Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Sitz ein Herd in diesen alterthümlichen Häusern ist mit Recht der
Lieblingsplatz Aller; hier sammeln sich die arbeitsmüden Hausbewohner am Abend
um das glimmende Feuer; hier wird dem Gcistfrennde und einkehrenden Wan¬
derer ein Stuhl gestellt. Abends, wenn draußen der Sturm die Haide fegt,
ist es doppelt schön in der weiten, behaglich warmen Halle, inmitten eines Kreises
seltsam beleuchteter Menschen, die um das Feuer gruppirt sind. Vielleicht be¬
richtet Einer von dem Zuge nach Schleswig-Holstein, den er in den oldenburger
Regimentern mitgemacht, oder von den Abenteuern, die er als Matrose ans der
See und in fremden Landen erlebt, indeß die Anderen, ihr Pfeifchen schmauchend,
sitzend und stehend um ihn lauschen; indeß das Viel), theils aufrecht, theils aus
den Knien ruhend, die Kopfe nach den Menschen wendet, als ob es auch an
der Erzählung Theil nähme.

Die wichtige Rolle, die das Feuer in diesen Häusern spielt, drückt sich auch
im Sprichwort aus. "Er geht mir vor's Feuer", sagt der Vater von einem
Freier, der geradezu um die Tochter wirbt. Ost bedingt sich der abtretende
Colonus von dem neuen Hausbesitzer "einen Platz beim Feuer". Dies ist nicht
wie der cow ein den der Franzosen zu verstehen , sondern bedeutet den freien
Aufenthalt im ganzen Hause.

Das Herdfeuer brennt, oder glimmt wenigstens, Tag und Nacht; ist doch
der Tors ein sehr billiges Brennmaterial. Ueberdies haben sehr viele Bauern
ein Stück Land auf ihrer Stelle, von dem sie den nöthigen Torf gewinnen; selbst
in der Marsch sind, wo dies irgend angeht, die Stellen so angelegt, daß sie bis
ins Moor reichen, damit der Bauer seinen Brandbedarf nicht zu kaufen nöthig
habe, wie denn überhaupt die Verbindung der Marsch-, Moor- und Geestcultur
der Landwirthschaft den meisten Vortheil bringt. Nur bei des Hausherrn Tode
wird nach altem Brauch das Feuer gelöscht; selbst die Heuerleute thun dies und
fordern den Erben ans, die Glut auf ihrem Herde wieder zu wecken. Der
Wehrfester selber führt dann im Münsterlande seinen Heuermann dreimal um's
Feuer, um ihn einzufesten.

Vor der Ostseite des Hauses, also vor den Stuben, wenn solche vorhanden
sind, liegt der Gemüsegarten, worin auch einem Paar Blumen eine Stelle vergönnt
ist. Weiterhin umschließen den Hof die Ackerfelder, Wiesen, Weiden und Hol¬
zungen der Stelle. Die Gemeindeflur führt den Namen Esch; unter Mark
versteht man dagegen das ungetheilte, meist unangebaute Laud der Gemeinde,
das dnrch Wall und Graben abgegrenzt zu sein pflegt.

Die oben gegebene Beschreibung der oldenburger Bauerwohnungen paßt
übrigens auch /auf viele Pfarren und andere Häuser auf dem Lande, die eben
nicht Bauern angehören, wenigstens dem Grundcharakter nach, in sofern Wohn¬
haus, Stall und Scheune unter einem Dache vereinigt sind. Ich habe indessen
bei dieser Beschreibung mehr die Geest als die Marsch, und besonders das


Der Sitz ein Herd in diesen alterthümlichen Häusern ist mit Recht der
Lieblingsplatz Aller; hier sammeln sich die arbeitsmüden Hausbewohner am Abend
um das glimmende Feuer; hier wird dem Gcistfrennde und einkehrenden Wan¬
derer ein Stuhl gestellt. Abends, wenn draußen der Sturm die Haide fegt,
ist es doppelt schön in der weiten, behaglich warmen Halle, inmitten eines Kreises
seltsam beleuchteter Menschen, die um das Feuer gruppirt sind. Vielleicht be¬
richtet Einer von dem Zuge nach Schleswig-Holstein, den er in den oldenburger
Regimentern mitgemacht, oder von den Abenteuern, die er als Matrose ans der
See und in fremden Landen erlebt, indeß die Anderen, ihr Pfeifchen schmauchend,
sitzend und stehend um ihn lauschen; indeß das Viel), theils aufrecht, theils aus
den Knien ruhend, die Kopfe nach den Menschen wendet, als ob es auch an
der Erzählung Theil nähme.

Die wichtige Rolle, die das Feuer in diesen Häusern spielt, drückt sich auch
im Sprichwort aus. „Er geht mir vor's Feuer", sagt der Vater von einem
Freier, der geradezu um die Tochter wirbt. Ost bedingt sich der abtretende
Colonus von dem neuen Hausbesitzer „einen Platz beim Feuer". Dies ist nicht
wie der cow ein den der Franzosen zu verstehen , sondern bedeutet den freien
Aufenthalt im ganzen Hause.

