Propfrciser anderer Völkerstämme aufgenommen hätten, leichteren Körpers und regeren Geistes' geworden wären. Oder sollte die feuchte, schwere Luft diese Mängel allein verschulden? Diese Schwerfälligkeit in Haltung, Gang, Sprache, im Denken und Handeln thut wirklich deu viele" guten Eigenschaften dieses Volks¬ stammes, den körperlichen wie den geistigen, Eintrag. Hoch ausgeschossen, wie ihre Marschthiere, zeigen sie nicht die Kraft und die Ausdauer, die solcher Größe entspricht, während der Holsteiner oder Mecklenburger, bei gleicher Körperfülle,' weit mehr Kern besitzt. Schwerfälligkeit ist ein Mangel der Deutschen über¬ haupt, den Slaven und Romanen gegenüber; der Oldenburger, als germanisches Vollblut, ist aber der Deutscheste unter den Deutschen. Dieses bleierne Wesen geht dnrch alle Stände und ist so sichtbar, daß mau auf deu Wcserdampfschiffen den Oldenburger, noch ehe er, den Mund ausgethan, von dem Bremer oder Hannoveraner augenblicklich unterscheidet.
Charakteristisch für den Oldenburger ist seine Fettigkeit und der Werth, den er auf Fettigkeit legt, wenn auch die Begriffe "tugendhaft" und "fett" nicht zusammenfalle", wie^ dies Goldschmidt aus deu Worten eines Fischhändlers schließen will, der ihm'fette Aale als "tugendhaft" angepriesen hatte. Aber ein schöner Mann und ein dicker Manu, ein schönes Kind und ein dickes Kind sind, wenigstens auf dem Lande, kein Haar breit aus einander. Ich weiß nicht, ob es in der Absicht, dicke Kinder zu erzielen, oder aus einem andern Grunde ge¬ schieht, daß die Bauerfrauen allgemein zwei volle Jahre stillen. Dar Kind is 'n Jahr von Till (Das Kind ist ein Jahr von der Brust) bedeutet daher nichts Anderes als: es ist dreijährig. Diese Sitte erinnert an den Riesen im Märchen, der so groß geworden, weil er zehn Jahre lang an der Mutterbrust gelegen.
Kommen die Weiber mit ihren Kindern zusammen, z. B. bei Schutzblatter¬ impfungen, so strahlt die Mutter, die. das dickste Kind hat, und wenn es auch ein Kaliban wäre, als ob sie einen Amor aus dem Schooße hielte. Die Mütter mit mageren Kindern aber sitzen stumm in der Ecke und wagen kaum den Blick zu erheben. Diese Fettkinderfucht, wenn ich so sagen darf, geht durch alle Stände.
In Bezug aus meine eigenen Kinder hörte ich die Kindermädchen und auch die Damen, die zu uns kamen, wiederholt äußern, daß sie sich besserten. "Mein Gott," dachte ich bei mir, "sind denn meine Kinder so jämmerlich, daß Alles immer von ihrer Besserung spricht?" denn daß dieses Wort in sinnlicher Bedeutung zu nehmen sei, unterlag keinem Zweifel. Allmählich lernte ich jedoch zu meiner großen Beruhigung, daß "ein Kind bessert sich" so viel heißt als: "es wird dicker," (gerade wie mit den tugendhaften Aalen des Fischhändlers;) daß also dem Vater damit eine große Freundlichkeit gesagt wurde. Uebrigens wird sich hadern natürlich anch im moralischen Sinne gebraucht, wie denn ein olden¬ burgisches Sprichwort den Ausdruck in doppelter Bedeutung neben einander stellt,
Propfrciser anderer Völkerstämme aufgenommen hätten, leichteren Körpers und regeren Geistes' geworden wären. Oder sollte die feuchte, schwere Luft diese Mängel allein verschulden? Diese Schwerfälligkeit in Haltung, Gang, Sprache, im Denken und Handeln thut wirklich deu viele» guten Eigenschaften dieses Volks¬ stammes, den körperlichen wie den geistigen, Eintrag. Hoch ausgeschossen, wie ihre Marschthiere, zeigen sie nicht die Kraft und die Ausdauer, die solcher Größe entspricht, während der Holsteiner oder Mecklenburger, bei gleicher Körperfülle,' weit mehr Kern besitzt. Schwerfälligkeit ist ein Mangel der Deutschen über¬ haupt, den Slaven und Romanen gegenüber; der Oldenburger, als germanisches Vollblut, ist aber der Deutscheste unter den Deutschen. Dieses bleierne Wesen geht dnrch alle Stände und ist so sichtbar, daß mau auf deu Wcserdampfschiffen den Oldenburger, noch ehe er, den Mund ausgethan, von dem Bremer oder Hannoveraner augenblicklich unterscheidet.
Charakteristisch für den Oldenburger ist seine Fettigkeit und der Werth, den er auf Fettigkeit legt, wenn auch die Begriffe „tugendhaft" und „fett" nicht zusammenfalle», wie^ dies Goldschmidt aus deu Worten eines Fischhändlers schließen will, der ihm'fette Aale als „tugendhaft" angepriesen hatte. Aber ein schöner Mann und ein dicker Manu, ein schönes Kind und ein dickes Kind sind, wenigstens auf dem Lande, kein Haar breit aus einander. Ich weiß nicht, ob es in der Absicht, dicke Kinder zu erzielen, oder aus einem andern Grunde ge¬ schieht, daß die Bauerfrauen allgemein zwei volle Jahre stillen. Dar Kind is 'n Jahr von Till (Das Kind ist ein Jahr von der Brust) bedeutet daher nichts Anderes als: es ist dreijährig. Diese Sitte erinnert an den Riesen im Märchen, der so groß geworden, weil er zehn Jahre lang an der Mutterbrust gelegen.
