Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.Hand ist schwer zum Gruße, seine Lippe schwer zur Anrede; er laßt den Fremden Der Oldenburger hat Nichts von der Ader des Franzosen, der arbeitet und Wie Segnr von den russischen Verwundeten auf den Schlachtfeldern erzählt, Daß in der Gegenwart von Brustkranker von dem hoffnungslosen Zustande, Hand ist schwer zum Gruße, seine Lippe schwer zur Anrede; er laßt den Fremden Der Oldenburger hat Nichts von der Ader des Franzosen, der arbeitet und Wie Segnr von den russischen Verwundeten auf den Schlachtfeldern erzählt, Daß in der Gegenwart von Brustkranker von dem hoffnungslosen Zustande, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94371"/> <p xml:id="ID_1385" prev="#ID_1384"> Hand ist schwer zum Gruße, seine Lippe schwer zur Anrede; er laßt den Fremden<lb/> mißtrauisch an sich herankommen..—Die wenigen Deputirten, welche sich auf dem ><lb/> Landtage durch Redcfertigkeit ausgezeichnet haben, siud etwa, mit einer Ausnahme,<lb/> keine echten Söhne des Herzogthums gewesen. Die tüchtigsten Männer dagegen,<lb/> Männer, die durch Verstand, Wissen, Unabhängigkeit der Gesinnung nud Charak¬<lb/> ter jeder deutschen Kammer zur Zierde gereichen würden, haben wenig Eloquenz;<lb/> ja einer derselben, vielleicht der bedeutendste von allen, murmelt nur in den Bart,<lb/> ohne eigentlich zu sprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1386"> Der Oldenburger hat Nichts von der Ader des Franzosen, der arbeitet und<lb/> zusammenspart, um im Alter von einer kleinen Rente müssig zu leben; Nichts vor-<lb/> der Ader des Amerikaners, der Unternehmung und Wagniß um ihrer selbst willen<lb/> liebt. Der Oldenburger ist nicht geizig, nicht habsüchtig, leider auch uicht irgend¬<lb/> wie speculativ. Sieht er Jemanden durch kühne Combination reich werden, so<lb/> staunt er ihn an, ohne sich versucht zu fühlen, ein Gleiches zu thun. Wem 't<lb/> Glück will, deu kalwt 'n Oß (Wem das Glück wohlwill, dem kalbt der<lb/> Ochse), sagt der Bauer. Hastiges Arbeiten ist ihm überhaupt widerwärtig. Ick<lb/> mag woll arbeiu, sagt er, abers min eegen sweet nich rucken (Ich.<lb/> mag wol arbeiten, aber meinen eigenen Schweiß nicht riechen), und der Knecht,<lb/> der von seinem Herrn gehetzt wird, giebt ihm trotzig zur Antwort: Ja! ick will<lb/> maken, dat 'k dervon kam, har Jan seggt: da hing he sick upp (Ja!<lb/> ich will machen, daß "ich davon komme, sagte Johann: da hing er sich auf).<lb/> Was der Oldenburger thut, das will er mit Behagen und guter Ueberlegung<lb/> thun; ist ja doch nach seinem Sprichwort „Besinnen das Beste am Menschen".</p><lb/> <p xml:id="ID_1387"> Wie Segnr von den russischen Verwundeten auf den Schlachtfeldern erzählt,<lb/> sie hätten sich weit weniger beklagt, als die feiner organisirten nervösen Franzosen:<lb/> so wird man anch bei dem Oldenburger finden, daß er schmerzhafte Verletzungen<lb/> ohne Jammer erträgt. „Ist es ab?" sagte ein Mann, der auf dem Eise gefallen<lb/> war, in Bezug auf sein Bein zu dem untersuchenden Arzte mit einer Ruhe, als<lb/> ob es sich um das Bein des Großtürken handle, und wandte, sich, -auf dessen Be¬<lb/> jahung, zu seiner Frau mit den Worten: „Es ist doch gut, daß es Winter ist,<lb/> wo doch uicht viel zu thun ist." Einen andern Bauer, zu dem der Arzt gerufen<lb/> wurde, weil die Frau vom Boden gestürzt war, fand dieser, in das Haus tretend,<lb/> im Kreise seiner Kinder um das Feuer sitzen. „Er kommt zu spät, sagte ihm<lb/> der Bauer ruhig; sie ist schon todt." Todt! ruft der Arzt bestürzt, der die brave<lb/> Frau, die Mutter zahlreicher Kinder, gekannt und geschätzt hatte. „Ja, so ist es,<lb/> erwiderte der Wittwer. Was ist da zu thun? Der liebe Gott hat sie wol lieber<lb/> gehabt, als ich."</p><lb/> <p xml:id="ID_1388" next="#ID_1389"> Daß in der Gegenwart von Brustkranker von dem hoffnungslosen Zustande,<lb/> in dem sie sich befinden, unter der Familie die Rede ist, kommt auf dem Lande<lb/> oft genug vor. „Verschreiben Sie dem Vater Etwas zur Linderung, sagte der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
