Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Februarernte liefert zwar quantitativ den geringsten, doch qualitativ den feinsten
Ertrag, die Aprilernte ist eine Nachlese für die höchstgeschätzten Sorten, die
Juuiernte giebt große Blätter massenhaft, die Augusternte wird fast nur zu den
niederen Theesorten verwendet. Trotzdem hat keine dieser vier Ernten mit der
gemeinen Werkeltägigkeit anderer Ernten Etwas gemein. Jeder geht eine sorg¬
same Abstäubung und Reinigung jedes einzelnen Theestrauchs vorher. Und selbst
für dieses Geschäft bereiten sich die Arbeiter wie zu einem Cultus. Acht Tage
lang dürfen sie nur wenig gegessen haben; denn der Hauch des Unmäßigen scha¬
det dem Theegeschmack. Mit sorgfältig gewaschenen Händen muß die Reinigung
vollführt werden, und 'mit behandschuhten Händen werden am andern Tage die
Theeblätter gepflückt. Etwa 10--13 Pfund vermag ein fleißiger Arbeiter an einem
Tage zu sammeln. Noch an demselben Tage aber muß er sie auf erhitzten Blechen
ausbreiten, noch am selben Abende wieder in ein Tuch zusammenfassen, und so für
einige Minuten in heißes Wasser tauchen. Nachdem sie die Nacht über abgetropft sind,
werden sie am andern Morgen, bevor die Sonne erhitzend emporstiege in eisernen
flachen erhitzten Pfannen umgerührt, dann auf Matte" ausgebreitet, hier sofort
mit.flacher Hand gerollt und während dessen mit großen Wedeln vollständig ab¬
gekühlt, hierauf.aber schleunigst in Kisten verpackt, deren innere Wände mit den
Blättern einer Pharusart ausgelegt sind. Denn die nackte Holzwand oder ein
metallischer Ueberzug würden ihren Geschmack und Geruch dem Thee mittheilen,
und nur den gemeineren Sorten mischt man wol Blüthen der Theerose oder von Olsg,
lrg,Kraus, slamölliiz, sasanAuc,. bei, um mit ihrem Duft den etwas strengen Geruch
der gröberen Blätter zu überdecken. Eigentliche Blüthen des Theestrauchs werden
nur selten und sehr einzeln in bestimmten auserlesenen Sorten gestreut, während
die weißen Theile, welche gewöhnlich im schwarzen Thee gefunden werden, Nichts
weiter, als.ganz junge, mit der behaarten Unterfläche nach außen gerollte Blatt-
' chen sind. Daß die Verwechslung dieser wolligen Blättchen mit Theeblüthen zu
dem täuschenden Namen "Blumenthee" führte, daran sind die Chinesen selber
und nächstdem die Russen Schuld -- beide wol kaum unabsichtlich, weil beide gar
feine und verschlagene Kaufleute. Denn das chinesische b^i--weiß nahmen die
Moskowiter für identisch mit Blüthe, und darum nannten sie bald allen schwarzen
Thee LaiLkov, d. i. der Blntheureiche.

