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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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land herrschende Gebrauch, Osterfeuer zu zünden, stammt aus den ältesten
Zeiten. Man nimmt dazu gewöhnlich alte Theertonnen, die mit dürrem Reisig
umsaust werden. Schöne Osterfeuer sind eine Ehrensache der Knaben in Stadt
und Dorf; Wochen, ja Monden lang vor dem Feste wird Holz gesammelt; arme
Jungen ziehen, von einem Kameraden, der in einem Sack steckt, angeführt, von
Haus zu Haus, um mit einem Reimsprnch Geld zu Anschaffung der Tonne zu
sammeln. Bricht dann die Nacht des ersten Festtages an, so lodern nah und fern
die Feuer der Ostara-Göttin, von dunkeln Gestalten umgeben, die wol uach
altem Branche das Feuer umtanzen, oder, wenn es niedergesunken, überspringen.
Ein Ostertag ohne Osterfeuer wäre für den Oldenburger gar kein Fest.

Eine weitere Spur des Heidenthums ist der Pferdekopf, deu man häusig
an deu Giebeln der Landwohnungen angebracht sieht; denn der Schimmel war
ein den Sachsen heiliges Thier. Auch heidnische Namen von Ortschaften haben
sich erhalten, wie Eversen (Heiligthum des Ebers, d. i. der Freia), Donnerswe
(Heiligthum des Donar).

Die wichtigsten Zeugen aus der Heidenzeit im oldenburger Laude sind die
großen Steinringe, die sich in der Haide an verschiedenen Orten finden. Sie
dienten wahrscheinlich als Grabstätten von Häuptlingen und Dingstätten zu gleicher
Zeit, während wieder an anderen Stellen Hunderte von Grabhügeln gruppen¬
weise zusammen liegen. Diese Denkmale sind ergiebige Fundorte von Urnen mit
verbranntem Gebein, von Waffen und Gerätschaften mancherlei Art, und ver¬
dienten die Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher in weit höherem Grade, als
ihnen bis jetzt zu Theil geworden ist. Eine alte Frau ans dem benachbarten Herzog-
thume Bremen salbt -- in welcher Absicht, wußte mein Berichterstatter nicht
anzugeben -- zu gewissen Zeiten die Hünensteine vor ihrem Wohnorte mit Oel.

Ueberhaupt finden wir im alten Sachsenlande, und besonders im Olden-
burgischen, wenn ich so sagen darf, eine heidnische Ader, die der christlichen Or¬
thodoxie und der' katholischen Romantik zuwiderläuft, wenn auch in letzter Zeit
dort, wie allerwärts in Deutschland, in Folge des politischen Rückschlags, die
religiösen Interessen, zum Theil durch künstliche Mittel, etwas mehr in Vorder¬
grund getreten sind. Oldenburger, die im eigenen Lande den katholischen Cult
gar nicht oder doch ohne Gepränge und Pomp kennen gelernt haben, find entsetzt
über das "Heidenthum"' eines Hochamtes im Kölner Dom. Der nüchterne, klare
Sinn des Volks neigt entschieden zum Protestantismus rationalistischer Färbung,
und ich glaube schwerlich, daß dort eine andere Richtung dauernde Wurzel schlage"
wird. Vielleicht zeigte das oldenburger Volk mehr religiöse Wärme, wenn das
Christenthum ihm nicht in hochdeutscher Sprache, die seinem Gemüthe fremd ist,
vorgeführt würde; die Predigt des Geistlichen, die Lieder und Gebete im Ge¬
sangbuche sind in einer seinem Verständnisse ferner liegenden, gelehrten Sprache
abgefaßt.


land herrschende Gebrauch, Osterfeuer zu zünden, stammt aus den ältesten
Zeiten. Man nimmt dazu gewöhnlich alte Theertonnen, die mit dürrem Reisig
umsaust werden. Schöne Osterfeuer sind eine Ehrensache der Knaben in Stadt
und Dorf; Wochen, ja Monden lang vor dem Feste wird Holz gesammelt; arme
Jungen ziehen, von einem Kameraden, der in einem Sack steckt, angeführt, von
Haus zu Haus, um mit einem Reimsprnch Geld zu Anschaffung der Tonne zu
sammeln. Bricht dann die Nacht des ersten Festtages an, so lodern nah und fern
die Feuer der Ostara-Göttin, von dunkeln Gestalten umgeben, die wol uach
altem Branche das Feuer umtanzen, oder, wenn es niedergesunken, überspringen.
Ein Ostertag ohne Osterfeuer wäre für den Oldenburger gar kein Fest.

Eine weitere Spur des Heidenthums ist der Pferdekopf, deu man häusig
an deu Giebeln der Landwohnungen angebracht sieht; denn der Schimmel war
ein den Sachsen heiliges Thier. Auch heidnische Namen von Ortschaften haben
sich erhalten, wie Eversen (Heiligthum des Ebers, d. i. der Freia), Donnerswe
(Heiligthum des Donar).

