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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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fand eine Verschmelzung nicht statt. Und als Sir N. Peel und seine Anhänger
abtraten, wurden sie durch die Whigs ersetzt. Die Whigs und die Canningiten
waren nach Canning's Tode Verbündete; die Whigs und die Peeliten standen sich
nach Sir N. Peel's Tode als Gegner gegenüber. Als die Tones 1830 geschlagen
wurden, hatten die vereinigten Whigs und Canningiten eine der Anzahl der'frei-
gewordenen Stellen genau entsprechende Anzahl von Kandidaten. 1832 haben
sowohl die Whigs, wie die Peeliten, in den eigenen Reihen die nöthige Anzahl
von Platzbedürftigen, und eine Verschmelzung der beiden Parteien könnte nur
dnrch ein Comprvmiß unter den Stellencaudidaten, von denen sich die eine Hälfte
aller Ansprüche begeben müßte, bewerkstelligt werden. Aber das ist noch nicht
die größte Schwierigkeit. Das Whig-Canningiten Ministerium war außerhalb
des Parlaments von einer Whig-,Canningitenpartei unterstützt. Die Führer der
Canningiten waren in den alten Wählerschaften so stark, und vielleicht noch stärker
als die Whigs. Aber obgleich ein Bündniß mit den Peeliten den Whigs einen
nicht unbeträchtlichen Zuwachs von Verwaltungstalent verschaffen würde, so kämen
ihnen doch nur die Stimmen im Unterhause zu Gute, und selbst diese nicht, wenn
eine Neuwahl stattfinden müßte. Die politische Partei ist ein Regiment, das
lauter Officiere und keine Gemeinen hat. Die, welche noch im Unterhause sitzen,
haben daselbst keinen Anhang, und den wenigsten würde es bei einer Auflösung des
Parlaments gelingen, ihre Wiederwahl zu bewerkstelligen. Das geht ganz natürlich
zu. Die Peeliten verdanken ihre Entstehung dem letzten Bruch in der Torypartei,
der eine Veruueiuigung der Führer, mit ihren Anhängern war. Erstere, die In¬
telligenz der Partei, folgten Peel's Freihandelssahne; die Masse der Partei hält
an den alten Toryvorurtheileu fest. Daher fehlt es den Toryprotectionisten an
Führern, und sie haben ehemalige Whigs und politische Emporkömmlinge/' für
die sie keine wahre Sympathie fühlen, und denen sie stets mit Mißtrauen folgen,
an ihre Spitze stellen müssen. Die Peeliten sind gerade in dem umgekehrten
Falle: die ehemaligen Torhführer können keine Anhänger finden. Dieser Umstand
ist stets einer Vereinigung mit den Whigs entgegengetreten. Es ist hin utid her
verhandelt worden; Sir James Graham wäre wol ins Ministerium getreten, und
Lord Russell hätte ihn mit offenen Armen aufgenommen, aber dann müßte sich
Sir James einer neuen Wahl unterwerfen, und es ist -sehr zweifelhaft, ob er
dabei gesiegt hätte. Dasselbe war mit Cardwell und Sidney Herbert der Fall.
Ein Bündniß mit den Peeliten macht daher die Whigs nicht stärker in den Wäh¬
lerschaften, kann die Anzahl ihrer Stimmen im Unterhause nicht vermehren, und
verschafft ihnen zwar einen Zuwachs von administrativen Talenten, aber auf Kosten
eines Theils der geringen Popularität, welche die Partei noch besitzt.

Sir I. Grccham's administrative Fähigkeit ist unbezweifelt. Jede Partei-
coalition würde gern seine Dienste in dem einen oder dem andern Departements
in Anspruch nehmen. Aber keine Partei macht ein Geheimniß daraus, daß


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fand eine Verschmelzung nicht statt. Und als Sir N. Peel und seine Anhänger
abtraten, wurden sie durch die Whigs ersetzt. Die Whigs und die Canningiten
waren nach Canning's Tode Verbündete; die Whigs und die Peeliten standen sich
nach Sir N. Peel's Tode als Gegner gegenüber. Als die Tones 1830 geschlagen
wurden, hatten die vereinigten Whigs und Canningiten eine der Anzahl der'frei-
gewordenen Stellen genau entsprechende Anzahl von Kandidaten. 1832 haben
sowohl die Whigs, wie die Peeliten, in den eigenen Reihen die nöthige Anzahl
von Platzbedürftigen, und eine Verschmelzung der beiden Parteien könnte nur
dnrch ein Comprvmiß unter den Stellencaudidaten, von denen sich die eine Hälfte
aller Ansprüche begeben müßte, bewerkstelligt werden. Aber das ist noch nicht
die größte Schwierigkeit. Das Whig-Canningiten Ministerium war außerhalb
des Parlaments von einer Whig-,Canningitenpartei unterstützt. Die Führer der
Canningiten waren in den alten Wählerschaften so stark, und vielleicht noch stärker
als die Whigs. Aber obgleich ein Bündniß mit den Peeliten den Whigs einen
nicht unbeträchtlichen Zuwachs von Verwaltungstalent verschaffen würde, so kämen
ihnen doch nur die Stimmen im Unterhause zu Gute, und selbst diese nicht, wenn
eine Neuwahl stattfinden müßte. Die politische Partei ist ein Regiment, das
lauter Officiere und keine Gemeinen hat. Die, welche noch im Unterhause sitzen,
haben daselbst keinen Anhang, und den wenigsten würde es bei einer Auflösung des
Parlaments gelingen, ihre Wiederwahl zu bewerkstelligen. Das geht ganz natürlich
zu. Die Peeliten verdanken ihre Entstehung dem letzten Bruch in der Torypartei,
der eine Veruueiuigung der Führer, mit ihren Anhängern war. Erstere, die In¬
telligenz der Partei, folgten Peel's Freihandelssahne; die Masse der Partei hält
an den alten Toryvorurtheileu fest. Daher fehlt es den Toryprotectionisten an
Führern, und sie haben ehemalige Whigs und politische Emporkömmlinge/' für
die sie keine wahre Sympathie fühlen, und denen sie stets mit Mißtrauen folgen,
an ihre Spitze stellen müssen. Die Peeliten sind gerade in dem umgekehrten
Falle: die ehemaligen Torhführer können keine Anhänger finden. Dieser Umstand
ist stets einer Vereinigung mit den Whigs entgegengetreten. Es ist hin utid her
verhandelt worden; Sir James Graham wäre wol ins Ministerium getreten, und
Lord Russell hätte ihn mit offenen Armen aufgenommen, aber dann müßte sich
Sir James einer neuen Wahl unterwerfen, und es ist -sehr zweifelhaft, ob er
dabei gesiegt hätte. Dasselbe war mit Cardwell und Sidney Herbert der Fall.
Ein Bündniß mit den Peeliten macht daher die Whigs nicht stärker in den Wäh¬
lerschaften, kann die Anzahl ihrer Stimmen im Unterhause nicht vermehren, und
verschafft ihnen zwar einen Zuwachs von administrativen Talenten, aber auf Kosten
eines Theils der geringen Popularität, welche die Partei noch besitzt.

