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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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Schäfte haben. Die Zahl der Scherer ist doch noch immer nicht übertrieben groß.
Indeß, wäre die Sache immer einen Versuch werth, und wohl geeignet der ganzen
Lage der Dinge eine neue, für uns nicht ungünstige Wendung zu geben. --

-- Wir hatten vor einiger Zeit unser Bedenken über die Ausführbarkeit des
neuen preußischen Postzwanggesetzes von unsrem Standpunkt aus mitgetheilt. Mittler¬
weile ist die "Denkschrift über diejenigen Bestimmungen der königlich preußischen
Gesetze, betreffend das Postwesen und die Stempelsteuer von politischen
und Anzeigeblättern, welche den literarischen und buchhändlerischen Verkehr be¬
drohen, berathen und abgefaßt von dem dazu statutenmäßig erwählten Ausschüsse" er¬
schienen (Leipzig, Teubner). Sie ist für Jeden, der sich über die Lage der Sache unter¬
richten will, dringend zu empfehlen, und stellt es auf's Klarste heraus, daß mit der
wirklichen Ausführung jener Gesetze der ganze deutsche Buchhandel zu Grunde hätte
gehen müssen. Die hinzugefügte Denkschrift über die Natur des deutschen Buchhandels
(aus dem Jahr 18i8) ist so belehrend, daß wir im nächsten Heft einige Notizen dar¬
aus mittheilen werden. -- Diese und ähnliche Vorstellungen haben dann auch ihre
Wirkungen gethan. Die beiden Gesetze sind zwar publicirt, aber die Bestimmungen in
Beziehung auf ihre Ausführung sind von der Art, daß sie die schlimmsten Bedenken
- aufheben. Natürlich gereicht uns dieser materielle Erfolg zur größten Befriedigung,
aber wir können uns doch der Bemerkung nicht erwehren, daß diese Befriedigung eine
noch weit größere fein würde, wenn man eine correctcre Form beobachtet hätte. Die-
Art und Weise, wie das Gesetz in Ausführung gebracht werden soll, hat in ihrer Li¬
beralität etwas patriarchalisches, und verletzt dadurch unser Rechtsgefühl. so elastisch
dasselbe auch durch die neueste Geschichte hätte werden können. -- Wir wollen indeß
diesen kitzlichen Punkt nicht weiter berühren, müssen aber die Kammermitglieder aus das
Dringendste daran erinnern, daß es ihre Pflicht ist, über die Natur der Verhältnisse, die
sie gesetzlich feststellen sollen, sich vorher genauer zu untcrrrichtcn, und daß jeder einzelne
von ihnen dem Lande und seinem Gewissen die schwerste Verantwortung für jeden leicht¬
sinnig votirten Gesetzbeschluß schuldet. --

Unter die abscheulichsten Ereignisse der neuesten Zeit gehören die Thaten der dä¬
nischen Regierung in Schleswig-Holstein. Wenn man an die Zeit der Göttinger
Professoren zurückdenkt, so hätte man glauben sollen, daß hier, wovon keiner politischen
Demonstration die Rede war, sich wenigstens das Ehr- und das Mitgefühl des Volkes für
die Kieler Verbannten regen würde. Es sind aber, neben einzelnen erfreulichen Erscheinungen,
Züge des wunderbarsten Servilismus vorgekommen, selbst unter Gelehrten. Um so mehr
Ehre und Preis verdient der Fürst, der noch nicht vergessen hat, daß einmal in Schles¬
wig-Holstein die deutsche Ehre verpfändet war, der edle Herzog von Coburg-Gotha.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verautwortl. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Schäfte haben. Die Zahl der Scherer ist doch noch immer nicht übertrieben groß.
Indeß, wäre die Sache immer einen Versuch werth, und wohl geeignet der ganzen
Lage der Dinge eine neue, für uns nicht ungünstige Wendung zu geben. —

— Wir hatten vor einiger Zeit unser Bedenken über die Ausführbarkeit des
neuen preußischen Postzwanggesetzes von unsrem Standpunkt aus mitgetheilt. Mittler¬
weile ist die „Denkschrift über diejenigen Bestimmungen der königlich preußischen
Gesetze, betreffend das Postwesen und die Stempelsteuer von politischen
und Anzeigeblättern, welche den literarischen und buchhändlerischen Verkehr be¬
drohen, berathen und abgefaßt von dem dazu statutenmäßig erwählten Ausschüsse" er¬
schienen (Leipzig, Teubner). Sie ist für Jeden, der sich über die Lage der Sache unter¬
richten will, dringend zu empfehlen, und stellt es auf's Klarste heraus, daß mit der
wirklichen Ausführung jener Gesetze der ganze deutsche Buchhandel zu Grunde hätte
gehen müssen. Die hinzugefügte Denkschrift über die Natur des deutschen Buchhandels
(aus dem Jahr 18i8) ist so belehrend, daß wir im nächsten Heft einige Notizen dar¬
aus mittheilen werden. — Diese und ähnliche Vorstellungen haben dann auch ihre
Wirkungen gethan. Die beiden Gesetze sind zwar publicirt, aber die Bestimmungen in
Beziehung auf ihre Ausführung sind von der Art, daß sie die schlimmsten Bedenken
- aufheben. Natürlich gereicht uns dieser materielle Erfolg zur größten Befriedigung,
aber wir können uns doch der Bemerkung nicht erwehren, daß diese Befriedigung eine
noch weit größere fein würde, wenn man eine correctcre Form beobachtet hätte. Die-
Art und Weise, wie das Gesetz in Ausführung gebracht werden soll, hat in ihrer Li¬
beralität etwas patriarchalisches, und verletzt dadurch unser Rechtsgefühl. so elastisch
dasselbe auch durch die neueste Geschichte hätte werden können. — Wir wollen indeß
diesen kitzlichen Punkt nicht weiter berühren, müssen aber die Kammermitglieder aus das
Dringendste daran erinnern, daß es ihre Pflicht ist, über die Natur der Verhältnisse, die
sie gesetzlich feststellen sollen, sich vorher genauer zu untcrrrichtcn, und daß jeder einzelne
von ihnen dem Lande und seinem Gewissen die schwerste Verantwortung für jeden leicht¬
sinnig votirten Gesetzbeschluß schuldet. —

Unter die abscheulichsten Ereignisse der neuesten Zeit gehören die Thaten der dä¬
nischen Regierung in Schleswig-Holstein. Wenn man an die Zeit der Göttinger
Professoren zurückdenkt, so hätte man glauben sollen, daß hier, wovon keiner politischen
Demonstration die Rede war, sich wenigstens das Ehr- und das Mitgefühl des Volkes für
die Kieler Verbannten regen würde. Es sind aber, neben einzelnen erfreulichen Erscheinungen,
Züge des wunderbarsten Servilismus vorgekommen, selbst unter Gelehrten. Um so mehr
Ehre und Preis verdient der Fürst, der noch nicht vergessen hat, daß einmal in Schles¬
wig-Holstein die deutsche Ehre verpfändet war, der edle Herzog von Coburg-Gotha.




Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verautwortl. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/132>, abgerufen am 22.12.2024.