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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Abprotzen gerechnet -- ein Kartätschenfeuer; aber einige Kugeln gingen in die Erde,
viele in die Lust, und mir sehr wenige in die Scheiben.

Im Ganzen hatte die Artillerie meine Erwartungen getäuscht. Uebermaß an
Eiser und Aengstlichkeit wegen der Anwesenheit des Kaisers mag Einiges ent¬
schuldigen, z. V. das langsame Zielen, aber da alle Distanzen abgesteckt waren,
und Nichts der Schalung überlassen blieb, so hätte jedenfalls mehr Staub aus
unsrer Seite der Scheiben emporfliegen sollen.

Bei einer genauen Besichtigung der Scheiben schienen die dorischen Kosaken
am besten geschossen zu haben, aber nach einem VerPlatzen von 1S00 Schuß
Hätte man mehr Löcher in den Scheiben zu finden erwartet.

Diese großen militärischen Uebungen schlössen am 8. mit einem Feldmanöver
mit supponirten Feind auf der Ebene von Wola. Der Angriffspunkt war eine
Stellung in der Nähe der Weichsel, bei dem Dorfe Bielany. Der Kaiser zeigte bei
dieser Gelegenheit seine gewöhnliche Gewandtheit in der Leitung großer Massen, und
Geschicklichkeit der Verwendung der verschiedenen Waffen zu ihren respectiven
Zwecken. Es scheint jedoch etwas zu mechanisches in einem System zu sein,
welches vorzüglich bei leichten Truppen keine Abweichung vou der Vorschrift bei
etwaigen unerwarteten Wendungen ans dem Schlachtfelde zuläßt, aber bei so un¬
gezählten Massen ist vielleicht weniger Gelegenheit den Verstand selbstständig zu
gebrauchen, obgleich man kaum bezweifeln kann, daß ein gelegentliches Abweichen
von der pedantischen Regelmäßigkeit der Parade, diese ungeheure Armee noch
gefürchteter machen würde.




Wochenbericht.
Baden-Baden.

Diese Skizze ist auszugsweise einem interessanten Büchlein eutuonuneu, welches wir
unsren Lesern empfehlen: Aus dem Leben eines Touristen. Von Julius v. Wickede.
Der Verfasser ist einer der ausdauerndsten Reisenden unserer Zeit; er hat als Officier in Oest¬
reich, später in Schleswig-Holstein Gelegenheit gehabt, mit dem wirtlichen Leben engere Be-
rnhrungsfädcu anzuknüpfen, als es dein gewöhnliche" Touristen verstattet ist. Außerdem geben
ihm die warme Anhänglichkeit für das Vaterland und die feste, ehrliche politische Gesinnung,
die in allen Stürmen der Partei treu geblieben ist, jenen Halt, ohne den auch die beste
Beobachtungsgabe ohne Werth ist. Unsre Leser kennen ihn bereits als einen vieljährigen und
fleißigen Mitarbeiter unsrer Blätter. --

Baden-Baden, ein kleines, kaum einige tausend Seelen zählendes Städtchen des
Schwarzwaldes, ist während zweier Monate das gemeinsame Rendezvous Europa's,
das große Gasthaus aller Nationen. Es bietet Alles auf, um sich des Ranges, den
einmal die Mode ihm zugewiesen, würdig zu zeigen. Mode aber und nicht Bedürfniß
hat es zu dem erhoben, was es jetzt ist. Baden ist vielmehr Luxus- als Gesundheits-


Grcnzboten. III. 2i

Abprotzen gerechnet — ein Kartätschenfeuer; aber einige Kugeln gingen in die Erde,
viele in die Lust, und mir sehr wenige in die Scheiben.

Im Ganzen hatte die Artillerie meine Erwartungen getäuscht. Uebermaß an
Eiser und Aengstlichkeit wegen der Anwesenheit des Kaisers mag Einiges ent¬
schuldigen, z. V. das langsame Zielen, aber da alle Distanzen abgesteckt waren,
und Nichts der Schalung überlassen blieb, so hätte jedenfalls mehr Staub aus
unsrer Seite der Scheiben emporfliegen sollen.

Bei einer genauen Besichtigung der Scheiben schienen die dorischen Kosaken
am besten geschossen zu haben, aber nach einem VerPlatzen von 1S00 Schuß
Hätte man mehr Löcher in den Scheiben zu finden erwartet.

Diese großen militärischen Uebungen schlössen am 8. mit einem Feldmanöver
mit supponirten Feind auf der Ebene von Wola. Der Angriffspunkt war eine
Stellung in der Nähe der Weichsel, bei dem Dorfe Bielany. Der Kaiser zeigte bei
dieser Gelegenheit seine gewöhnliche Gewandtheit in der Leitung großer Massen, und
Geschicklichkeit der Verwendung der verschiedenen Waffen zu ihren respectiven
Zwecken. Es scheint jedoch etwas zu mechanisches in einem System zu sein,
welches vorzüglich bei leichten Truppen keine Abweichung vou der Vorschrift bei
etwaigen unerwarteten Wendungen ans dem Schlachtfelde zuläßt, aber bei so un¬
gezählten Massen ist vielleicht weniger Gelegenheit den Verstand selbstständig zu
gebrauchen, obgleich man kaum bezweifeln kann, daß ein gelegentliches Abweichen
von der pedantischen Regelmäßigkeit der Parade, diese ungeheure Armee noch
gefürchteter machen würde.




Wochenbericht.
Baden-Baden.

Diese Skizze ist auszugsweise einem interessanten Büchlein eutuonuneu, welches wir
unsren Lesern empfehlen: Aus dem Leben eines Touristen. Von Julius v. Wickede.
Der Verfasser ist einer der ausdauerndsten Reisenden unserer Zeit; er hat als Officier in Oest¬
reich, später in Schleswig-Holstein Gelegenheit gehabt, mit dem wirtlichen Leben engere Be-
rnhrungsfädcu anzuknüpfen, als es dein gewöhnliche» Touristen verstattet ist. Außerdem geben
ihm die warme Anhänglichkeit für das Vaterland und die feste, ehrliche politische Gesinnung,
die in allen Stürmen der Partei treu geblieben ist, jenen Halt, ohne den auch die beste
Beobachtungsgabe ohne Werth ist. Unsre Leser kennen ihn bereits als einen vieljährigen und
fleißigen Mitarbeiter unsrer Blätter. —

Baden-Baden, ein kleines, kaum einige tausend Seelen zählendes Städtchen des
Schwarzwaldes, ist während zweier Monate das gemeinsame Rendezvous Europa's,
das große Gasthaus aller Nationen. Es bietet Alles auf, um sich des Ranges, den
einmal die Mode ihm zugewiesen, würdig zu zeigen. Mode aber und nicht Bedürfniß
hat es zu dem erhoben, was es jetzt ist. Baden ist vielmehr Luxus- als Gesundheits-


Grcnzboten. III. 2i
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/197>, abgerufen am 22.12.2024.