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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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schen Staat und der Stadt Berlin schwebt seit vielen Jahrhunderten ein Proceß
um einen Theil der Hinterlassenschaften des alten Templerordens, die den Werth
von einigen Millionen betragen. Ein junger Referendarius, Dankmar Wildlin¬
gen, findet nun beim Durchstöbern der,Acten, daß keine von beiden Parteien,
daß vielmehr er selbst zu dieser Erbschaft berechtigt sei. Er nimmt also den
Proceß auf, und zwar mit der Absicht, dieses Vermögen nicht zu Parteizwecken,
sondern zur Gründung eines Ordens zu verwenden, der die alten Ideen der
Templer und der Freimaurer in zeitgemäßen Formen durchführen soll. Er verliert
den Proceß in den beiden ersten Instanzen und gewinnt ihn in der dritten. Vorher
hat er seinen Orden der "Ritter vom Geist" gestiftet, der sich gegen das Ende
hin schon so weit ausgebreitet hat, daß die Verfolgungen der reactionairen Ne¬
gierung an ihm seinen Mittelpunkt finden.

Gutzkow hat nun durch alle möglichen äußerlichen Mittel die Aufmerksamkeit
der Leser, die sonst durch die vielfachen Episoden abgezogen würde, auf diesen
Proceß hingeleitet. Das mystische Symbol des neuen Ordens ist ein vier¬
blätteriges Kleeblatt; dieses war zugleich das Symbol desjenigen Theils
vom Templerorden, von dem die Erbschaft herrührt. Es ist auf ihren Kirchen,
auf deu Häusern, die von ihnen herstammen, und die zugleich den meisten Figuren
des Romans zum Wohnplatz oder doch zum Rendezvous dienen, und noch an
allen möglichen anderen Orten angebracht. Gleich bei Eröffnung des Romans
erregt es die Aufmerksamkeit eines Malers, und wird dann fortwährend wieder
ins Gedächtniß gerufen. Zulegt legitimiren sich alle Personen, die uns einiger¬
maßen interesstren, durch vierblätterige Handbewegungen als Ritter vom Geist;
und um den Faden recht deutlich festzuhalten, ist es ein bestimmter Schrein, mit
diesem Symbol bezeichnet, um den sich die gesammte Intrigue dreht. -- Abgesehen
von diesem sinnlichen Mittel, wird fortwährend das Gespräch, von welchem Punkt
es auch ausgehen möge, auf geheime Verbindungen übergeleitet, auf Templer,
Johanniter, Freimaurer, Jesuiten ze., und diese zu dem Bund der Zukunft in
eine ahnungsvolle Beziehung gebracht.

Dieses Verfahren ist an sich durchaus verständig, aber zugleich zeigt sich in
der Art und Weise, wie die Intrigue durchgeführt wird, die Unfähigkeit Gutz-
kow's, einen Plan, der über Anspielungen und Ahnungen hinausgeht, energisch
festzuhalten. Um dies nachzuweisen, müssen wir dem symbolischen Schrein
noch einige Aufmerksamkeit schenken.

Dankmar findet ihn mit den Documenten sür seine Erbschastsberechtigung in
einem geheimen Fach der Pfarrwohnung, die seiner Mutter noch zur Benutzung
überlassen ist. Er entführt ihn, indem er das Zweifelhafte seiner Berechtigung,
sich seiner zu bemächtigen, bei Seite setzt, und übergiebt ihn einem Fuhrmann,
um ihn nach einem andern Ort zu schaffe". Unterwegs geht er verloren. Dank¬
mar 'macht sich also schnell ans, seine Spur zu verfolgen. Es wird ihm mit-


schen Staat und der Stadt Berlin schwebt seit vielen Jahrhunderten ein Proceß
um einen Theil der Hinterlassenschaften des alten Templerordens, die den Werth
von einigen Millionen betragen. Ein junger Referendarius, Dankmar Wildlin¬
gen, findet nun beim Durchstöbern der,Acten, daß keine von beiden Parteien,
daß vielmehr er selbst zu dieser Erbschaft berechtigt sei. Er nimmt also den
Proceß auf, und zwar mit der Absicht, dieses Vermögen nicht zu Parteizwecken,
sondern zur Gründung eines Ordens zu verwenden, der die alten Ideen der
Templer und der Freimaurer in zeitgemäßen Formen durchführen soll. Er verliert
den Proceß in den beiden ersten Instanzen und gewinnt ihn in der dritten. Vorher
hat er seinen Orden der „Ritter vom Geist" gestiftet, der sich gegen das Ende
hin schon so weit ausgebreitet hat, daß die Verfolgungen der reactionairen Ne¬
gierung an ihm seinen Mittelpunkt finden.

