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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Das wichtigste derselben ist das "Eisenbahninteresse". Die Anzahl der Mit¬
glieder, welche blos gewählt sind, weil man sie für reich hält, und die ihren
Reichthum durch Eisenbahnspeculationcn erworben haben, ist ziemlich groß. Der
ni-ÄsvWt "Eisenbahnkönig" Hudson wurde nur deshalb ins Parlament geschickt,
denn er besaß weder Bildung, noch Talente. Manche Stadt hat bei der Wahl
auf ein zu jener Zeit schwebendes Eisenbahnproject Rücksicht genommen, und die
großen Gesellschaften sind alle dnrch ihre Directoren vertreten, wie die Namen
W. Russell, Glyn, Chaplin und andere zeigen. Die Harmonie im Schooße
des Eisenbahninteresses ist nicht sehr groß. Dazu rivalisiren die Pläne und Pro-
jecte der großen Compagnien zu oft mit einander. Sie streiten sich unter einan¬
der, und thun sich möglichsten Abbruch; aber es gilt von ihnen dasselbe, was
Baillie Nicol Jarvie in Rob Roy von den Hochländern sagt: "Sie geben sich
wol manchmal einen Stoß mit dem Dirk, oder einen Hieb mit dem Claymore,
aber auf die Länge sind sie immer einig gegen Alle, die Geld in der Tasche
haben." Die das Eisenbahninteresse vertretenden Parlamentsmitglieder zählen sich
großentheils zu den Liberalen, weil die meisten Wahlkörperschästen liberal sind;
einige sind aber auch conservativ, weil es von Nutzen für das Interesse ist, in
allen Parteien Anknüpfungspunkte zu besitzen; jedoch Nichts kann die Vertreter des
"Eisenbahninteresses" zu aufrichtigen und entschiedenen Verbündeten irgend einer
Partei machen, deren politische Zwecke sie immer dem Privatinteresse ihres Com-
mittenten unterordnen werden.

Die großen Dampfpaketgesellschaften haben ebenfalls ihren Anhang, doch
ist er bei weitem nicht so zahlreich und so compact, wie der oben erwähnte.
Eine dieser Gesellschaften kann in dringenden Fällen über 2i Stimmen verfügen,
die freilich verschiedenen Sectionen des Hauses angehören.

Zunächst kommen nun eine Anzahl unabhängiger Mitglieder, die ans Grund¬
satz oder Charakterfehler sich von allen Parteiverbiudungcn fern halten. Es ist
Schade, daß so bedeutende Talente, wie Sir W. Molesworth, dnrch diese Jso-
lirung sich die Möglichkeit einer eingreifenden Wirksamkeit abschneiden. Roebuck
und Oberst Thompson sind in einer ähnlichen Lage. Auch ein Chartist befindet
sich unter den Unabhängigen: Feargus O'Connor, das Mitglied für Nottingham.
Er erschien neulich unter dem schweren Verdacht, verrückt zu sein, vor Gericht;
sein Schwindelunternehmen der Landbank hat ihn um alle Achtung gebracht;
in politischem Ansehen hat er nie gestanden, und seinen Einfluß auf die Masse
hat er längst verloren, seitdem der Chartismus vor dem wachsenden Wohlstande
des Volkes verschwunden ist.

Nur zwei Gruppen giebt es unter der Minorität, welche durch gemeinsame poli¬
tische Grundsätze unter einander verbunden sind: die irische Brigade und die Man¬
chesterschule. Erstere haben wir bereits bei den Whigs abgehandelt, deren un¬
zuverlässige Verbündete sie waren, so lange Lord Russell am Ruder war. Die


Das wichtigste derselben ist das „Eisenbahninteresse". Die Anzahl der Mit¬
glieder, welche blos gewählt sind, weil man sie für reich hält, und die ihren
Reichthum durch Eisenbahnspeculationcn erworben haben, ist ziemlich groß. Der
ni-ÄsvWt „Eisenbahnkönig" Hudson wurde nur deshalb ins Parlament geschickt,
denn er besaß weder Bildung, noch Talente. Manche Stadt hat bei der Wahl
auf ein zu jener Zeit schwebendes Eisenbahnproject Rücksicht genommen, und die
großen Gesellschaften sind alle dnrch ihre Directoren vertreten, wie die Namen
W. Russell, Glyn, Chaplin und andere zeigen. Die Harmonie im Schooße
des Eisenbahninteresses ist nicht sehr groß. Dazu rivalisiren die Pläne und Pro-
jecte der großen Compagnien zu oft mit einander. Sie streiten sich unter einan¬
der, und thun sich möglichsten Abbruch; aber es gilt von ihnen dasselbe, was
Baillie Nicol Jarvie in Rob Roy von den Hochländern sagt: „Sie geben sich
wol manchmal einen Stoß mit dem Dirk, oder einen Hieb mit dem Claymore,
aber auf die Länge sind sie immer einig gegen Alle, die Geld in der Tasche
haben." Die das Eisenbahninteresse vertretenden Parlamentsmitglieder zählen sich
großentheils zu den Liberalen, weil die meisten Wahlkörperschästen liberal sind;
einige sind aber auch conservativ, weil es von Nutzen für das Interesse ist, in
allen Parteien Anknüpfungspunkte zu besitzen; jedoch Nichts kann die Vertreter des
„Eisenbahninteresses" zu aufrichtigen und entschiedenen Verbündeten irgend einer
Partei machen, deren politische Zwecke sie immer dem Privatinteresse ihres Com-
mittenten unterordnen werden.