Bekanntlich nehmen die feinsten Theesorten den Landweg über Kiächta nach
Rußland, während die gröberen Arten über Canton und andere Hafenstädte vor¬
nehmlich in englischen Schiffen nach den verschiedenen Welttheilen wandern. Im
Allgemeinen kann man sagen, daß zwischen dem Thee des Land- und Seewegs
ein Verhältniß herrscht, wie zwischen der echten Havannahcigarre und dem ander¬
wärts versponnenen Havannahblatt. Aber während die sinnlichere Cigarre eben
durch die Seereise noch die höchste Vollendung ihrer eingeborenen Vorzüge er¬
ringt, erträgt der sensible Thee den wohlfeilen Wassertransport schmerzlich, und


Februarernte liefert zwar quantitativ den geringsten, doch qualitativ den feinsten
Ertrag, die Aprilernte ist eine Nachlese für die höchstgeschätzten Sorten, die
Juuiernte giebt große Blätter massenhaft, die Augusternte wird fast nur zu den
niederen Theesorten verwendet. Trotzdem hat keine dieser vier Ernten mit der
gemeinen Werkeltägigkeit anderer Ernten Etwas gemein. Jeder geht eine sorg¬
same Abstäubung und Reinigung jedes einzelnen Theestrauchs vorher. Und selbst
für dieses Geschäft bereiten sich die Arbeiter wie zu einem Cultus. Acht Tage
lang dürfen sie nur wenig gegessen haben; denn der Hauch des Unmäßigen scha¬
det dem Theegeschmack. Mit sorgfältig gewaschenen Händen muß die Reinigung
vollführt werden, und 'mit behandschuhten Händen werden am andern Tage die
Theeblätter gepflückt. Etwa 10—13 Pfund vermag ein fleißiger Arbeiter an einem
Tage zu sammeln. Noch an demselben Tage aber muß er sie auf erhitzten Blechen
ausbreiten, noch am selben Abende wieder in ein Tuch zusammenfassen, und so für
einige Minuten in heißes Wasser tauchen. Nachdem sie die Nacht über abgetropft sind,
werden sie am andern Morgen, bevor die Sonne erhitzend emporstiege in eisernen
flachen erhitzten Pfannen umgerührt, dann auf Matte» ausgebreitet, hier sofort
mit.flacher Hand gerollt und während dessen mit großen Wedeln vollständig ab¬
gekühlt, hierauf.aber schleunigst in Kisten verpackt, deren innere Wände mit den
Blättern einer Pharusart ausgelegt sind. Denn die nackte Holzwand oder ein
metallischer Ueberzug würden ihren Geschmack und Geruch dem Thee mittheilen,
und nur den gemeineren Sorten mischt man wol Blüthen der Theerose oder von Olsg,
lrg,Kraus, slamölliiz, sasanAuc,. bei, um mit ihrem Duft den etwas strengen Geruch
der gröberen Blätter zu überdecken. Eigentliche Blüthen des Theestrauchs werden
nur selten und sehr einzeln in bestimmten auserlesenen Sorten gestreut, während
die weißen Theile, welche gewöhnlich im schwarzen Thee gefunden werden, Nichts
weiter, als.ganz junge, mit der behaarten Unterfläche nach außen gerollte Blatt-
' chen sind. Daß die Verwechslung dieser wolligen Blättchen mit Theeblüthen zu
dem täuschenden Namen „Blumenthee" führte, daran sind die Chinesen selber
und nächstdem die Russen Schuld — beide wol kaum unabsichtlich, weil beide gar
feine und verschlagene Kaufleute. Denn das chinesische b^i—weiß nahmen die
Moskowiter für identisch mit Blüthe, und darum nannten sie bald allen schwarzen
Thee LaiLkov, d. i. der Blntheureiche.