Kommen die Weiber mit ihren Kindern zusammen, z. B. bei Schutzblatter¬ impfungen, so strahlt die Mutter, die. das dickste Kind hat, und wenn es auch ein Kaliban wäre, als ob sie einen Amor aus dem Schooße hielte. Die Mütter mit mageren Kindern aber sitzen stumm in der Ecke und wagen kaum den Blick zu erheben. Diese Fettkinderfucht, wenn ich so sagen darf, geht durch alle Stände.
In Bezug aus meine eigenen Kinder hörte ich die Kindermädchen und auch die Damen, die zu uns kamen, wiederholt äußern, daß sie sich besserten. „Mein Gott," dachte ich bei mir, „sind denn meine Kinder so jämmerlich, daß Alles immer von ihrer Besserung spricht?" denn daß dieses Wort in sinnlicher Bedeutung zu nehmen sei, unterlag keinem Zweifel. Allmählich lernte ich jedoch zu meiner großen Beruhigung, daß „ein Kind bessert sich" so viel heißt als: „es wird dicker," (gerade wie mit den tugendhaften Aalen des Fischhändlers;) daß also dem Vater damit eine große Freundlichkeit gesagt wurde. Uebrigens wird sich hadern natürlich anch im moralischen Sinne gebraucht, wie denn ein olden¬ burgisches Sprichwort den Ausdruck in doppelter Bedeutung neben einander stellt,
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Propfrciser anderer Völkerstämme aufgenommen hätten, leichteren Körpers und
regeren Geistes' geworden wären. Oder sollte die feuchte, schwere Luft diese
Mängel allein verschulden? Diese Schwerfälligkeit in Haltung, Gang, Sprache,
im Denken und Handeln thut wirklich deu viele» guten Eigenschaften dieses Volks¬
stammes, den körperlichen wie den geistigen, Eintrag. Hoch ausgeschossen, wie
ihre Marschthiere, zeigen sie nicht die Kraft und die Ausdauer, die solcher Größe
entspricht, während der Holsteiner oder Mecklenburger, bei gleicher Körperfülle,'
weit mehr Kern besitzt. Schwerfälligkeit ist ein Mangel der Deutschen über¬
haupt, den Slaven und Romanen gegenüber; der Oldenburger, als germanisches
Vollblut, ist aber der Deutscheste unter den Deutschen. Dieses bleierne Wesen
geht dnrch alle Stände und ist so sichtbar, daß mau auf deu Wcserdampfschiffen
den Oldenburger, noch ehe er, den Mund ausgethan, von dem Bremer oder
Hannoveraner augenblicklich unterscheidet.
Charakteristisch für den Oldenburger ist seine Fettigkeit und der Werth, den
er auf Fettigkeit legt, wenn auch die Begriffe „tugendhaft" und „fett" nicht
zusammenfalle», wie^ dies Goldschmidt aus deu Worten eines Fischhändlers
schließen will, der ihm'fette Aale als „tugendhaft" angepriesen hatte. Aber ein
schöner Mann und ein dicker Manu, ein schönes Kind und ein dickes Kind sind,
wenigstens auf dem Lande, kein Haar breit aus einander. Ich weiß nicht, ob
es in der Absicht, dicke Kinder zu erzielen, oder aus einem andern Grunde ge¬
schieht, daß die Bauerfrauen allgemein zwei volle Jahre stillen. Dar Kind
is 'n Jahr von Till (Das Kind ist ein Jahr von der Brust) bedeutet daher
nichts Anderes als: es ist dreijährig. Diese Sitte erinnert an den Riesen im
Märchen, der so groß geworden, weil er zehn Jahre lang an der Mutterbrust
gelegen.
Kommen die Weiber mit ihren Kindern zusammen, z. B. bei Schutzblatter¬
impfungen, so strahlt die Mutter, die. das dickste Kind hat, und wenn es auch
ein Kaliban wäre, als ob sie einen Amor aus dem Schooße hielte. Die Mütter
mit mageren Kindern aber sitzen stumm in der Ecke und wagen kaum den Blick
zu erheben. Diese Fettkinderfucht, wenn ich so sagen darf, geht durch alle Stände.
In Bezug aus meine eigenen Kinder hörte ich die Kindermädchen und auch
die Damen, die zu uns kamen, wiederholt äußern, daß sie sich besserten.
„Mein Gott," dachte ich bei mir, „sind denn meine Kinder so jämmerlich, daß
Alles immer von ihrer Besserung spricht?" denn daß dieses Wort in sinnlicher
Bedeutung zu nehmen sei, unterlag keinem Zweifel. Allmählich lernte ich jedoch
zu meiner großen Beruhigung, daß „ein Kind bessert sich" so viel heißt als:
„es wird dicker," (gerade wie mit den tugendhaften Aalen des Fischhändlers;)
daß also dem Vater damit eine große Freundlichkeit gesagt wurde. Uebrigens
wird sich hadern natürlich anch im moralischen Sinne gebraucht, wie denn ein olden¬
burgisches Sprichwort den Ausdruck in doppelter Bedeutung neben einander stellt,
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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/428>, abgerufen am 30.01.2025.
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