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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Neben den vier regelmäßigen Arbeiten gab es noch einige andere, welche nicht
täglich, sondern in gewissen Zwischenräumen, ungefähr jeden vierten Tag auszuführen
waren, indem die Passagiere mit einander abwechselten: das Schälen der Kar¬
toffeln, welche Mittags mit den Erbsen, Bohnen oder dem Sauerkraute gekocht
werden sollten, und das Scheuern des Zwischendecks. So lange als die See¬
krankheit die Mägen stopfte, waren die Kartoffeln überflüssig, als sich aber der
Appetit in voller Frische der Gesundheit wieder einstellte, wurden die Passagiere
vom Capitain commentirt, diese Magenstopfer von dem anhaftenden Schmuze und
ihrer natürlichen Schale zu befreien. Völlig deutsch-natürlich war es, daß die
Frauen und es gab deren eine ziemlich bedeutende Anzahl, vornehmlich
Bäuerinnen -- ans dem Zwischendecke hervorkamen, um das mit den Küchen¬
arbeiten verwandte Geschäft zu besorgen, aber unser amerikanischer Capitain fand
es amerikanisch-widernatürlich, und trieb, um diese Denkungsweise zu verwirk¬
lichen, die Frauen wieder hinab und beorderte die Gentlemen herauf. Diese
Maßregel war ein Ergebniß der - amerikanischen Galanterie gegen die Damen,
welche alle schwere Arbeiten ganz naturgemäß den Männern aufbürdet, und da
jede Arbeit auf der wogenden See, wenn sie auch auf dem festen Lande
noch so leicht ist, schwierig wird, so war es jetzt an uns Männern, die Kar¬
toffeln zu schälen. Obgleich ich in Deutschland dieses Küchengeschäft wol nie¬
mals, oder höchstens als Kind zum Zeitvertreib versehen hatte, so war ich doch
vollständig mit dem Befehle des Capitains einverstanden, theils aus Humanität
gegen die Frauen, welche mir gebot, diese von den Beschwerden des Schiffs-
lebeus möglichst fern zu halten, theils aus Humanität gegen mich selbst, welche
mich aufforderte, die Langeweile ans meinem Bereiche fortzujagen; und so machte
ich mich denn, so oft die Reihe an mich kam, und wol noch öfter, daran, und
war dann froh, wieder einmal etwas Nützliches gethan zu haben. Dieser letzte
Beweggrund veranlaßte mich auch, so lvie ungefähr noch zehn von meinen
gleichgesimiten Reisegefährten, den Capitain zu bitten, uns eine größere und
schwierigere Arbeit aufzutragen, welche darin bestand, daß wir den gesammten
Kartoffelvorrath, für die 200 Passagiere auf -13 Wochen berechnet, aus dem
Schiffsraum auf das Verdeck trugen, um die faulen von den gesunden zu son¬
dern und diese somit vor der fernern Ansteckung zu schützen. Auffallend war es
hierbei, daß vorzugsweise die Gebildeten, welche vielleicht niemals vorher in ähn¬
licher Weise thätig gewesen waren, sich bei dieser Arbeit beteiligten, während
die Bauern und Tagelöhner uns ruhig ""sahen, oder sich durch Schwatzen und
Kartespielen die Zeit zu vertreiben suchten.

Trotz dieser mannichfachen Beschäftigungen wurde aber auch von mir und
Genossen der größte Theil der Tageszeit mit Plaudern, Spielen, Lesen und
mit Hinausschauen in das Blaue ausgefüllt, aber wir bemühten uns, diesen Arten
des Zeitvertreibs eine solche Abwechselung zu geben, daß wirklich ein Tag nach


Neben den vier regelmäßigen Arbeiten gab es noch einige andere, welche nicht
täglich, sondern in gewissen Zwischenräumen, ungefähr jeden vierten Tag auszuführen
waren, indem die Passagiere mit einander abwechselten: das Schälen der Kar¬
toffeln, welche Mittags mit den Erbsen, Bohnen oder dem Sauerkraute gekocht
werden sollten, und das Scheuern des Zwischendecks. So lange als die See¬
krankheit die Mägen stopfte, waren die Kartoffeln überflüssig, als sich aber der
Appetit in voller Frische der Gesundheit wieder einstellte, wurden die Passagiere
vom Capitain commentirt, diese Magenstopfer von dem anhaftenden Schmuze und
ihrer natürlichen Schale zu befreien. Völlig deutsch-natürlich war es, daß die
Frauen und es gab deren eine ziemlich bedeutende Anzahl, vornehmlich
Bäuerinnen — ans dem Zwischendecke hervorkamen, um das mit den Küchen¬
arbeiten verwandte Geschäft zu besorgen, aber unser amerikanischer Capitain fand
es amerikanisch-widernatürlich, und trieb, um diese Denkungsweise zu verwirk¬
lichen, die Frauen wieder hinab und beorderte die Gentlemen herauf. Diese
Maßregel war ein Ergebniß der - amerikanischen Galanterie gegen die Damen,
welche alle schwere Arbeiten ganz naturgemäß den Männern aufbürdet, und da
jede Arbeit auf der wogenden See, wenn sie auch auf dem festen Lande
noch so leicht ist, schwierig wird, so war es jetzt an uns Männern, die Kar¬
toffeln zu schälen. Obgleich ich in Deutschland dieses Küchengeschäft wol nie¬
mals, oder höchstens als Kind zum Zeitvertreib versehen hatte, so war ich doch
vollständig mit dem Befehle des Capitains einverstanden, theils aus Humanität
gegen die Frauen, welche mir gebot, diese von den Beschwerden des Schiffs-
lebeus möglichst fern zu halten, theils aus Humanität gegen mich selbst, welche
mich aufforderte, die Langeweile ans meinem Bereiche fortzujagen; und so machte
ich mich denn, so oft die Reihe an mich kam, und wol noch öfter, daran, und
war dann froh, wieder einmal etwas Nützliches gethan zu haben. Dieser letzte
Beweggrund veranlaßte mich auch, so lvie ungefähr noch zehn von meinen
gleichgesimiten Reisegefährten, den Capitain zu bitten, uns eine größere und
schwierigere Arbeit aufzutragen, welche darin bestand, daß wir den gesammten
Kartoffelvorrath, für die 200 Passagiere auf -13 Wochen berechnet, aus dem
Schiffsraum auf das Verdeck trugen, um die faulen von den gesunden zu son¬
dern und diese somit vor der fernern Ansteckung zu schützen. Auffallend war es
hierbei, daß vorzugsweise die Gebildeten, welche vielleicht niemals vorher in ähn¬
licher Weise thätig gewesen waren, sich bei dieser Arbeit beteiligten, während
die Bauern und Tagelöhner uns ruhig »»sahen, oder sich durch Schwatzen und
Kartespielen die Zeit zu vertreiben suchten.