Bekanntlich nehmen die feinsten Theesorten den Landweg über Kiächta nach
Rußland, während die gröberen Arten über Canton und andere Hafenstädte vor¬
nehmlich in englischen Schiffen nach den verschiedenen Welttheilen wandern. Im
Allgemeinen kann man sagen, daß zwischen dem Thee des Land- und Seewegs
ein Verhältniß herrscht, wie zwischen der echten Havannahcigarre und dem ander¬
wärts versponnenen Havannahblatt. Aber während die sinnlichere Cigarre eben
durch die Seereise noch die höchste Vollendung ihrer eingeborenen Vorzüge er¬
ringt, erträgt der sensible Thee den wohlfeilen Wassertransport schmerzlich, und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94238"/>
            <p xml:id="ID_922" prev="#ID_921"> Februarernte liefert zwar quantitativ den geringsten, doch qualitativ den feinsten<lb/>
Ertrag, die Aprilernte ist eine Nachlese für die höchstgeschätzten Sorten, die<lb/>
Juuiernte giebt große Blätter massenhaft, die Augusternte wird fast nur zu den<lb/>
niederen Theesorten verwendet. Trotzdem hat keine dieser vier Ernten mit der<lb/>
gemeinen Werkeltägigkeit anderer Ernten Etwas gemein. Jeder geht eine sorg¬<lb/>
same Abstäubung und Reinigung jedes einzelnen Theestrauchs vorher. Und selbst<lb/>
für dieses Geschäft bereiten sich die Arbeiter wie zu einem Cultus. Acht Tage<lb/>
lang dürfen sie nur wenig gegessen haben; denn der Hauch des Unmäßigen scha¬<lb/>
det dem Theegeschmack. Mit sorgfältig gewaschenen Händen muß die Reinigung<lb/>
vollführt werden, und 'mit behandschuhten Händen werden am andern Tage die<lb/>
Theeblätter gepflückt. Etwa 10&#x2014;13 Pfund vermag ein fleißiger Arbeiter an einem<lb/>
Tage zu sammeln. Noch an demselben Tage aber muß er sie auf erhitzten Blechen<lb/>
ausbreiten, noch am selben Abende wieder in ein Tuch zusammenfassen, und so für<lb/>
einige Minuten in heißes Wasser tauchen. Nachdem sie die Nacht über abgetropft sind,<lb/>
werden sie am andern Morgen, bevor die Sonne erhitzend emporstiege in eisernen<lb/>
flachen erhitzten Pfannen umgerührt, dann auf Matte» ausgebreitet, hier sofort<lb/>
mit.flacher Hand gerollt und während dessen mit großen Wedeln vollständig ab¬<lb/>
gekühlt, hierauf.aber schleunigst in Kisten verpackt, deren innere Wände mit den<lb/>
Blättern einer Pharusart ausgelegt sind. Denn die nackte Holzwand oder ein<lb/>
metallischer Ueberzug würden ihren Geschmack und Geruch dem Thee mittheilen,<lb/>
und nur den gemeineren Sorten mischt man wol Blüthen der Theerose oder von Olsg,<lb/>
lrg,Kraus, slamölliiz, sasanAuc,. bei, um mit ihrem Duft den etwas strengen Geruch<lb/>
der gröberen Blätter zu überdecken. Eigentliche Blüthen des Theestrauchs werden<lb/>
nur selten und sehr einzeln in bestimmten auserlesenen Sorten gestreut, während<lb/>
die weißen Theile, welche gewöhnlich im schwarzen Thee gefunden werden, Nichts<lb/>
weiter, als.ganz junge, mit der behaarten Unterfläche nach außen gerollte Blatt-<lb/>
' chen sind. Daß die Verwechslung dieser wolligen Blättchen mit Theeblüthen zu<lb/>
dem täuschenden Namen &#x201E;Blumenthee" führte, daran sind die Chinesen selber<lb/>
und nächstdem die Russen Schuld &#x2014; beide wol kaum unabsichtlich, weil beide gar<lb/>
feine und verschlagene Kaufleute. Denn das chinesische b^i&#x2014;weiß nahmen die<lb/>
Moskowiter für identisch mit Blüthe, und darum nannten sie bald allen schwarzen<lb/>
Thee LaiLkov, d. i. der Blntheureiche.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_923" next="#ID_924"> Bekanntlich nehmen die feinsten Theesorten den Landweg über Kiächta nach<lb/>
Rußland, während die gröberen Arten über Canton und andere Hafenstädte vor¬<lb/>
nehmlich in englischen Schiffen nach den verschiedenen Welttheilen wandern. Im<lb/>