Das Herdfeuer brennt, oder glimmt wenigstens, Tag und Nacht; ist doch
der Tors ein sehr billiges Brennmaterial. Ueberdies haben sehr viele Bauern
ein Stück Land auf ihrer Stelle, von dem sie den nöthigen Torf gewinnen; selbst
in der Marsch sind, wo dies irgend angeht, die Stellen so angelegt, daß sie bis
ins Moor reichen, damit der Bauer seinen Brandbedarf nicht zu kaufen nöthig
habe, wie denn überhaupt die Verbindung der Marsch-, Moor- und Geestcultur
der Landwirthschaft den meisten Vortheil bringt. Nur bei des Hausherrn Tode
wird nach altem Brauch das Feuer gelöscht; selbst die Heuerleute thun dies und
fordern den Erben ans, die Glut auf ihrem Herde wieder zu wecken. Der
Wehrfester selber führt dann im Münsterlande seinen Heuermann dreimal um's
Feuer, um ihn einzufesten.

Vor der Ostseite des Hauses, also vor den Stuben, wenn solche vorhanden
sind, liegt der Gemüsegarten, worin auch einem Paar Blumen eine Stelle vergönnt
ist. Weiterhin umschließen den Hof die Ackerfelder, Wiesen, Weiden und Hol¬
zungen der Stelle. Die Gemeindeflur führt den Namen Esch; unter Mark
versteht man dagegen das ungetheilte, meist unangebaute Laud der Gemeinde,
das dnrch Wall und Graben abgegrenzt zu sein pflegt.