Gutzkow hat nun durch alle möglichen äußerlichen Mittel die Aufmerksamkeit
der Leser, die sonst durch die vielfachen Episoden abgezogen würde, auf diesen
Proceß hingeleitet. Das mystische Symbol des neuen Ordens ist ein vier¬
blätteriges Kleeblatt; dieses war zugleich das Symbol desjenigen Theils
vom Templerorden, von dem die Erbschaft herrührt. Es ist auf ihren Kirchen,
auf deu Häusern, die von ihnen herstammen, und die zugleich den meisten Figuren
des Romans zum Wohnplatz oder doch zum Rendezvous dienen, und noch an
allen möglichen anderen Orten angebracht. Gleich bei Eröffnung des Romans
erregt es die Aufmerksamkeit eines Malers, und wird dann fortwährend wieder
ins Gedächtniß gerufen. Zulegt legitimiren sich alle Personen, die uns einiger¬
maßen interesstren, durch vierblätterige Handbewegungen als Ritter vom Geist;
und um den Faden recht deutlich festzuhalten, ist es ein bestimmter Schrein, mit
diesem Symbol bezeichnet, um den sich die gesammte Intrigue dreht. — Abgesehen
von diesem sinnlichen Mittel, wird fortwährend das Gespräch, von welchem Punkt
es auch ausgehen möge, auf geheime Verbindungen übergeleitet, auf Templer,
Johanniter, Freimaurer, Jesuiten ze., und diese zu dem Bund der Zukunft in
eine ahnungsvolle Beziehung gebracht.

Dieses Verfahren ist an sich durchaus verständig, aber zugleich zeigt sich in
der Art und Weise, wie die Intrigue durchgeführt wird, die Unfähigkeit Gutz-
kow's, einen Plan, der über Anspielungen und Ahnungen hinausgeht, energisch
festzuhalten. Um dies nachzuweisen, müssen wir dem symbolischen Schrein
noch einige Aufmerksamkeit schenken.

Dankmar findet ihn mit den Documenten sür seine Erbschastsberechtigung in
einem geheimen Fach der Pfarrwohnung, die seiner Mutter noch zur Benutzung
überlassen ist. Er entführt ihn, indem er das Zweifelhafte seiner Berechtigung,
sich seiner zu bemächtigen, bei Seite setzt, und übergiebt ihn einem Fuhrmann,
um ihn nach einem andern Ort zu schaffe». Unterwegs geht er verloren. Dank¬
mar 'macht sich also schnell ans, seine Spur zu verfolgen. Es wird ihm mit-


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[0060] schen Staat und der Stadt Berlin schwebt seit vielen Jahrhunderten ein Proceß um einen Theil der Hinterlassenschaften des alten Templerordens, die den Werth von einigen Millionen betragen. Ein junger Referendarius, Dankmar Wildlin¬ gen, findet nun beim Durchstöbern der,Acten, daß keine von beiden Parteien, daß vielmehr er selbst zu dieser Erbschaft berechtigt sei. Er nimmt also den Proceß auf, und zwar mit der Absicht, dieses Vermögen nicht zu Parteizwecken, sondern zur Gründung eines Ordens zu verwenden, der die alten Ideen der Templer und der Freimaurer in zeitgemäßen Formen durchführen soll. Er verliert den Proceß in den beiden ersten Instanzen und gewinnt ihn in der dritten. Vorher hat er seinen Orden der „Ritter vom Geist" gestiftet, der sich gegen das Ende hin schon so weit ausgebreitet hat, daß die Verfolgungen der reactionairen Ne¬ gierung an ihm seinen Mittelpunkt finden. Gutzkow hat nun durch alle möglichen äußerlichen Mittel die Aufmerksamkeit der Leser, die sonst durch die vielfachen Episoden abgezogen würde, auf diesen Proceß hingeleitet. Das mystische Symbol des neuen Ordens ist ein vier¬ blätteriges Kleeblatt; dieses war zugleich das Symbol desjenigen Theils vom Templerorden, von dem die Erbschaft herrührt. Es ist auf ihren Kirchen, auf deu Häusern, die von ihnen herstammen, und die zugleich den meisten Figuren des Romans zum Wohnplatz oder doch zum Rendezvous dienen, und noch an allen möglichen anderen Orten angebracht. Gleich bei Eröffnung des Romans erregt es die Aufmerksamkeit eines Malers, und wird dann fortwährend wieder ins Gedächtniß gerufen. Zulegt legitimiren sich alle Personen, die uns einiger¬ maßen interesstren, durch vierblätterige Handbewegungen als Ritter vom Geist; und um den Faden recht deutlich festzuhalten, ist es ein bestimmter Schrein, mit diesem Symbol bezeichnet, um den sich die gesammte Intrigue dreht. — Abgesehen von diesem sinnlichen Mittel, wird fortwährend das Gespräch, von welchem Punkt es auch ausgehen möge, auf geheime Verbindungen übergeleitet, auf Templer, Johanniter, Freimaurer, Jesuiten ze., und diese zu dem Bund der Zukunft in eine ahnungsvolle Beziehung gebracht. Dieses Verfahren ist an sich durchaus verständig, aber zugleich zeigt sich in der Art und Weise, wie die Intrigue durchgeführt wird, die Unfähigkeit Gutz- kow's, einen Plan, der über Anspielungen und Ahnungen hinausgeht, energisch festzuhalten. Um dies nachzuweisen, müssen wir dem symbolischen Schrein noch einige Aufmerksamkeit schenken. Dankmar findet ihn mit den Documenten sür seine Erbschastsberechtigung in einem geheimen Fach der Pfarrwohnung, die seiner Mutter noch zur Benutzung überlassen ist. Er entführt ihn, indem er das Zweifelhafte seiner Berechtigung, sich seiner zu bemächtigen, bei Seite setzt, und übergiebt ihn einem Fuhrmann, um ihn nach einem andern Ort zu schaffe». Unterwegs geht er verloren. Dank¬ mar 'macht sich also schnell ans, seine Spur zu verfolgen. Es wird ihm mit-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/60>, abgerufen am 24.07.2024.