Allgemeinen kann man sagen, daß zwischen dem Thee des Land- und Seewegs<lb/>
ein Verhältniß herrscht, wie zwischen der echten Havannahcigarre und dem ander¬<lb/>
wärts versponnenen Havannahblatt. Aber während die sinnlichere Cigarre eben<lb/>
durch die Seereise noch die höchste Vollendung ihrer eingeborenen Vorzüge er¬<lb/>
ringt, erträgt der sensible Thee den wohlfeilen Wassertransport schmerzlich, und</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] Februarernte liefert zwar quantitativ den geringsten, doch qualitativ den feinsten Ertrag, die Aprilernte ist eine Nachlese für die höchstgeschätzten Sorten, die Juuiernte giebt große Blätter massenhaft, die Augusternte wird fast nur zu den niederen Theesorten verwendet. Trotzdem hat keine dieser vier Ernten mit der gemeinen Werkeltägigkeit anderer Ernten Etwas gemein. Jeder geht eine sorg¬ same Abstäubung und Reinigung jedes einzelnen Theestrauchs vorher. Und selbst für dieses Geschäft bereiten sich die Arbeiter wie zu einem Cultus. Acht Tage lang dürfen sie nur wenig gegessen haben; denn der Hauch des Unmäßigen scha¬ det dem Theegeschmack. Mit sorgfältig gewaschenen Händen muß die Reinigung vollführt werden, und 'mit behandschuhten Händen werden am andern Tage die Theeblätter gepflückt. Etwa 10—13 Pfund vermag ein fleißiger Arbeiter an einem Tage zu sammeln. Noch an demselben Tage aber muß er sie auf erhitzten Blechen ausbreiten, noch am selben Abende wieder in ein Tuch zusammenfassen, und so für einige Minuten in heißes Wasser tauchen. Nachdem sie die Nacht über abgetropft sind, werden sie am andern Morgen, bevor die Sonne erhitzend emporstiege in eisernen flachen erhitzten Pfannen umgerührt, dann auf Matte» ausgebreitet, hier sofort mit.flacher Hand gerollt und während dessen mit großen Wedeln vollständig ab¬ gekühlt, hierauf.aber schleunigst in Kisten verpackt, deren innere Wände mit den Blättern einer Pharusart ausgelegt sind. Denn die nackte Holzwand oder ein metallischer Ueberzug würden ihren Geschmack und Geruch dem Thee mittheilen, und nur den gemeineren Sorten mischt man wol Blüthen der Theerose oder von Olsg, lrg,Kraus, slamölliiz, sasanAuc,. bei, um mit ihrem Duft den etwas strengen Geruch der gröberen Blätter zu überdecken. Eigentliche Blüthen des Theestrauchs werden nur selten und sehr einzeln in bestimmten auserlesenen Sorten gestreut, während die weißen Theile, welche gewöhnlich im schwarzen Thee gefunden werden, Nichts weiter, als.ganz junge, mit der behaarten Unterfläche nach außen gerollte Blatt- ' chen sind. Daß die Verwechslung dieser wolligen Blättchen mit Theeblüthen zu dem täuschenden Namen „Blumenthee" führte, daran sind die Chinesen selber und nächstdem die Russen Schuld — beide wol kaum unabsichtlich, weil beide gar feine und verschlagene Kaufleute. Denn das chinesische b^i—weiß nahmen die Moskowiter für identisch mit Blüthe, und darum nannten sie bald allen schwarzen Thee LaiLkov, d. i. der Blntheureiche. Bekanntlich nehmen die feinsten Theesorten den Landweg über Kiächta nach Rußland, während die gröberen Arten über Canton und andere Hafenstädte vor¬ nehmlich in englischen Schiffen nach den verschiedenen Welttheilen wandern. Im Allgemeinen kann man sagen, daß zwischen dem Thee des Land- und Seewegs ein Verhältniß herrscht, wie zwischen der echten Havannahcigarre und dem ander¬ wärts versponnenen Havannahblatt. Aber während die sinnlichere Cigarre eben durch die Seereise noch die höchste Vollendung ihrer eingeborenen Vorzüge er¬ ringt, erträgt der sensible Thee den wohlfeilen Wassertransport schmerzlich, und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/337>, abgerufen am 25.07.2024.