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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Die preußischen Kammern.

Der Schluß der ersten legislativen Periode in der konstitutionellen Geschichte
Preußens ist von einigen auffallenden Erscheinungen begleitet, die wol eine
nähere Betrachtung verdienen. Während die am weitesten vorgeschrittene liberale
Partei Alles aufbietet, um nicht blos die gegenwärtigen Kammern, sondern den
ganzen Constitutionalismus lächerlich zu machen, findet derselbe ganz unerwartete
Vertheidiger ans der äußersten Rechten. Graf Arnim, seiner eigenen Ansicht nach
der Chef dieser Partei, hatte in der auch von uns besprochenen Rede die Un¬
möglichkeit des constitutionellen Wesens für Preußen auseinanderzusetzen gesucht.
Nun erhebt sich die Kreuzzeitung, das Organ dieser Partei, mit großer Ent¬
schiedenheit gegen diese Ansichten, und zwar ist es nicht blos die Redaction, die
überhaupt zuweilen preußischer zu sein pflegt, als die Masse ihrer Glaubensgenossen,
sondern es sind die einflußreichsten Vertreter der äußersten Rechten, Stahl und
Gerlach, welche gegen Arnim auftreten. Beide erklären, und zwar ganz mit Recht,
blos berathende Stände für schädlicher, als beschließende, und Beide geben für
die allgemeine Volksvertretung, wohl zu unterscheiden von der Provinzialvertretnng,
dem constitutionellen vor dem ständischen Princip den Vorzug. Wir finden diese
Wendung ganz natürlich, denn abgesehen von den unmittelbaren persönlichen
Vortheilen, die der äußersten Rechten ans dem Constitutionalismus erwachse." find,
bringt auch jede ausdauernde Beschäftigung ein gewisses Interesse für die Sache
hervor, mit der man sich beschäftigt. Stahl und Gerlach find in die Kammern
getreten, um die Kammern und deu Constitutionalismus zu bekämpfen, und dieser
Kampf hat sie so in Anspruch genommen, daß sie ganz unmerklich constitutioneller
geworden sind, als sie selber glauben. Wir fürchten nur, daß in den Reihen
unsrer Freunde nach der gewöhnlichen Maxime, Alles mit Mißtrauen zu betrach¬
te", was den Gegnern behagt, leicht ans dieser Neigung der Rechten für die Konsti¬
tution eine Abneigung gegen die Konstitution hervorgehen könnte, die durch das Ge¬
fühl der uicht gerade erfreulichen Rolle, welche die Kammern in der letzten Zeit gespielt
haben, nur noch verstärkt werden dürfte. Dieses Gefühl des Unmuthes darf nicht Herr
über uns werden, namentlich nicht in eiuer.Zeit, wo man allmählich an die Zusammen-


Gvciizbotcn, II.
Die preußischen Kammern.

