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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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tritt. Die Beleuchtung ist mit eben so viel künstlerischem Jnstincte als natur¬
gemäß gewählt, und in seinen Köpfen spricht sich so viel Leben und Wahrheit
ans, daß man diese Bilder nicht mehr vergessen kann, wenn man sie auch nur
einmal gesehen. Riecard versteht es dabei, seine portraitirten Gegenstände so
weit zu idealisiren, als es die Berücksichtigung der Aehnlichkeit gestattet; er faßt
die verschiedensten Individualitäten mit gleicher Richtigkeit auf, und seine Por¬
traits sind daher wahre Charaktergemälde. Unter seinen ausgestellten drei Bildern
ziehen das > Portrait eines Advocaten und ein weiblicher Studicnkopf die Auf¬
merksamkeit aus sich. Die Augen blicken lebendig und klug aus diesen weißen Ge¬
sichtern zu uns herunter, und Riccard's Art, die Haare zu malen, gemahnt an
Tizian's Pinsel. Mit der Zeichnung ist er nicht immer glücklich, und wo er sich
über die Büste hinauswagt, dort sind seine Leistungen i minder vollendet. Neben
Riccard machen sich Häbert's Portraits bemerklich. Es ist derselbe Hubert, dessen
Uria nativa die Krone der vorjährigen Ausstellung gewesen, und von welcher
auch in diesen Blättern rühmend Erwähnung geschehen. Hubert brachte dieses
Mal das Portrait einer schwindsüchtiger Marseillerin, welche zu den entgegenge¬
setztesten Meinungen Anlaß giebt. Das junge, lange, hagere Fräulein mit zur
Seite geneigtem Kopfe, der von einer eigenthümlichen Krone von blonden Locken
umgeben ist, sitzt auf einem Rasen, der an eine Wand von Laub lehnt, so daß der
ganze Hintergrund von diesem Lanbe gebildet wird. Die Komposition ist absonderlich,
die Farbe gelb wächsern, die Hände und der Teint etwas zu durchsichtig, aber
im Ganzen spricht sich in dem Bilde doch ein bedeutendes Talent aus. Neben
dieser Marseiller Blondine, die schon darum eine Seltenheit ist, stellte Hebert
noch das Portrait einer gesund aussehenden Brünette. Das Bild dieser
Dame ist gewinnend für Diese, wie für den Maler. Sie blickt gutmüthig
und mit unbewußter Liebenswürdigkeit in die Welt, und die schone ebenmäßige
Gestalt, die runden, nicht zu üppigen Formen sind mit viel Weichheit und Zart¬
heit wiedergegeben. Die Haare sind reichwüchsig und die Farbe ganz gelungen,
und wir haben an dem Bilde Nichts als die Hände auszusetzen, die wie ans Mar¬
mor gemeißelt scheinen, und nicht beweglich, nicht fleischlich genug scheinen.

Auch Henri Lehmann schickte außer einer kleinen poetischen Allegorie blos
Portraits in den Salon. Das Bildniß einer Creolin gehört zu den coquettesten,
reizendsten Portraits dieses Malers. Wir können nicht sagen, ob die Farbe wirklich
hart sei, wie Einige behaupten, oder ob die Zeichnung der Figur etwas zu starr, ich
habe der schönen Creolin immer in die flammenden Blicke sehen müssen. Die
sagen so viel! Der Mann dieser Dame mag nicht eisersüchtig sein, darauf
wagte ich eine Wette einzugehen, sonst würde er sich nimmer dazu verstanden
haben, das Portrait seiner Frau in die Allsstellung zu hängen. Von Leon
Coignet ist ein gelungenes, aber etwas prätentiöses Portrait einer Herzogin zu
sehen, das viele Bewunderer findet. Ton und Farbe sind würdig gehalten, aber


tritt. Die Beleuchtung ist mit eben so viel künstlerischem Jnstincte als natur¬
gemäß gewählt, und in seinen Köpfen spricht sich so viel Leben und Wahrheit
ans, daß man diese Bilder nicht mehr vergessen kann, wenn man sie auch nur
einmal gesehen. Riecard versteht es dabei, seine portraitirten Gegenstände so
weit zu idealisiren, als es die Berücksichtigung der Aehnlichkeit gestattet; er faßt
die verschiedensten Individualitäten mit gleicher Richtigkeit auf, und seine Por¬
traits sind daher wahre Charaktergemälde. Unter seinen ausgestellten drei Bildern
ziehen das > Portrait eines Advocaten und ein weiblicher Studicnkopf die Auf¬
merksamkeit aus sich. Die Augen blicken lebendig und klug aus diesen weißen Ge¬
sichtern zu uns herunter, und Riccard's Art, die Haare zu malen, gemahnt an
Tizian's Pinsel. Mit der Zeichnung ist er nicht immer glücklich, und wo er sich
über die Büste hinauswagt, dort sind seine Leistungen i minder vollendet. Neben
Riccard machen sich Häbert's Portraits bemerklich. Es ist derselbe Hubert, dessen
Uria nativa die Krone der vorjährigen Ausstellung gewesen, und von welcher
auch in diesen Blättern rühmend Erwähnung geschehen. Hubert brachte dieses
Mal das Portrait einer schwindsüchtiger Marseillerin, welche zu den entgegenge¬
setztesten Meinungen Anlaß giebt. Das junge, lange, hagere Fräulein mit zur
Seite geneigtem Kopfe, der von einer eigenthümlichen Krone von blonden Locken
umgeben ist, sitzt auf einem Rasen, der an eine Wand von Laub lehnt, so daß der
ganze Hintergrund von diesem Lanbe gebildet wird. Die Komposition ist absonderlich,
die Farbe gelb wächsern, die Hände und der Teint etwas zu durchsichtig, aber
im Ganzen spricht sich in dem Bilde doch ein bedeutendes Talent aus. Neben
dieser Marseiller Blondine, die schon darum eine Seltenheit ist, stellte Hebert
noch das Portrait einer gesund aussehenden Brünette. Das Bild dieser
Dame ist gewinnend für Diese, wie für den Maler. Sie blickt gutmüthig
und mit unbewußter Liebenswürdigkeit in die Welt, und die schone ebenmäßige
Gestalt, die runden, nicht zu üppigen Formen sind mit viel Weichheit und Zart¬
heit wiedergegeben. Die Haare sind reichwüchsig und die Farbe ganz gelungen,
und wir haben an dem Bilde Nichts als die Hände auszusetzen, die wie ans Mar¬
mor gemeißelt scheinen, und nicht beweglich, nicht fleischlich genug scheinen.

Auch Henri Lehmann schickte außer einer kleinen poetischen Allegorie blos
Portraits in den Salon. Das Bildniß einer Creolin gehört zu den coquettesten,
reizendsten Portraits dieses Malers. Wir können nicht sagen, ob die Farbe wirklich
hart sei, wie Einige behaupten, oder ob die Zeichnung der Figur etwas zu starr, ich
habe der schönen Creolin immer in die flammenden Blicke sehen müssen. Die
sagen so viel! Der Mann dieser Dame mag nicht eisersüchtig sein, darauf
wagte ich eine Wette einzugehen, sonst würde er sich nimmer dazu verstanden
haben, das Portrait seiner Frau in die Allsstellung zu hängen. Von Leon
Coignet ist ein gelungenes, aber etwas prätentiöses Portrait einer Herzogin zu
sehen, das viele Bewunderer findet. Ton und Farbe sind würdig gehalten, aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/263>, abgerufen am 24.07.2024.