Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Vereine so viele belehrende und heitere, in jeder Beziehung' reiche Stunden, daß Der Kunstverein ist von dem großherzoglichen Hofmaler und Restaurator Da es keine öffentlichen Vergnügungsorte giebt, wo die verschiedenen Stände Nirgends habe ich Maurer, Pflasterer, Taglöhner bei Bauwerken und öffent¬ Vereine so viele belehrende und heitere, in jeder Beziehung' reiche Stunden, daß Der Kunstverein ist von dem großherzoglichen Hofmaler und Restaurator Da es keine öffentlichen Vergnügungsorte giebt, wo die verschiedenen Stände Nirgends habe ich Maurer, Pflasterer, Taglöhner bei Bauwerken und öffent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94411"/> <p xml:id="ID_1531" prev="#ID_1530"> Vereine so viele belehrende und heitere, in jeder Beziehung' reiche Stunden, daß<lb/> ich nicht umhin kann, ihm hier meinen herzlichen Gruß zuzurufen und Wünsche<lb/> für sein ferneres Gedeihen auszusprech'en.</p><lb/> <p xml:id="ID_1532"> Der Kunstverein ist von dem großherzoglichen Hofmaler und Restaurator<lb/> Ierndorss aus Kopenhagen gegründet. Er versuchte es, den strebsamern Theil<lb/> des Publicums, das bis dahin der bildenden Kunst ziemlich fremd geblieben war,<lb/> ans historische Wege in dieses Gebiet einzuführen. Zu diesem Zwecke ließ er in<lb/> monatlichen Ausstellungen die Malerei von ihren Anfängen im dreizehnten Jahr¬<lb/> hunderte bis auf die neueste Zeit dnrch Kupferstiche aus der reichen großherzog¬<lb/> lichen Sammlung, und durch Gemälde aus der großherzoglichen Galerie, denen<lb/> in fliegenden Blättern ein Capitel Kunstgeschichte als erläuternder Text beigegeben<lb/> war, vor den Augen des Beschauers sich entwickeln. Aehnlich verfuhr ein talent¬<lb/> voller Architekt, den er heranzog, mit der Sculptur und der Baukunst, nur daß<lb/> hier mit den Leistungen der Alten begonnen wurde, so daß jetzt manche olden¬<lb/> burger Dame im Stande ist/ ein kleines Examen über die äginetischen Statuen,<lb/> über Ciinabue und Giotto zu bestehen. Diesen Ausstellungen waren moderne<lb/> Bilder aus dem Schlosse und den Privathäusern, und was gelegentlich durch Ver¬<lb/> mittelung des Bremer Kunstvereins zu erhalten war, beigefügt; auch fehlte uicht<lb/> die gewöhnliche Lockspeise jährlicher Verlosungen von angekauften Bildern. Leider<lb/> hat der frühe Tod des genannten Malers den Knnstausstellungen jenen kunstge-<lb/> schichtlichen Charakter entzogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1533"> Da es keine öffentlichen Vergnügungsorte giebt, wo die verschiedenen Stände<lb/> sich mischen, die einzelnen Schichten der Gesellschaft sich vielmehr streng in ihren<lb/> Clublocalen scheiden: so sind das Theater und der Kunstverein auch in der Hin¬<lb/> sicht von Werth, daß in ihnen eine Vereinigung Aller im Interesse der Bildung<lb/> gegeben ist. Dies thut Oldenburg um so mehr Noth, als die niederen Stände<lb/> in' ihrer Entwickelung verhältnißmäßig zurückstehn. Namentlich zeigen sich die<lb/> Handwerker in ihrem Berufskreise wenig fortgeschritten, und produciren plumpe<lb/> Waare. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Charakter des Oldenburgers vermißt<lb/> man bei vielen Meistern Solidität; sie verbringen bei geringer Einnahme die<lb/> Nachmittage im Schützenclub, indeß ihre Weiber mit weißen Atlashüten und<lb/> Federn stolziren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1534" next="#ID_1535"> Nirgends habe ich Maurer, Pflasterer, Taglöhner bei Bauwerken und öffent¬<lb/> lichen Arbeiten, träger und ungeschickter gesehen. Nirgends in Deutschland sind, wie<lb/> ich glaube, die Leistungen der Dienstboten geringer, die Ansprüche, die sie an die<lb/> Herrschaft machen, größer. Treibt man sie, so werden sie störrisch, treibt man sie<lb/> nicht, so geht alles den Schneckengang. Der Fremde, der eine unendlich bessere' Be¬<lb/> dienung von Hause her gewöhnt ist, bricht endlich in harte Worte aus: da tritt<lb/> das Dienstmädchen ans ihn zu, wirft ihm die Kleiderbürste vor die Füße und<lb/> ruft: Kommandeert jo'n Hund un blafft sülvst (Kommandirt Euch einen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
Vereine so viele belehrende und heitere, in jeder Beziehung' reiche Stunden, daß
ich nicht umhin kann, ihm hier meinen herzlichen Gruß zuzurufen und Wünsche
für sein ferneres Gedeihen auszusprech'en.