Die wichtigsten Zeugen aus der Heidenzeit im oldenburger Laude sind die
großen Steinringe, die sich in der Haide an verschiedenen Orten finden. Sie
dienten wahrscheinlich als Grabstätten von Häuptlingen und Dingstätten zu gleicher
Zeit, während wieder an anderen Stellen Hunderte von Grabhügeln gruppen¬
weise zusammen liegen. Diese Denkmale sind ergiebige Fundorte von Urnen mit
verbranntem Gebein, von Waffen und Gerätschaften mancherlei Art, und ver¬
dienten die Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher in weit höherem Grade, als
ihnen bis jetzt zu Theil geworden ist. Eine alte Frau ans dem benachbarten Herzog-
thume Bremen salbt — in welcher Absicht, wußte mein Berichterstatter nicht
anzugeben — zu gewissen Zeiten die Hünensteine vor ihrem Wohnorte mit Oel.

Ueberhaupt finden wir im alten Sachsenlande, und besonders im Olden-
burgischen, wenn ich so sagen darf, eine heidnische Ader, die der christlichen Or¬
thodoxie und der' katholischen Romantik zuwiderläuft, wenn auch in letzter Zeit
dort, wie allerwärts in Deutschland, in Folge des politischen Rückschlags, die
religiösen Interessen, zum Theil durch künstliche Mittel, etwas mehr in Vorder¬
grund getreten sind. Oldenburger, die im eigenen Lande den katholischen Cult
gar nicht oder doch ohne Gepränge und Pomp kennen gelernt haben, find entsetzt
über das „Heidenthum"' eines Hochamtes im Kölner Dom. Der nüchterne, klare
Sinn des Volks neigt entschieden zum Protestantismus rationalistischer Färbung,
und ich glaube schwerlich, daß dort eine andere Richtung dauernde Wurzel schlage»
wird. Vielleicht zeigte das oldenburger Volk mehr religiöse Wärme, wenn das
Christenthum ihm nicht in hochdeutscher Sprache, die seinem Gemüthe fremd ist,
vorgeführt würde; die Predigt des Geistlichen, die Lieder und Gebete im Ge¬
sangbuche sind in einer seinem Verständnisse ferner liegenden, gelehrten Sprache
abgefaßt.


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[0503] land herrschende Gebrauch, Osterfeuer zu zünden, stammt aus den ältesten Zeiten. Man nimmt dazu gewöhnlich alte Theertonnen, die mit dürrem Reisig umsaust werden. Schöne Osterfeuer sind eine Ehrensache der Knaben in Stadt und Dorf; Wochen, ja Monden lang vor dem Feste wird Holz gesammelt; arme Jungen ziehen, von einem Kameraden, der in einem Sack steckt, angeführt, von Haus zu Haus, um mit einem Reimsprnch Geld zu Anschaffung der Tonne zu sammeln. Bricht dann die Nacht des ersten Festtages an, so lodern nah und fern die Feuer der Ostara-Göttin, von dunkeln Gestalten umgeben, die wol uach altem Branche das Feuer umtanzen, oder, wenn es niedergesunken, überspringen. Ein Ostertag ohne Osterfeuer wäre für den Oldenburger gar kein Fest. Eine weitere Spur des Heidenthums ist der Pferdekopf, deu man häusig an deu Giebeln der Landwohnungen angebracht sieht; denn der Schimmel war ein den Sachsen heiliges Thier. Auch heidnische Namen von Ortschaften haben sich erhalten, wie Eversen (Heiligthum des Ebers, d. i. der Freia), Donnerswe (Heiligthum des Donar). Die wichtigsten Zeugen aus der Heidenzeit im oldenburger Laude sind die großen Steinringe, die sich in der Haide an verschiedenen Orten finden. Sie dienten wahrscheinlich als Grabstätten von Häuptlingen und Dingstätten zu gleicher Zeit, während wieder an anderen Stellen Hunderte von Grabhügeln gruppen¬ weise zusammen liegen. Diese Denkmale sind ergiebige Fundorte von Urnen mit verbranntem Gebein, von Waffen und Gerätschaften mancherlei Art, und ver¬ dienten die Aufmerksamkeit der Alterthumsforscher in weit höherem Grade, als ihnen bis jetzt zu Theil geworden ist. Eine alte Frau ans dem benachbarten Herzog- thume Bremen salbt — in welcher Absicht, wußte mein Berichterstatter nicht anzugeben — zu gewissen Zeiten die Hünensteine vor ihrem Wohnorte mit Oel. Ueberhaupt finden wir im alten Sachsenlande, und besonders im Olden- burgischen, wenn ich so sagen darf, eine heidnische Ader, die der christlichen Or¬ thodoxie und der' katholischen Romantik zuwiderläuft, wenn auch in letzter Zeit dort, wie allerwärts in Deutschland, in Folge des politischen Rückschlags, die religiösen Interessen, zum Theil durch künstliche Mittel, etwas mehr in Vorder¬ grund getreten sind. Oldenburger, die im eigenen Lande den katholischen Cult gar nicht oder doch ohne Gepränge und Pomp kennen gelernt haben, find entsetzt über das „Heidenthum"' eines Hochamtes im Kölner Dom. Der nüchterne, klare Sinn des Volks neigt entschieden zum Protestantismus rationalistischer Färbung, und ich glaube schwerlich, daß dort eine andere Richtung dauernde Wurzel schlage» wird. Vielleicht zeigte das oldenburger Volk mehr religiöse Wärme, wenn das Christenthum ihm nicht in hochdeutscher Sprache, die seinem Gemüthe fremd ist, vorgeführt würde; die Predigt des Geistlichen, die Lieder und Gebete im Ge¬ sangbuche sind in einer seinem Verständnisse ferner liegenden, gelehrten Sprache abgefaßt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/503>, abgerufen am 24.07.2024.