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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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wird seiner künftigen Gemahlin nicht an anständiger Gesellschaft fehlen. Die große
Industrie ist freilich noch immer nicht von ihrem Schrecken zurückgekommen, und
die Bewegung des gegenwärtigen Lebens beschränkt sich auf die allernothwendigsten
Bedürfnisse unsrer Luxus gewohnten Stadt, aber das ist auch schon ein Gewinn
für eine Regierung und für einen politischen Zustand, dessen Geburtstag der
2. December ist. Dies mag Louis Bonaparte zufriedenstellen, das muß ihm
genügen, und es ist begreiflich, weiln er es ist, der seinen Freunden Geduld ein¬
flößt und seinem Throne und Kronen träumenden Generalstab ein wenig Mäßigung
auräth. Die industrielle Courtisanerie der Bourgeoisie, welche von jeher die
Schwächen ihrer Regierungen in mercantilischer Beziehung auszubeuten verstanden,
macht gemeinschaftliche Sache mit den empirischen Empirevorköchen, und die Aus¬
legekästen unsrer Magazine wetteifern in bonapartistischen Schaustellungen und
kaiserlichen Ausschmückungen der Gegenstände des gewöhnlichen Luxnsbedarss.
Dies verhindert sie nicht, im Geheimen die Frondeurs zu machen, und so weit
es unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich ist, auch ihren Opposttions-
gewohuheiteu zu huldigen. Aeußerlich thut Alles kaiserlich, um ja am verhängniß-
vollen Tage der voraussichtlichen Metamorphose bereit gefunden und von den
Siebenmeilenstiefeln der Concurrenz nicht überholt zu werdeu. Portraits des
Präsidenten in allen Farben und Größen, so wie auf allen Stoffen; Adler auf
allen Meubles; zu Schmeicheleien für den Neffen verarbeitete Episoden aus dem
Leben des Onkels -- sie treten uns aus jedem Gewölbe entgegen, und man kann
nicht umhin, die CassandraweiSheit der prvfitbeflissencn Industrie zu belächeln.
Daß die Theater auch nicht zurückbleiben können in ihren uapolevnistischen Ueber-
schwänglichkeiten, ^ersteht sich von selbst. Der Linzus national, welcher bisher
allein das Privilegium auf die kaiserliche Nase von Pappe und aus die in Scene
gesetzte Geschichte des imperialistischen Odysseus hatte, sieht plötzlich zwei Neben¬
buhler an seiner Seite erstehen, um nicht von einem dritten zu sprechen, welcher
in einem neu zu erbauenden Theater das Kolossalste, was in dieser Specialität
geleistet wurde, zu versuchen sich anstellt. Also vor der Hand haben wir drei
Napoleoniaden: den Kaiser zu Schönbrunn des Cirque, den Sohn des Kaisers
in der Gallo, und I.e memorial von Se. Helena im ^.abi^u LvmMs. Verstand
ist in keinem einzigen dieser Stücke, und Spectakel mit Nührscenen in allen. Das
Memorial von Se. Helena will mit dem Kabinette von Mr. Tissaud wetteisern,
denn der Erfolg, den es erwartete, war auf die Aehnlichkeit und naturgetreue
Copiruug des Kaisers und seiner Umgebung berechnet. Das ^mviAu vomiere
schrieb das Memorial von av las Las ^ ab, und die Schneider, so wie die Por¬
traits in Versailles, hatten das Uebrige zu leisten. Der Erfolg hat sich aber
trotzdem nicht eingefunden, denn diese Kaisergeschichten haben ihre Wirkung aus
die großen Massen in Paris verloren, und General Rosas, der hier erwartet wird,
könnte mehr Glück machen, als all die Napoleon's von Pappe unsrer Boulevard-


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wird seiner künftigen Gemahlin nicht an anständiger Gesellschaft fehlen. Die große
Industrie ist freilich noch immer nicht von ihrem Schrecken zurückgekommen, und
die Bewegung des gegenwärtigen Lebens beschränkt sich auf die allernothwendigsten
Bedürfnisse unsrer Luxus gewohnten Stadt, aber das ist auch schon ein Gewinn
für eine Regierung und für einen politischen Zustand, dessen Geburtstag der
2. December ist. Dies mag Louis Bonaparte zufriedenstellen, das muß ihm
genügen, und es ist begreiflich, weiln er es ist, der seinen Freunden Geduld ein¬
flößt und seinem Throne und Kronen träumenden Generalstab ein wenig Mäßigung
auräth. Die industrielle Courtisanerie der Bourgeoisie, welche von jeher die
Schwächen ihrer Regierungen in mercantilischer Beziehung auszubeuten verstanden,
macht gemeinschaftliche Sache mit den empirischen Empirevorköchen, und die Aus¬
legekästen unsrer Magazine wetteifern in bonapartistischen Schaustellungen und
kaiserlichen Ausschmückungen der Gegenstände des gewöhnlichen Luxnsbedarss.
Dies verhindert sie nicht, im Geheimen die Frondeurs zu machen, und so weit
es unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich ist, auch ihren Opposttions-
gewohuheiteu zu huldigen. Aeußerlich thut Alles kaiserlich, um ja am verhängniß-
vollen Tage der voraussichtlichen Metamorphose bereit gefunden und von den
Siebenmeilenstiefeln der Concurrenz nicht überholt zu werdeu. Portraits des
Präsidenten in allen Farben und Größen, so wie auf allen Stoffen; Adler auf
allen Meubles; zu Schmeicheleien für den Neffen verarbeitete Episoden aus dem
Leben des Onkels — sie treten uns aus jedem Gewölbe entgegen, und man kann
nicht umhin, die CassandraweiSheit der prvfitbeflissencn Industrie zu belächeln.