Der Kunstverein ist von dem großherzoglichen Hofmaler und Restaurator
Ierndorss aus Kopenhagen gegründet. Er versuchte es, den strebsamern Theil
des Publicums, das bis dahin der bildenden Kunst ziemlich fremd geblieben war,
ans historische Wege in dieses Gebiet einzuführen. Zu diesem Zwecke ließ er in
monatlichen Ausstellungen die Malerei von ihren Anfängen im dreizehnten Jahr¬
hunderte bis auf die neueste Zeit dnrch Kupferstiche aus der reichen großherzog¬
lichen Sammlung, und durch Gemälde aus der großherzoglichen Galerie, denen
in fliegenden Blättern ein Capitel Kunstgeschichte als erläuternder Text beigegeben
war, vor den Augen des Beschauers sich entwickeln. Aehnlich verfuhr ein talent¬
voller Architekt, den er heranzog, mit der Sculptur und der Baukunst, nur daß
hier mit den Leistungen der Alten begonnen wurde, so daß jetzt manche olden¬
burger Dame im Stande ist/ ein kleines Examen über die äginetischen Statuen,
über Ciinabue und Giotto zu bestehen. Diesen Ausstellungen waren moderne
Bilder aus dem Schlosse und den Privathäusern, und was gelegentlich durch Ver¬
mittelung des Bremer Kunstvereins zu erhalten war, beigefügt; auch fehlte uicht
die gewöhnliche Lockspeise jährlicher Verlosungen von angekauften Bildern. Leider
hat der frühe Tod des genannten Malers den Knnstausstellungen jenen kunstge-
schichtlichen Charakter entzogen.
Da es keine öffentlichen Vergnügungsorte giebt, wo die verschiedenen Stände
sich mischen, die einzelnen Schichten der Gesellschaft sich vielmehr streng in ihren
Clublocalen scheiden: so sind das Theater und der Kunstverein auch in der Hin¬
sicht von Werth, daß in ihnen eine Vereinigung Aller im Interesse der Bildung
gegeben ist. Dies thut Oldenburg um so mehr Noth, als die niederen Stände
in' ihrer Entwickelung verhältnißmäßig zurückstehn. Namentlich zeigen sich die
Handwerker in ihrem Berufskreise wenig fortgeschritten, und produciren plumpe
Waare. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Charakter des Oldenburgers vermißt
man bei vielen Meistern Solidität; sie verbringen bei geringer Einnahme die
Nachmittage im Schützenclub, indeß ihre Weiber mit weißen Atlashüten und
Federn stolziren.
Nirgends habe ich Maurer, Pflasterer, Taglöhner bei Bauwerken und öffent¬
lichen Arbeiten, träger und ungeschickter gesehen. Nirgends in Deutschland sind, wie
ich glaube, die Leistungen der Dienstboten geringer, die Ansprüche, die sie an die
Herrschaft machen, größer. Treibt man sie, so werden sie störrisch, treibt man sie
nicht, so geht alles den Schneckengang. Der Fremde, der eine unendlich bessere' Be¬
dienung von Hause her gewöhnt ist, bricht endlich in harte Worte aus: da tritt
das Dienstmädchen ans ihn zu, wirft ihm die Kleiderbürste vor die Füße und
ruft: Kommandeert jo'n Hund un blafft sülvst (Kommandirt Euch einen
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