Die oben gegebene Beschreibung der oldenburger Bauerwohnungen paßt
übrigens auch /auf viele Pfarren und andere Häuser auf dem Lande, die eben
nicht Bauern angehören, wenigstens dem Grundcharakter nach, in sofern Wohn¬
haus, Stall und Scheune unter einem Dache vereinigt sind. Ich habe indessen
bei dieser Beschreibung mehr die Geest als die Marsch, und besonders das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94101"/>
            <p xml:id="ID_550"> Der Sitz ein Herd in diesen alterthümlichen Häusern ist mit Recht der<lb/>
Lieblingsplatz Aller; hier sammeln sich die arbeitsmüden Hausbewohner am Abend<lb/>
um das glimmende Feuer; hier wird dem Gcistfrennde und einkehrenden Wan¬<lb/>
derer ein Stuhl gestellt. Abends, wenn draußen der Sturm die Haide fegt,<lb/>
ist es doppelt schön in der weiten, behaglich warmen Halle, inmitten eines Kreises<lb/>
seltsam beleuchteter Menschen, die um das Feuer gruppirt sind. Vielleicht be¬<lb/>
richtet Einer von dem Zuge nach Schleswig-Holstein, den er in den oldenburger<lb/>
Regimentern mitgemacht, oder von den Abenteuern, die er als Matrose ans der<lb/>
See und in fremden Landen erlebt, indeß die Anderen, ihr Pfeifchen schmauchend,<lb/>
sitzend und stehend um ihn lauschen; indeß das Viel), theils aufrecht, theils aus<lb/>
den Knien ruhend, die Kopfe nach den Menschen wendet, als ob es auch an<lb/>
der Erzählung Theil nähme.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_551"> Die wichtige Rolle, die das Feuer in diesen Häusern spielt, drückt sich auch<lb/>
im Sprichwort aus. &#x201E;Er geht mir vor's Feuer", sagt der Vater von einem<lb/>
Freier, der geradezu um die Tochter wirbt. Ost bedingt sich der abtretende<lb/>
Colonus von dem neuen Hausbesitzer &#x201E;einen Platz beim Feuer". Dies ist nicht<lb/>
wie der cow ein den der Franzosen zu verstehen , sondern bedeutet den freien<lb/>
Aufenthalt im ganzen Hause.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_552"> Das Herdfeuer brennt, oder glimmt wenigstens, Tag und Nacht; ist doch<lb/>
der Tors ein sehr billiges Brennmaterial. Ueberdies haben sehr viele Bauern<lb/>
ein Stück Land auf ihrer Stelle, von dem sie den nöthigen Torf gewinnen; selbst<lb/>
in der Marsch sind, wo dies irgend angeht, die Stellen so angelegt, daß sie bis<lb/>
ins Moor reichen, damit der Bauer seinen Brandbedarf nicht zu kaufen nöthig<lb/>
habe, wie denn überhaupt die Verbindung der Marsch-, Moor- und Geestcultur<lb/>
der Landwirthschaft den meisten Vortheil bringt. Nur bei des Hausherrn Tode<lb/>
wird nach altem Brauch das Feuer gelöscht; selbst die Heuerleute thun dies und<lb/>
fordern den Erben ans, die Glut auf ihrem Herde wieder zu wecken. Der<lb/>
Wehrfester selber führt dann im Münsterlande seinen Heuermann dreimal um's<lb/>
Feuer, um ihn einzufesten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_553"> Vor der Ostseite des Hauses, also vor den Stuben, wenn solche vorhanden<lb/>
sind, liegt der Gemüsegarten, worin auch einem Paar Blumen eine Stelle vergönnt<lb/>
ist. Weiterhin umschließen den Hof die Ackerfelder, Wiesen, Weiden und Hol¬<lb/>
zungen der Stelle. Die Gemeindeflur führt den Namen Esch; unter Mark<lb/>
versteht man dagegen das ungetheilte, meist unangebaute Laud der Gemeinde,<lb/>
das dnrch Wall und Graben abgegrenzt zu sein pflegt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_554" next="#ID_555"> Die oben gegebene Beschreibung der oldenburger Bauerwohnungen paßt<lb/>
übrigens auch /auf viele Pfarren und andere Häuser auf dem Lande, die eben<lb/>
nicht Bauern angehören, wenigstens dem Grundcharakter nach, in sofern Wohn¬<lb/>
haus, Stall und Scheune unter einem Dache vereinigt sind. Ich habe indessen<lb/>
bei dieser Beschreibung mehr die Geest als die Marsch, und besonders das</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0200] Der Sitz ein Herd in diesen alterthümlichen Häusern ist mit Recht der Lieblingsplatz Aller; hier sammeln sich die arbeitsmüden Hausbewohner am Abend um das glimmende Feuer; hier wird dem Gcistfrennde und einkehrenden Wan¬ derer ein Stuhl gestellt. Abends, wenn draußen der Sturm die Haide fegt, ist es doppelt schön in der weiten, behaglich warmen Halle, inmitten eines Kreises seltsam beleuchteter Menschen, die um das Feuer gruppirt sind. Vielleicht be¬ richtet Einer von dem Zuge nach Schleswig-Holstein, den er in den oldenburger Regimentern mitgemacht, oder von den Abenteuern, die er als Matrose ans der See und in fremden Landen erlebt, indeß die Anderen, ihr Pfeifchen schmauchend, sitzend und stehend um ihn lauschen; indeß das Viel), theils aufrecht, theils aus den Knien ruhend, die Kopfe nach den Menschen wendet, als ob es auch an der Erzählung Theil nähme. Die wichtige Rolle, die das Feuer in diesen Häusern spielt, drückt sich auch im Sprichwort aus. „Er geht mir vor's Feuer", sagt der Vater von einem Freier, der geradezu um die Tochter wirbt. Ost bedingt sich der abtretende Colonus von dem neuen Hausbesitzer „einen Platz beim Feuer". Dies ist nicht wie der cow ein den der Franzosen zu verstehen , sondern bedeutet den freien Aufenthalt im ganzen Hause. Das Herdfeuer brennt, oder glimmt wenigstens, Tag und Nacht; ist doch der Tors ein sehr billiges Brennmaterial. Ueberdies haben sehr viele Bauern ein Stück Land auf ihrer Stelle, von dem sie den nöthigen Torf gewinnen; selbst in der Marsch sind, wo dies irgend angeht, die Stellen so angelegt, daß sie bis ins Moor reichen, damit der Bauer seinen Brandbedarf nicht zu kaufen nöthig habe, wie denn überhaupt die Verbindung der Marsch-, Moor- und Geestcultur der Landwirthschaft den meisten Vortheil bringt. Nur bei des Hausherrn Tode wird nach altem Brauch das Feuer gelöscht; selbst die Heuerleute thun dies und fordern den Erben ans, die Glut auf ihrem Herde wieder zu wecken. Der Wehrfester selber führt dann im Münsterlande seinen Heuermann dreimal um's Feuer, um ihn einzufesten. Vor der Ostseite des Hauses, also vor den Stuben, wenn solche vorhanden sind, liegt der Gemüsegarten, worin auch einem Paar Blumen eine Stelle vergönnt ist. Weiterhin umschließen den Hof die Ackerfelder, Wiesen, Weiden und Hol¬ zungen der Stelle. Die Gemeindeflur führt den Namen Esch; unter Mark versteht man dagegen das ungetheilte, meist unangebaute Laud der Gemeinde, das dnrch Wall und Graben abgegrenzt zu sein pflegt. Die oben gegebene Beschreibung der oldenburger Bauerwohnungen paßt übrigens auch /auf viele Pfarren und andere Häuser auf dem Lande, die eben nicht Bauern angehören, wenigstens dem Grundcharakter nach, in sofern Wohn¬ haus, Stall und Scheune unter einem Dache vereinigt sind. Ich habe indessen bei dieser Beschreibung mehr die Geest als die Marsch, und besonders das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/200
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/200>, abgerufen am 24.07.2024.