Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.Um die Lage der Dinge auf der pyrenäischen Halbinsel und die sich daselbst Der Sturz des alten Systems in Spanien, durch die Invasion der Franzosen Die Schwäche des Königs selbst eröffnete seinem Volke den Ausweg aus Die weise Mitte zwischen Absolntie und demokratischer Ausschweifung, die Um die Lage der Dinge auf der pyrenäischen Halbinsel und die sich daselbst Der Sturz des alten Systems in Spanien, durch die Invasion der Franzosen Die Schwäche des Königs selbst eröffnete seinem Volke den Ausweg aus Die weise Mitte zwischen Absolntie und demokratischer Ausschweifung, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0184" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94625"/> <p xml:id="ID_521"> Um die Lage der Dinge auf der pyrenäischen Halbinsel und die sich daselbst<lb/> vorbereitenden Eventualitäten richtig zu würdigen, ist ein flüchtiger Rückblick ans<lb/> die spanische Verfassungsentwickelung erforderlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_522"> Der Sturz des alten Systems in Spanien, durch die Invasion der Franzosen<lb/> und die sich daran knüpfende Auflösung und Umbildung aller centralen Regierungs-'<lb/> gewaltcn gezeitigt, brachte bekanntlich zunächst jene viel gepriesene und viel geschmähte<lb/> Cortesverfassnng von 1812 zu Tage, welche, nach dem Vorbilde der französischen<lb/> Verfassung von 179-1, und selbst noch in Erweiterung derselben auf sehr breiter,<lb/> demokratischer Basis beruhend, dem Königthum nur noch den Schatten wirklicher<lb/> Macht ließ. Daß jene Verfassung den Eigenthümlichkeiten, Sitten, dem National-<lb/> geist des spanischen Volkes mit einem Worte zu entsprechen weit entfernt war,<lb/> zeigt schon die Leichtigkeit ihrer Abschaffung durch Ferdinand VII. nach seiner<lb/> Rückkehr aus der Napoleonischen. Gesangenschaft. Nur die wahrhaft unwürdige<lb/> Negierung dieses Monarchen machte ihre Wiederauferstehung in der Revolution<lb/> von 1820 möglich. Ob die Nation, unbeschadet fremder Einmischung aus diesen<lb/> Verfassungsformen einen legalen Weg zu einem, ihrem Wesen und ihren Bedürf¬<lb/> nissen mehr zusagenden Systeme gefunden hätte, steht dahin. Die Politik der heiligen<lb/> Allianz schnitt ihr die Möglichkeit eines solchen Versuches ab. Und jedenfalls<lb/> fiel die Constitution von 1812 zum Weiten Male ohne sonderlichen Widerstand<lb/> vor dem französischen JnvasionShcere, das mit dem Prinzip des göttlichen Rechts<lb/> auf seiner Fahne, Spanien von Neuem der schimpflichen Despotie seines un¬<lb/> fähigen, von einer verworfenen Camarilla geleiteten Herrschers überlieferte.</p><lb/> <p xml:id="ID_523"> Die Schwäche des Königs selbst eröffnete seinem Volke den Ausweg aus<lb/> dem Elend und der Versumpfung, in die er es gestürzt hatte. Er, der stets<lb/> von fremdem Einfluß abhängig, unterlag in den letzten Jahren seines Lebens dem<lb/> einer schönen und räukevollen Königin, seiner dritten Gemahlin, die ihn ver¬<lb/> mochte, zu Gunsten ihrer, ihm geborenen Töchter die alte Erbfolgeordnnng<lb/> seines Hauses umzustoßen. Ferdinand VII, entfremdete sich damit natürlich für<lb/> den Schluß seiner Negierung die absolutistisch-apostolische Partei, die an der Legi¬<lb/> timität ebenso, wie an der ihr gänzlich ergebenen Person seines Bruders Don<lb/> Carlos festhielt. Eine Annäherung an die Liberalen war nothwendig und dieselbe<lb/> geschah auch, uuter dem Einfluß Marie Christincns bei Lebzeiten des Königs.<lb/> Größere Concessionen waren unabweislich, als nach dem Tode desselben die<lb/> apostolische Partei mit dem Schwert in der Hand die Rechte des Prätendenten<lb/> verfocht. Die Regentin entschloß sich, auf den Rath der gemäßigt-liberalen<lb/> Staatsmänner/ mit denen sie sich umgeben hatte, und unter dem Einfluß der<lb/> vorsichtigen Politik Louis Philipps zur Ertheilung einer Verfassung, die uuter<lb/> dem Namen des Estatuto Real anfangs 183-i- promulgirt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_524" next="#ID_525"> Die weise Mitte zwischen Absolntie und demokratischer Ausschweifung, die<lb/> man darin hatte einhalten wollen, war leider nicht richtig getroffen, abgesehen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0184]
Um die Lage der Dinge auf der pyrenäischen Halbinsel und die sich daselbst
vorbereitenden Eventualitäten richtig zu würdigen, ist ein flüchtiger Rückblick ans
die spanische Verfassungsentwickelung erforderlich.
