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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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und er denkt, ein halber Thron ist besser als gar keiner, und bietet Irenen seine
Hand an. Diese nimmt aus Liebe zu Leon dieses Anerbieten an, wodurch sie
im vierten Act den Vortheil hat, in einem sehr langen Duo Leon ihre unver¬
gängliche Liebe zu versichern. Leon wird für sie kämpfen. Nicephorus aber
so gut wie Louis Bonaparte hat seine Polizei, und die seinige hat noch den
Vorzug, durch ihn selbst versehen zu werden, und er hat Alles gehört. Leon soll
ermordet werden. Aber wozu wäre denn der ewige Jude gut, wenn er nicht
zugleich der ewige Erretter aus allen Nöthen und Verlegenheiten wäre? er kommt
also und will retten, aber Leon will vou dieser antichristlichen Rettung Nichts wis¬
sen, und er läßt sich durchbohre" und zu größerer Sicherheit für die Mörder in
den Bosphorus werfen. Das macht sich ganz schauerlich.in dieser herrlichen
Landschaft mit Ruinen, Felseugruppen -- Mondscheinglanz und Meeresge-
brause. Der Vorhang fällt über den vierten Act, und es begreift Jedermann,
daß die erste Person, die uns im fünften Act begegnet, der durchbohrte in den
Bosphorus geschleuderte Leon sein müsse. Er erscheint an der Seite seiner
Irene und seiner Schwester Theodora, und erfährt von Ahasverus, daß er zum
Kaiser des byzantinischen Reichs ernannt' worden, Leon zieht fort, und ver¬
spricht seinem Freunde Ahasverus (aus Schonung für Halövy wollte Scribe den
Christen Leon nicht zum hartnäckigen Judenfeind machen, und dieser hat im fünf¬
ten Acte bereits alle Vorurtheile verloren) in Gemeinschaft mit Irenen und The¬
odoren vom byzantinischen Throne herab für ihn zu beten. Als guter Politiker
weiß Leon nämlich, daß die erste Pflicht eines väterlichen Monarchen ist, für den
Stillstand zu beten und er hofft, Ahasverus werde in dem allgemeinen Stillstand
mit begriffen werden. Vorläufig schläft Ahasverus blos ein, und er träumt, xour,
t'g,iro Mi8ir a N. in-5 clöooralsnrs, vom Ende der Welt. Nachdem die
Holle sich ausgetobt, wir die Schlußdecoratiou zu bewundern genug Gelegen¬
heit gefunden, erwacht der ewige Jude, wünscht uns eine ruhsame Nacht,
und zieht wieder seiner Wege. Milans enk-mes ni<z 1a patrie. -- Ich bitte
um Vergebung, das ist nicht der Refrain: NiireKs, inarede, wajours.
Die erste Betrachtung, die sich mir aufdrängte, als ich ans dem Theater ging,
war folgende: Jetzt ist es bald 1 Uhr nach Mitternacht; wieviel Uhr wäre es
wol geworden, wenn der ewige Jude die ganze nachchristliche Weltgeschichte bis
ans Ende der Welt geträumt hätte? Es hätte nämlich, dies fühlte ich blos, den
Herren Deccrations- und Maschinen-Hexenmeistern einfallen dürfen, daß man den
Parisern als Ersatz für Michelets Verweisung aus der Universität einen von den
Choristen, Choristinnen und der gesammten Wadeucollection der großen Oper
vorgetragenen und plastisch dargestellten Cours der dogmatischen Weltgeschichte
bieten müsse und es wäre geschehen, ^eeiäit in xmnew gilva non speratur in
Alaun argumentirte ich weiter und so mußte ich folgerichtig zu dem Schlüsse
kommen, daß wir nächstens Opern in mehreren Theilen und Abenden zu gewär-


und er denkt, ein halber Thron ist besser als gar keiner, und bietet Irenen seine
Hand an. Diese nimmt aus Liebe zu Leon dieses Anerbieten an, wodurch sie
im vierten Act den Vortheil hat, in einem sehr langen Duo Leon ihre unver¬
gängliche Liebe zu versichern. Leon wird für sie kämpfen. Nicephorus aber
so gut wie Louis Bonaparte hat seine Polizei, und die seinige hat noch den
Vorzug, durch ihn selbst versehen zu werden, und er hat Alles gehört. Leon soll
ermordet werden. Aber wozu wäre denn der ewige Jude gut, wenn er nicht
zugleich der ewige Erretter aus allen Nöthen und Verlegenheiten wäre? er kommt
also und will retten, aber Leon will vou dieser antichristlichen Rettung Nichts wis¬
sen, und er läßt sich durchbohre» und zu größerer Sicherheit für die Mörder in
den Bosphorus werfen. Das macht sich ganz schauerlich.in dieser herrlichen
Landschaft mit Ruinen, Felseugruppen — Mondscheinglanz und Meeresge-
brause. Der Vorhang fällt über den vierten Act, und es begreift Jedermann,
daß die erste Person, die uns im fünften Act begegnet, der durchbohrte in den
Bosphorus geschleuderte Leon sein müsse. Er erscheint an der Seite seiner
Irene und seiner Schwester Theodora, und erfährt von Ahasverus, daß er zum
Kaiser des byzantinischen Reichs ernannt' worden, Leon zieht fort, und ver¬
spricht seinem Freunde Ahasverus (aus Schonung für Halövy wollte Scribe den
Christen Leon nicht zum hartnäckigen Judenfeind machen, und dieser hat im fünf¬
ten Acte bereits alle Vorurtheile verloren) in Gemeinschaft mit Irenen und The¬
odoren vom byzantinischen Throne herab für ihn zu beten. Als guter Politiker
weiß Leon nämlich, daß die erste Pflicht eines väterlichen Monarchen ist, für den
Stillstand zu beten und er hofft, Ahasverus werde in dem allgemeinen Stillstand
mit begriffen werden. Vorläufig schläft Ahasverus blos ein, und er träumt, xour,
t'g,iro Mi8ir a N. in-5 clöooralsnrs, vom Ende der Welt. Nachdem die
Holle sich ausgetobt, wir die Schlußdecoratiou zu bewundern genug Gelegen¬
heit gefunden, erwacht der ewige Jude, wünscht uns eine ruhsame Nacht,
und zieht wieder seiner Wege. Milans enk-mes ni<z 1a patrie. — Ich bitte
um Vergebung, das ist nicht der Refrain: NiireKs, inarede, wajours.
Die erste Betrachtung, die sich mir aufdrängte, als ich ans dem Theater ging,
war folgende: Jetzt ist es bald 1 Uhr nach Mitternacht; wieviel Uhr wäre es
wol geworden, wenn der ewige Jude die ganze nachchristliche Weltgeschichte bis
ans Ende der Welt geträumt hätte? Es hätte nämlich, dies fühlte ich blos, den
Herren Deccrations- und Maschinen-Hexenmeistern einfallen dürfen, daß man den
Parisern als Ersatz für Michelets Verweisung aus der Universität einen von den
Choristen, Choristinnen und der gesammten Wadeucollection der großen Oper
vorgetragenen und plastisch dargestellten Cours der dogmatischen Weltgeschichte
bieten müsse und es wäre geschehen, ^eeiäit in xmnew gilva non speratur in
Alaun argumentirte ich weiter und so mußte ich folgerichtig zu dem Schlüsse
kommen, daß wir nächstens Opern in mehreren Theilen und Abenden zu gewär-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/320>, abgerufen am 25.07.2024.