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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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hauptsächlich darauf gerichtet sein, durch gelungene Orchestervvrträge und sorg¬
fältigere Programme den Glanz zu ersetzen, den das reich dotirte Gewandhaus
um sich zu strahlen vermag. Es ist bis jetzt immer noch keine Garantie für das
Bestehen des Instituts gegeben. Ein Fond, der bei unzureichenden Einnahmen
zur Deckung der Kosten benutzt würde, ist nicht vorhanden, vielmehr hängt es in
jedem neuen Jahre von der reichlichern oder geringern Unterzeichnung ab, ob die
Concerte überhaupt stattfinden können.

Auf solche Weise hänge" die Aufführungen des Vereins nur vom Zufalle ab,
und auch im günstigsten Falle bleibt der Lohn für das brave Orchester ein so
geringer, daß nur die Freude an der Kunst als wirkliche Belohnung angesehen
werden muß. Bei der so regen Theilnahme des hiesigen Publicums an guter
Musik und bei dem wirklichen Bedürfnisse eines zweiten Concertinstituts für min¬
der reiche Kunstliebhaber wäre dem Vereine eine thatsächliche Hilfe recht ersprie߬
lich. Tritt diese nicht el", oder bequemt sich das Publicum nicht zu höherem
Abonnementspreise und bedeutenderem Eintrittsgelde, so steht die Existenz des
Vereins überhaupt auf dem Spiele, und er kann bei seinem Untergange sich nnr
mit dem Gefühle trösten, uneigennützig und aufopfernd für höhern Kunstgenuß
gesorgt zu haben. Die musikalische Leitung befand sich in den vorhergehenden
Jahren in den Händen des Musikdirectors Riccius. Die in 9 Concerten auf¬
geführten Orchesterwcrke sind folgende: von Beethoven die 2., i. und S. Sym¬
phonie; von Mozart die Symphonien in Ls und v Dur mit der Schlußfuge; von
Spohr "die Weihe der Töne"; von Schumann die dritte Symphonie in clur
in S Sätzen; Gabe's e moll-Symphonie (Ur. 1) und eine neue von Wilh.
Westmayer aus Hannover. Ouvertüren: von Beethoven: Leonore (Ur. 2),
Coriolan, Egmont und König Stephan; von Weber: Oberon und Freischütz;
von Rossini: Teil; von Mendelssohn: die Hebriden und Ruy Blas; von
Cherubini: Wasserträger; von Mozart: Zauberflöte; von Gluck: Iphigenie in
Antis. - Neue Werke siud die Symphonien von Rob. Schumann und von West¬
mayer. Ferner die Ouvertüre zu Ruy Blas von Mendelssohn. Wcstmayer's
Composition steht den beiden von Goltermann und Herrmann in der technischen
Ausführung bei weitem nach; der junge Komponist hat sich uoch nicht der Summe
von Kenntnissen bemächtigt, um ein so großes Jnstrnmentalwcrk richtig anzu¬
legen und auszuführen. Wenn die Symphonie dennoch anch bei den Kennern gün¬
stige Aufnahme fand, so geschah dies deshalb am meisten, weil man mit Freuden
eine sclavische Abhängigkeit von der jetzt herrschenden Autorität in ihr vermißte,
einzelne Sätze sogar Zeichen von Originalität verriethen. Noch mehr ist daran
zu rühmen die Bescheidenheit im Gebrauche der Jnstrumentalmittel; ein richtiger
Instinct hatte den Komponisten verhindert, die einfache Haltung der Motive durch
übervolle Jnstrumentation prahlerisch auszuputzen. Die Zusammenstellung der
Instrumente und die damit zusammenhängenden Klangwirkungen gaben überall den


hauptsächlich darauf gerichtet sein, durch gelungene Orchestervvrträge und sorg¬
fältigere Programme den Glanz zu ersetzen, den das reich dotirte Gewandhaus
um sich zu strahlen vermag. Es ist bis jetzt immer noch keine Garantie für das
Bestehen des Instituts gegeben. Ein Fond, der bei unzureichenden Einnahmen
zur Deckung der Kosten benutzt würde, ist nicht vorhanden, vielmehr hängt es in
jedem neuen Jahre von der reichlichern oder geringern Unterzeichnung ab, ob die
Concerte überhaupt stattfinden können.

Auf solche Weise hänge» die Aufführungen des Vereins nur vom Zufalle ab,
und auch im günstigsten Falle bleibt der Lohn für das brave Orchester ein so
geringer, daß nur die Freude an der Kunst als wirkliche Belohnung angesehen
werden muß. Bei der so regen Theilnahme des hiesigen Publicums an guter
Musik und bei dem wirklichen Bedürfnisse eines zweiten Concertinstituts für min¬
der reiche Kunstliebhaber wäre dem Vereine eine thatsächliche Hilfe recht ersprie߬
lich. Tritt diese nicht el«, oder bequemt sich das Publicum nicht zu höherem
Abonnementspreise und bedeutenderem Eintrittsgelde, so steht die Existenz des
Vereins überhaupt auf dem Spiele, und er kann bei seinem Untergange sich nnr
mit dem Gefühle trösten, uneigennützig und aufopfernd für höhern Kunstgenuß
gesorgt zu haben. Die musikalische Leitung befand sich in den vorhergehenden
Jahren in den Händen des Musikdirectors Riccius. Die in 9 Concerten auf¬
geführten Orchesterwcrke sind folgende: von Beethoven die 2., i. und S. Sym¬
phonie; von Mozart die Symphonien in Ls und v Dur mit der Schlußfuge; von
Spohr „die Weihe der Töne"; von Schumann die dritte Symphonie in clur
in S Sätzen; Gabe's e moll-Symphonie (Ur. 1) und eine neue von Wilh.
Westmayer aus Hannover. Ouvertüren: von Beethoven: Leonore (Ur. 2),
Coriolan, Egmont und König Stephan; von Weber: Oberon und Freischütz;
von Rossini: Teil; von Mendelssohn: die Hebriden und Ruy Blas; von
Cherubini: Wasserträger; von Mozart: Zauberflöte; von Gluck: Iphigenie in
Antis. - Neue Werke siud die Symphonien von Rob. Schumann und von West¬
mayer. Ferner die Ouvertüre zu Ruy Blas von Mendelssohn. Wcstmayer's
Composition steht den beiden von Goltermann und Herrmann in der technischen
Ausführung bei weitem nach; der junge Komponist hat sich uoch nicht der Summe
von Kenntnissen bemächtigt, um ein so großes Jnstrnmentalwcrk richtig anzu¬
legen und auszuführen. Wenn die Symphonie dennoch anch bei den Kennern gün¬
stige Aufnahme fand, so geschah dies deshalb am meisten, weil man mit Freuden
eine sclavische Abhängigkeit von der jetzt herrschenden Autorität in ihr vermißte,
einzelne Sätze sogar Zeichen von Originalität verriethen. Noch mehr ist daran
zu rühmen die Bescheidenheit im Gebrauche der Jnstrumentalmittel; ein richtiger
Instinct hatte den Komponisten verhindert, die einfache Haltung der Motive durch
übervolle Jnstrumentation prahlerisch auszuputzen. Die Zusammenstellung der
Instrumente und die damit zusammenhängenden Klangwirkungen gaben überall den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/233>, abgerufen am 25.07.2024.