Trotz dieser mannichfachen Beschäftigungen wurde aber auch von mir und
Genossen der größte Theil der Tageszeit mit Plaudern, Spielen, Lesen und
mit Hinausschauen in das Blaue ausgefüllt, aber wir bemühten uns, diesen Arten
des Zeitvertreibs eine solche Abwechselung zu geben, daß wirklich ein Tag nach


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[0387] Neben den vier regelmäßigen Arbeiten gab es noch einige andere, welche nicht täglich, sondern in gewissen Zwischenräumen, ungefähr jeden vierten Tag auszuführen waren, indem die Passagiere mit einander abwechselten: das Schälen der Kar¬ toffeln, welche Mittags mit den Erbsen, Bohnen oder dem Sauerkraute gekocht werden sollten, und das Scheuern des Zwischendecks. So lange als die See¬ krankheit die Mägen stopfte, waren die Kartoffeln überflüssig, als sich aber der Appetit in voller Frische der Gesundheit wieder einstellte, wurden die Passagiere vom Capitain commentirt, diese Magenstopfer von dem anhaftenden Schmuze und ihrer natürlichen Schale zu befreien. Völlig deutsch-natürlich war es, daß die Frauen und es gab deren eine ziemlich bedeutende Anzahl, vornehmlich Bäuerinnen — ans dem Zwischendecke hervorkamen, um das mit den Küchen¬ arbeiten verwandte Geschäft zu besorgen, aber unser amerikanischer Capitain fand es amerikanisch-widernatürlich, und trieb, um diese Denkungsweise zu verwirk¬ lichen, die Frauen wieder hinab und beorderte die Gentlemen herauf. Diese Maßregel war ein Ergebniß der - amerikanischen Galanterie gegen die Damen, welche alle schwere Arbeiten ganz naturgemäß den Männern aufbürdet, und da jede Arbeit auf der wogenden See, wenn sie auch auf dem festen Lande noch so leicht ist, schwierig wird, so war es jetzt an uns Männern, die Kar¬ toffeln zu schälen. Obgleich ich in Deutschland dieses Küchengeschäft wol nie¬ mals, oder höchstens als Kind zum Zeitvertreib versehen hatte, so war ich doch vollständig mit dem Befehle des Capitains einverstanden, theils aus Humanität gegen die Frauen, welche mir gebot, diese von den Beschwerden des Schiffs- lebeus möglichst fern zu halten, theils aus Humanität gegen mich selbst, welche mich aufforderte, die Langeweile ans meinem Bereiche fortzujagen; und so machte ich mich denn, so oft die Reihe an mich kam, und wol noch öfter, daran, und war dann froh, wieder einmal etwas Nützliches gethan zu haben. Dieser letzte Beweggrund veranlaßte mich auch, so lvie ungefähr noch zehn von meinen gleichgesimiten Reisegefährten, den Capitain zu bitten, uns eine größere und schwierigere Arbeit aufzutragen, welche darin bestand, daß wir den gesammten Kartoffelvorrath, für die 200 Passagiere auf -13 Wochen berechnet, aus dem Schiffsraum auf das Verdeck trugen, um die faulen von den gesunden zu son¬ dern und diese somit vor der fernern Ansteckung zu schützen. Auffallend war es hierbei, daß vorzugsweise die Gebildeten, welche vielleicht niemals vorher in ähn¬ licher Weise thätig gewesen waren, sich bei dieser Arbeit beteiligten, während die Bauern und Tagelöhner uns ruhig »»sahen, oder sich durch Schwatzen und Kartespielen die Zeit zu vertreiben suchten. Trotz dieser mannichfachen Beschäftigungen wurde aber auch von mir und Genossen der größte Theil der Tageszeit mit Plaudern, Spielen, Lesen und mit Hinausschauen in das Blaue ausgefüllt, aber wir bemühten uns, diesen Arten des Zeitvertreibs eine solche Abwechselung zu geben, daß wirklich ein Tag nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/387>, abgerufen am 26.07.2024.