Hand ist schwer zum Gruße, seine Lippe schwer zur Anrede; er laßt den Fremden
mißtrauisch an sich herankommen..—Die wenigen Deputirten, welche sich auf dem >
Landtage durch Redcfertigkeit ausgezeichnet haben, siud etwa, mit einer Ausnahme,
keine echten Söhne des Herzogthums gewesen. Die tüchtigsten Männer dagegen,
Männer, die durch Verstand, Wissen, Unabhängigkeit der Gesinnung nud Charak¬
ter jeder deutschen Kammer zur Zierde gereichen würden, haben wenig Eloquenz;
ja einer derselben, vielleicht der bedeutendste von allen, murmelt nur in den Bart,
ohne eigentlich zu sprechen.
Der Oldenburger hat Nichts von der Ader des Franzosen, der arbeitet und
zusammenspart, um im Alter von einer kleinen Rente müssig zu leben; Nichts vor-
der Ader des Amerikaners, der Unternehmung und Wagniß um ihrer selbst willen
liebt. Der Oldenburger ist nicht geizig, nicht habsüchtig, leider auch uicht irgend¬
wie speculativ. Sieht er Jemanden durch kühne Combination reich werden, so
staunt er ihn an, ohne sich versucht zu fühlen, ein Gleiches zu thun. Wem 't
Glück will, deu kalwt 'n Oß (Wem das Glück wohlwill, dem kalbt der
Ochse), sagt der Bauer. Hastiges Arbeiten ist ihm überhaupt widerwärtig. Ick
mag woll arbeiu, sagt er, abers min eegen sweet nich rucken (Ich.
mag wol arbeiten, aber meinen eigenen Schweiß nicht riechen), und der Knecht,
der von seinem Herrn gehetzt wird, giebt ihm trotzig zur Antwort: Ja! ick will
maken, dat 'k dervon kam, har Jan seggt: da hing he sick upp (Ja!
ich will machen, daß "ich davon komme, sagte Johann: da hing er sich auf).
Was der Oldenburger thut, das will er mit Behagen und guter Ueberlegung
thun; ist ja doch nach seinem Sprichwort „Besinnen das Beste am Menschen".
Wie Segnr von den russischen Verwundeten auf den Schlachtfeldern erzählt,
sie hätten sich weit weniger beklagt, als die feiner organisirten nervösen Franzosen:
so wird man anch bei dem Oldenburger finden, daß er schmerzhafte Verletzungen
ohne Jammer erträgt. „Ist es ab?" sagte ein Mann, der auf dem Eise gefallen
war, in Bezug auf sein Bein zu dem untersuchenden Arzte mit einer Ruhe, als
ob es sich um das Bein des Großtürken handle, und wandte, sich, -auf dessen Be¬
jahung, zu seiner Frau mit den Worten: „Es ist doch gut, daß es Winter ist,
wo doch uicht viel zu thun ist." Einen andern Bauer, zu dem der Arzt gerufen
wurde, weil die Frau vom Boden gestürzt war, fand dieser, in das Haus tretend,
im Kreise seiner Kinder um das Feuer sitzen. „Er kommt zu spät, sagte ihm
der Bauer ruhig; sie ist schon todt." Todt! ruft der Arzt bestürzt, der die brave
Frau, die Mutter zahlreicher Kinder, gekannt und geschätzt hatte. „Ja, so ist es,
erwiderte der Wittwer. Was ist da zu thun? Der liebe Gott hat sie wol lieber
gehabt, als ich."
Daß in der Gegenwart von Brustkranker von dem hoffnungslosen Zustande,
in dem sie sich befinden, unter der Familie die Rede ist, kommt auf dem Lande
oft genug vor. „Verschreiben Sie dem Vater Etwas zur Linderung, sagte der
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