Der Sturz des alten Systems in Spanien, durch die Invasion der Franzosen
und die sich daran knüpfende Auflösung und Umbildung aller centralen Regierungs-'
gewaltcn gezeitigt, brachte bekanntlich zunächst jene viel gepriesene und viel geschmähte
Cortesverfassnng von 1812 zu Tage, welche, nach dem Vorbilde der französischen
Verfassung von 179-1, und selbst noch in Erweiterung derselben auf sehr breiter,
demokratischer Basis beruhend, dem Königthum nur noch den Schatten wirklicher
Macht ließ. Daß jene Verfassung den Eigenthümlichkeiten, Sitten, dem National-
geist des spanischen Volkes mit einem Worte zu entsprechen weit entfernt war,
zeigt schon die Leichtigkeit ihrer Abschaffung durch Ferdinand VII. nach seiner
Rückkehr aus der Napoleonischen. Gesangenschaft. Nur die wahrhaft unwürdige
Negierung dieses Monarchen machte ihre Wiederauferstehung in der Revolution
von 1820 möglich. Ob die Nation, unbeschadet fremder Einmischung aus diesen
Verfassungsformen einen legalen Weg zu einem, ihrem Wesen und ihren Bedürf¬
nissen mehr zusagenden Systeme gefunden hätte, steht dahin. Die Politik der heiligen
Allianz schnitt ihr die Möglichkeit eines solchen Versuches ab. Und jedenfalls
fiel die Constitution von 1812 zum Weiten Male ohne sonderlichen Widerstand
vor dem französischen JnvasionShcere, das mit dem Prinzip des göttlichen Rechts
auf seiner Fahne, Spanien von Neuem der schimpflichen Despotie seines un¬
fähigen, von einer verworfenen Camarilla geleiteten Herrschers überlieferte.
Die Schwäche des Königs selbst eröffnete seinem Volke den Ausweg aus
dem Elend und der Versumpfung, in die er es gestürzt hatte. Er, der stets
von fremdem Einfluß abhängig, unterlag in den letzten Jahren seines Lebens dem
einer schönen und räukevollen Königin, seiner dritten Gemahlin, die ihn ver¬
mochte, zu Gunsten ihrer, ihm geborenen Töchter die alte Erbfolgeordnnng
seines Hauses umzustoßen. Ferdinand VII, entfremdete sich damit natürlich für
den Schluß seiner Negierung die absolutistisch-apostolische Partei, die an der Legi¬
timität ebenso, wie an der ihr gänzlich ergebenen Person seines Bruders Don
Carlos festhielt. Eine Annäherung an die Liberalen war nothwendig und dieselbe
geschah auch, uuter dem Einfluß Marie Christincns bei Lebzeiten des Königs.
Größere Concessionen waren unabweislich, als nach dem Tode desselben die
apostolische Partei mit dem Schwert in der Hand die Rechte des Prätendenten
verfocht. Die Regentin entschloß sich, auf den Rath der gemäßigt-liberalen
Staatsmänner/ mit denen sie sich umgeben hatte, und unter dem Einfluß der
vorsichtigen Politik Louis Philipps zur Ertheilung einer Verfassung, die uuter
dem Namen des Estatuto Real anfangs 183-i- promulgirt wurde.
Die weise Mitte zwischen Absolntie und demokratischer Ausschweifung, die
man darin hatte einhalten wollen, war leider nicht richtig getroffen, abgesehen
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