Daß die Theater auch nicht zurückbleiben können in ihren uapolevnistischen Ueber-
schwänglichkeiten, ^ersteht sich von selbst. Der Linzus national, welcher bisher
allein das Privilegium auf die kaiserliche Nase von Pappe und aus die in Scene
gesetzte Geschichte des imperialistischen Odysseus hatte, sieht plötzlich zwei Neben¬
buhler an seiner Seite erstehen, um nicht von einem dritten zu sprechen, welcher
in einem neu zu erbauenden Theater das Kolossalste, was in dieser Specialität
geleistet wurde, zu versuchen sich anstellt. Also vor der Hand haben wir drei
Napoleoniaden: den Kaiser zu Schönbrunn des Cirque, den Sohn des Kaisers
in der Gallo, und I.e memorial von Se. Helena im ^.abi^u LvmMs. Verstand
ist in keinem einzigen dieser Stücke, und Spectakel mit Nührscenen in allen. Das
Memorial von Se. Helena will mit dem Kabinette von Mr. Tissaud wetteisern,
denn der Erfolg, den es erwartete, war auf die Aehnlichkeit und naturgetreue
Copiruug des Kaisers und seiner Umgebung berechnet. Das ^mviAu vomiere
schrieb das Memorial von av las Las ^ ab, und die Schneider, so wie die Por¬
traits in Versailles, hatten das Uebrige zu leisten. Der Erfolg hat sich aber
trotzdem nicht eingefunden, denn diese Kaisergeschichten haben ihre Wirkung aus
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[0317] wird seiner künftigen Gemahlin nicht an anständiger Gesellschaft fehlen. Die große Industrie ist freilich noch immer nicht von ihrem Schrecken zurückgekommen, und die Bewegung des gegenwärtigen Lebens beschränkt sich auf die allernothwendigsten Bedürfnisse unsrer Luxus gewohnten Stadt, aber das ist auch schon ein Gewinn für eine Regierung und für einen politischen Zustand, dessen Geburtstag der 2. December ist. Dies mag Louis Bonaparte zufriedenstellen, das muß ihm genügen, und es ist begreiflich, weiln er es ist, der seinen Freunden Geduld ein¬ flößt und seinem Throne und Kronen träumenden Generalstab ein wenig Mäßigung auräth. Die industrielle Courtisanerie der Bourgeoisie, welche von jeher die Schwächen ihrer Regierungen in mercantilischer Beziehung auszubeuten verstanden, macht gemeinschaftliche Sache mit den empirischen Empirevorköchen, und die Aus¬ legekästen unsrer Magazine wetteifern in bonapartistischen Schaustellungen und kaiserlichen Ausschmückungen der Gegenstände des gewöhnlichen Luxnsbedarss. Dies verhindert sie nicht, im Geheimen die Frondeurs zu machen, und so weit es unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich ist, auch ihren Opposttions- gewohuheiteu zu huldigen. Aeußerlich thut Alles kaiserlich, um ja am verhängniß- vollen Tage der voraussichtlichen Metamorphose bereit gefunden und von den Siebenmeilenstiefeln der Concurrenz nicht überholt zu werdeu. Portraits des Präsidenten in allen Farben und Größen, so wie auf allen Stoffen; Adler auf allen Meubles; zu Schmeicheleien für den Neffen verarbeitete Episoden aus dem Leben des Onkels — sie treten uns aus jedem Gewölbe entgegen, und man kann nicht umhin, die CassandraweiSheit der prvfitbeflissencn Industrie zu belächeln. Daß die Theater auch nicht zurückbleiben können in ihren uapolevnistischen Ueber- schwänglichkeiten, ^ersteht sich von selbst. Der Linzus national, welcher bisher allein das Privilegium auf die kaiserliche Nase von Pappe und aus die in Scene gesetzte Geschichte des imperialistischen Odysseus hatte, sieht plötzlich zwei Neben¬ buhler an seiner Seite erstehen, um nicht von einem dritten zu sprechen, welcher in einem neu zu erbauenden Theater das Kolossalste, was in dieser Specialität geleistet wurde, zu versuchen sich anstellt. Also vor der Hand haben wir drei Napoleoniaden: den Kaiser zu Schönbrunn des Cirque, den Sohn des Kaisers in der Gallo, und I.e memorial von Se. Helena im ^.abi^u LvmMs. Verstand ist in keinem einzigen dieser Stücke, und Spectakel mit Nührscenen in allen. Das Memorial von Se. Helena will mit dem Kabinette von Mr. Tissaud wetteisern, denn der Erfolg, den es erwartete, war auf die Aehnlichkeit und naturgetreue Copiruug des Kaisers und seiner Umgebung berechnet. Das ^mviAu vomiere schrieb das Memorial von av las Las ^ ab, und die Schneider, so wie die Por¬ traits in Versailles, hatten das Uebrige zu leisten. Der Erfolg hat sich aber trotzdem nicht eingefunden, denn diese Kaisergeschichten haben ihre Wirkung aus die großen Massen in Paris verloren, und General Rosas, der hier erwartet wird, könnte mehr Glück machen, als all die Napoleon's von Pappe unsrer Boulevard- Grenzboteu. it. ->8L2- ' > 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/317>, abgerufen am 04.07.2024.