Der Schluß der ersten legislativen Periode in der konstitutionellen Geschichte
Preußens ist von einigen auffallenden Erscheinungen begleitet, die wol eine
nähere Betrachtung verdienen. Während die am weitesten vorgeschrittene liberale
Partei Alles aufbietet, um nicht blos die gegenwärtigen Kammern, sondern den
ganzen Constitutionalismus lächerlich zu machen, findet derselbe ganz unerwartete
Vertheidiger ans der äußersten Rechten. Graf Arnim, seiner eigenen Ansicht nach
der Chef dieser Partei, hatte in der auch von uns besprochenen Rede die Un¬
möglichkeit des constitutionellen Wesens für Preußen auseinanderzusetzen gesucht.
Nun erhebt sich die Kreuzzeitung, das Organ dieser Partei, mit großer Ent¬
schiedenheit gegen diese Ansichten, und zwar ist es nicht blos die Redaction, die
überhaupt zuweilen preußischer zu sein pflegt, als die Masse ihrer Glaubensgenossen,
sondern es sind die einflußreichsten Vertreter der äußersten Rechten, Stahl und
Gerlach, welche gegen Arnim auftreten. Beide erklären, und zwar ganz mit Recht,
blos berathende Stände für schädlicher, als beschließende, und Beide geben für
die allgemeine Volksvertretung, wohl zu unterscheiden von der Provinzialvertretnng,
dem constitutionellen vor dem ständischen Princip den Vorzug. Wir finden diese
Wendung ganz natürlich, denn abgesehen von den unmittelbaren persönlichen
Vortheilen, die der äußersten Rechten ans dem Constitutionalismus erwachse.» find,
bringt auch jede ausdauernde Beschäftigung ein gewisses Interesse für die Sache
hervor, mit der man sich beschäftigt. Stahl und Gerlach find in die Kammern
getreten, um die Kammern und deu Constitutionalismus zu bekämpfen, und dieser
Kampf hat sie so in Anspruch genommen, daß sie ganz unmerklich constitutioneller
geworden sind, als sie selber glauben. Wir fürchten nur, daß in den Reihen
unsrer Freunde nach der gewöhnlichen Maxime, Alles mit Mißtrauen zu betrach¬
te«, was den Gegnern behagt, leicht ans dieser Neigung der Rechten für die Konsti¬
tution eine Abneigung gegen die Konstitution hervorgehen könnte, die durch das Ge¬
fühl der uicht gerade erfreulichen Rolle, welche die Kammern in der letzten Zeit gespielt
haben, nur noch verstärkt werden dürfte. Dieses Gefühl des Unmuthes darf nicht Herr
über uns werden, namentlich nicht in eiuer.Zeit, wo man allmählich an die Zusammen-


Gvciizbotcn, II.
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[0413] Die preußischen Kammern. Der Schluß der ersten legislativen Periode in der konstitutionellen Geschichte Preußens ist von einigen auffallenden Erscheinungen begleitet, die wol eine nähere Betrachtung verdienen. Während die am weitesten vorgeschrittene liberale Partei Alles aufbietet, um nicht blos die gegenwärtigen Kammern, sondern den ganzen Constitutionalismus lächerlich zu machen, findet derselbe ganz unerwartete Vertheidiger ans der äußersten Rechten. Graf Arnim, seiner eigenen Ansicht nach der Chef dieser Partei, hatte in der auch von uns besprochenen Rede die Un¬ möglichkeit des constitutionellen Wesens für Preußen auseinanderzusetzen gesucht. Nun erhebt sich die Kreuzzeitung, das Organ dieser Partei, mit großer Ent¬ schiedenheit gegen diese Ansichten, und zwar ist es nicht blos die Redaction, die überhaupt zuweilen preußischer zu sein pflegt, als die Masse ihrer Glaubensgenossen, sondern es sind die einflußreichsten Vertreter der äußersten Rechten, Stahl und Gerlach, welche gegen Arnim auftreten. Beide erklären, und zwar ganz mit Recht, blos berathende Stände für schädlicher, als beschließende, und Beide geben für die allgemeine Volksvertretung, wohl zu unterscheiden von der Provinzialvertretnng, dem constitutionellen vor dem ständischen Princip den Vorzug. Wir finden diese Wendung ganz natürlich, denn abgesehen von den unmittelbaren persönlichen Vortheilen, die der äußersten Rechten ans dem Constitutionalismus erwachse.» find, bringt auch jede ausdauernde Beschäftigung ein gewisses Interesse für die Sache hervor, mit der man sich beschäftigt. Stahl und Gerlach find in die Kammern getreten, um die Kammern und deu Constitutionalismus zu bekämpfen, und dieser Kampf hat sie so in Anspruch genommen, daß sie ganz unmerklich constitutioneller geworden sind, als sie selber glauben. Wir fürchten nur, daß in den Reihen unsrer Freunde nach der gewöhnlichen Maxime, Alles mit Mißtrauen zu betrach¬ te«, was den Gegnern behagt, leicht ans dieser Neigung der Rechten für die Konsti¬ tution eine Abneigung gegen die Konstitution hervorgehen könnte, die durch das Ge¬ fühl der uicht gerade erfreulichen Rolle, welche die Kammern in der letzten Zeit gespielt haben, nur noch verstärkt werden dürfte. Dieses Gefühl des Unmuthes darf nicht Herr über uns werden, namentlich nicht in eiuer.Zeit, wo man allmählich an die Zusammen- Gvciizbotcn, II.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/413>, abgerufen am 24.07.2024.