl zur Geselligkeit offen steht, kann Jeder auch nach Neigung wählerisch sein.
Es ist oft komisch anzuschauen, wenn bisweilen so ein großer Würdenträger eines kleinen
Staates, der daheim gewohnt ist, daß schon vor seinem leeren Wagen alle Hüte auf
hundert Schritte ans übergroßem Respect abfliegen, hier zuerst ankommt. Nachdem er
seinen oft unübersetzbaren Titel, der zwei Linien des Fremdcnblattes füllt, mit ängstlicher
Sorgfalt, daß ja kein „Ober" oder „Geheim" vergessen, werde, eingeschrieben, schreitet
er, ganz gegen die hiesige Sitte alle Ordensbänder im Knopfloch, die Gemahlin geputzt,
als wollte sie zum Hofbälle fahren, ihm zur Seite, im Gefühl seiner Würde stolz
einher, in der Meinung, Jeder müsse mit zuvorkommender Höflichkeit sich ihm nähern,
sich glücklich schätzen, die Ehre seiner Bekanntschaft zu machen. Aber von all den
langen Titeln, breiten Bändern und schönem Putz nimmt Niemand die geringste Notiz.
Dann verschwinden allmählich die Decorationen und einige boshafte Franzosen haben
kaum noch Gelegenheit, über unsere kleinen Lächerlichkeiten zu spötteln. — Das Con-
versationshaus mit seinen vielen Sälen und noch schönerem freien Platze, von sü߬
duftenden großen Orangenbäumen umsäumt, ist der Schauplatz des großartigsten
gesellschaftlichen Lebens. Es sind besonders die Abendstunden von 7—9 Uhr, wo man
sich hier versammelt. In einem Kiosk auf der grünen Matte, die durch die breite
Promenade von der Säulenhalle des Cvnversationshauses getrennt ist, spielt ein gut
besetztes Orchester vom Karlsruher Militair. Die Klänge der neusten Walzer, Polka's
und Ouvertüren beliebter Mode-Opern tönen in das Gesumme der auf- und nieder¬
wogenden Menschenmenge. Hier sind oft mehr als 1800 Personen aus der ganzen Welt
vereinigt, auf' dem Platze auf und ab schlendernd oder der Ruhe pflegend. Alles findet
hier seine Repräsentanten, Jugend und Schönheit, Stand und Reichthum, der Glanz
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