Sir I. Grccham's administrative Fähigkeit ist unbezweifelt. Jede Partei-
coalition würde gern seine Dienste in dem einen oder dem andern Departements
in Anspruch nehmen. Aber keine Partei macht ein Geheimniß daraus, daß


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[0029] fand eine Verschmelzung nicht statt. Und als Sir N. Peel und seine Anhänger abtraten, wurden sie durch die Whigs ersetzt. Die Whigs und die Canningiten waren nach Canning's Tode Verbündete; die Whigs und die Peeliten standen sich nach Sir N. Peel's Tode als Gegner gegenüber. Als die Tones 1830 geschlagen wurden, hatten die vereinigten Whigs und Canningiten eine der Anzahl der'frei- gewordenen Stellen genau entsprechende Anzahl von Kandidaten. 1832 haben sowohl die Whigs, wie die Peeliten, in den eigenen Reihen die nöthige Anzahl von Platzbedürftigen, und eine Verschmelzung der beiden Parteien könnte nur dnrch ein Comprvmiß unter den Stellencaudidaten, von denen sich die eine Hälfte aller Ansprüche begeben müßte, bewerkstelligt werden. Aber das ist noch nicht die größte Schwierigkeit. Das Whig-Canningiten Ministerium war außerhalb des Parlaments von einer Whig-,Canningitenpartei unterstützt. Die Führer der Canningiten waren in den alten Wählerschaften so stark, und vielleicht noch stärker als die Whigs. Aber obgleich ein Bündniß mit den Peeliten den Whigs einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs von Verwaltungstalent verschaffen würde, so kämen ihnen doch nur die Stimmen im Unterhause zu Gute, und selbst diese nicht, wenn eine Neuwahl stattfinden müßte. Die politische Partei ist ein Regiment, das lauter Officiere und keine Gemeinen hat. Die, welche noch im Unterhause sitzen, haben daselbst keinen Anhang, und den wenigsten würde es bei einer Auflösung des Parlaments gelingen, ihre Wiederwahl zu bewerkstelligen. Das geht ganz natürlich zu. Die Peeliten verdanken ihre Entstehung dem letzten Bruch in der Torypartei, der eine Veruueiuigung der Führer, mit ihren Anhängern war. Erstere, die In¬ telligenz der Partei, folgten Peel's Freihandelssahne; die Masse der Partei hält an den alten Toryvorurtheileu fest. Daher fehlt es den Toryprotectionisten an Führern, und sie haben ehemalige Whigs und politische Emporkömmlinge/' für die sie keine wahre Sympathie fühlen, und denen sie stets mit Mißtrauen folgen, an ihre Spitze stellen müssen. Die Peeliten sind gerade in dem umgekehrten Falle: die ehemaligen Torhführer können keine Anhänger finden. Dieser Umstand ist stets einer Vereinigung mit den Whigs entgegengetreten. Es ist hin utid her verhandelt worden; Sir James Graham wäre wol ins Ministerium getreten, und Lord Russell hätte ihn mit offenen Armen aufgenommen, aber dann müßte sich Sir James einer neuen Wahl unterwerfen, und es ist -sehr zweifelhaft, ob er dabei gesiegt hätte. Dasselbe war mit Cardwell und Sidney Herbert der Fall. Ein Bündniß mit den Peeliten macht daher die Whigs nicht stärker in den Wäh¬ lerschaften, kann die Anzahl ihrer Stimmen im Unterhause nicht vermehren, und verschafft ihnen zwar einen Zuwachs von administrativen Talenten, aber auf Kosten eines Theils der geringen Popularität, welche die Partei noch besitzt. Sir I. Grccham's administrative Fähigkeit ist unbezweifelt. Jede Partei- coalition würde gern seine Dienste in dem einen oder dem andern Departements in Anspruch nehmen. Aber keine Partei macht ein Geheimniß daraus, daß 3*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/29>, abgerufen am 04.07.2024.