Die großen Dampfpaketgesellschaften haben ebenfalls ihren Anhang, doch
ist er bei weitem nicht so zahlreich und so compact, wie der oben erwähnte.
Eine dieser Gesellschaften kann in dringenden Fällen über 2i Stimmen verfügen,
die freilich verschiedenen Sectionen des Hauses angehören.

Zunächst kommen nun eine Anzahl unabhängiger Mitglieder, die ans Grund¬
satz oder Charakterfehler sich von allen Parteiverbiudungcn fern halten. Es ist
Schade, daß so bedeutende Talente, wie Sir W. Molesworth, dnrch diese Jso-
lirung sich die Möglichkeit einer eingreifenden Wirksamkeit abschneiden. Roebuck
und Oberst Thompson sind in einer ähnlichen Lage. Auch ein Chartist befindet
sich unter den Unabhängigen: Feargus O'Connor, das Mitglied für Nottingham.
Er erschien neulich unter dem schweren Verdacht, verrückt zu sein, vor Gericht;
sein Schwindelunternehmen der Landbank hat ihn um alle Achtung gebracht;
in politischem Ansehen hat er nie gestanden, und seinen Einfluß auf die Masse
hat er längst verloren, seitdem der Chartismus vor dem wachsenden Wohlstande
des Volkes verschwunden ist.

Nur zwei Gruppen giebt es unter der Minorität, welche durch gemeinsame poli¬
tische Grundsätze unter einander verbunden sind: die irische Brigade und die Man¬
chesterschule. Erstere haben wir bereits bei den Whigs abgehandelt, deren un¬
zuverlässige Verbündete sie waren, so lange Lord Russell am Ruder war. Die


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[0032] Das wichtigste derselben ist das „Eisenbahninteresse". Die Anzahl der Mit¬ glieder, welche blos gewählt sind, weil man sie für reich hält, und die ihren Reichthum durch Eisenbahnspeculationcn erworben haben, ist ziemlich groß. Der ni-ÄsvWt „Eisenbahnkönig" Hudson wurde nur deshalb ins Parlament geschickt, denn er besaß weder Bildung, noch Talente. Manche Stadt hat bei der Wahl auf ein zu jener Zeit schwebendes Eisenbahnproject Rücksicht genommen, und die großen Gesellschaften sind alle dnrch ihre Directoren vertreten, wie die Namen W. Russell, Glyn, Chaplin und andere zeigen. Die Harmonie im Schooße des Eisenbahninteresses ist nicht sehr groß. Dazu rivalisiren die Pläne und Pro- jecte der großen Compagnien zu oft mit einander. Sie streiten sich unter einan¬ der, und thun sich möglichsten Abbruch; aber es gilt von ihnen dasselbe, was Baillie Nicol Jarvie in Rob Roy von den Hochländern sagt: „Sie geben sich wol manchmal einen Stoß mit dem Dirk, oder einen Hieb mit dem Claymore, aber auf die Länge sind sie immer einig gegen Alle, die Geld in der Tasche haben." Die das Eisenbahninteresse vertretenden Parlamentsmitglieder zählen sich großentheils zu den Liberalen, weil die meisten Wahlkörperschästen liberal sind; einige sind aber auch conservativ, weil es von Nutzen für das Interesse ist, in allen Parteien Anknüpfungspunkte zu besitzen; jedoch Nichts kann die Vertreter des „Eisenbahninteresses" zu aufrichtigen und entschiedenen Verbündeten irgend einer Partei machen, deren politische Zwecke sie immer dem Privatinteresse ihres Com- mittenten unterordnen werden. Die großen Dampfpaketgesellschaften haben ebenfalls ihren Anhang, doch ist er bei weitem nicht so zahlreich und so compact, wie der oben erwähnte. Eine dieser Gesellschaften kann in dringenden Fällen über 2i Stimmen verfügen, die freilich verschiedenen Sectionen des Hauses angehören. Zunächst kommen nun eine Anzahl unabhängiger Mitglieder, die ans Grund¬ satz oder Charakterfehler sich von allen Parteiverbiudungcn fern halten. Es ist Schade, daß so bedeutende Talente, wie Sir W. Molesworth, dnrch diese Jso- lirung sich die Möglichkeit einer eingreifenden Wirksamkeit abschneiden. Roebuck und Oberst Thompson sind in einer ähnlichen Lage. Auch ein Chartist befindet sich unter den Unabhängigen: Feargus O'Connor, das Mitglied für Nottingham. Er erschien neulich unter dem schweren Verdacht, verrückt zu sein, vor Gericht; sein Schwindelunternehmen der Landbank hat ihn um alle Achtung gebracht; in politischem Ansehen hat er nie gestanden, und seinen Einfluß auf die Masse hat er längst verloren, seitdem der Chartismus vor dem wachsenden Wohlstande des Volkes verschwunden ist. Nur zwei Gruppen giebt es unter der Minorität, welche durch gemeinsame poli¬ tische Grundsätze unter einander verbunden sind: die irische Brigade und die Man¬ chesterschule. Erstere haben wir bereits bei den Whigs abgehandelt, deren un¬ zuverlässige Verbündete sie waren, so lange Lord Russell am Ruder war. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/32>, abgerufen am 24.07.2024.