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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Wurzeln zu durchbrechen vermögen, so überwinden die Eichen dieses Hinderniß.
Nirgends habe ich so gewaltige Bäume gesehen, als auf der oldenburger Geest,
und mancher Bauernhof bewahrt, neben jungen schlanken Stämmen, noch manches
Prachtexemplar aus alter Zeit, das den patriarchalischen Eindruck des Ganzen
nicht wenig erhöht. Die knorrigen Aeste derselben tragen häufig das Nest der
Elster, während Gevatter Storch ans dem Dach des Bauernhauses sich eingerichtet
hat. Ein kleiner, von den Eichen umstandener Teich auf dem grünen Hofe dient
dem Kleinvieh, das hier weidet, als Tränke und den Enten als Schwimmplatz,
so lange es es nicht einem der riesigen Schweine gefällt, sie daraus zu vertreibe".
Auf der Hochebene des Düngerhaufens ergeht sich Sultan Hahn mit seinen
Weibern; er weiß, daß er des Hausmanns und Wehrfesters Hahn ist, und kräht
stolzer als die Hähne der umwohnenden Heuerleute.

Jedem Fremden wird die Größe und das ungemein stattliche Aussehn der
oldenbnrger Bauerhäuser auffallen. Inmitten des Eichenkamps, zu beiden Seiten
umgeben von sehr stattlichen Schaf- und Schweinställen, die sich oft in langer
Reihe fortsetzen, mit den geringeren Heuerwohnungen, die halb im Grünen ver¬
steckt sind, im Hintergrunde, machen sie entschieden den Eindruck behaglichen
Wohlstands. Die Seitenwände des Hauses, zu dessen Erbauung nicht selten der.
eigene Grund und Boden das Holz liefert, sind ganz niedrig und aus Ziegelsteinen,
im Münsterlande aus Fachwerk mit Lehm, aufgeführt. Das aus Ried oder
Stroh, bei neueren Häusern auch wol aus Ziegeln bestehende Dach steigt tief
herab. Die dicke Lage von Ried giebt dem Hause das Aussehn eines Bären,
der sich tief in seinen Pelz steckt. Die große Thür oder Einfahrt, über welcher
besonders im Münsterlande, unter bunten Holzverzierungen, die Namen des Er¬
bauers und seiner Frau mit einem frommen Spruche zu lesen stehn, liegt auf der
Giebelseite, meist nach Westen sehend. Von da gelangt man auf eine breite
Tenne, die, ganz wie die Tenne unsrer Scheunen, zum Dreschen dient. Rechts
und links ist dieselbe von hölzernen Verschlägen eingeschlossen, in welchen Winters
die Pferde und das Rindvieh, letzteres mit dem Kopfe nach innen, stehn. So
ist das Haus des oldenburger Bauers Wohnung, Stallung und Scheune zugleich.
Es ist auch Hühnerstall, um Nichts zu vergessen; denn über den Verschlägen für
das große Vieh haben Hahn und Hennen ihr Quartier.

Gehen wir auf der Tenne weiter, so folgen die Milch- und Speisekammern
und die offenen oder auch geschlossenen, oft kvjenartigen Räume, wo die Dienst¬
boten und einzelne Familienglieder des Nachts ein hochgethürmtes Bett empfängt.
In der Mitte des Hauses, wo die Tenne in ihrer ganzen Breite frei ist, brennt
aus ganz niedriger, runder Herdmauer das Feuer, dem Vorübergehenden durch
die meist offenstehende Einfahrt sichtbar. Auf der einen Seite des Feuers ist
der Spuk- und Waschort, auf der andern ein großer Eichentisch, der Mann-
siedel, wo der Bauer mit seiner Familie und dem "Volk" Mahlzeit hält. So-


Wurzeln zu durchbrechen vermögen, so überwinden die Eichen dieses Hinderniß.
Nirgends habe ich so gewaltige Bäume gesehen, als auf der oldenburger Geest,
und mancher Bauernhof bewahrt, neben jungen schlanken Stämmen, noch manches
Prachtexemplar aus alter Zeit, das den patriarchalischen Eindruck des Ganzen
nicht wenig erhöht. Die knorrigen Aeste derselben tragen häufig das Nest der
Elster, während Gevatter Storch ans dem Dach des Bauernhauses sich eingerichtet
hat. Ein kleiner, von den Eichen umstandener Teich auf dem grünen Hofe dient
dem Kleinvieh, das hier weidet, als Tränke und den Enten als Schwimmplatz,
so lange es es nicht einem der riesigen Schweine gefällt, sie daraus zu vertreibe».
Auf der Hochebene des Düngerhaufens ergeht sich Sultan Hahn mit seinen
Weibern; er weiß, daß er des Hausmanns und Wehrfesters Hahn ist, und kräht
stolzer als die Hähne der umwohnenden Heuerleute.

Jedem Fremden wird die Größe und das ungemein stattliche Aussehn der
oldenbnrger Bauerhäuser auffallen. Inmitten des Eichenkamps, zu beiden Seiten
umgeben von sehr stattlichen Schaf- und Schweinställen, die sich oft in langer
Reihe fortsetzen, mit den geringeren Heuerwohnungen, die halb im Grünen ver¬
steckt sind, im Hintergrunde, machen sie entschieden den Eindruck behaglichen
Wohlstands. Die Seitenwände des Hauses, zu dessen Erbauung nicht selten der.
eigene Grund und Boden das Holz liefert, sind ganz niedrig und aus Ziegelsteinen,
im Münsterlande aus Fachwerk mit Lehm, aufgeführt. Das aus Ried oder
Stroh, bei neueren Häusern auch wol aus Ziegeln bestehende Dach steigt tief
herab. Die dicke Lage von Ried giebt dem Hause das Aussehn eines Bären,
der sich tief in seinen Pelz steckt. Die große Thür oder Einfahrt, über welcher
besonders im Münsterlande, unter bunten Holzverzierungen, die Namen des Er¬
bauers und seiner Frau mit einem frommen Spruche zu lesen stehn, liegt auf der
Giebelseite, meist nach Westen sehend. Von da gelangt man auf eine breite
Tenne, die, ganz wie die Tenne unsrer Scheunen, zum Dreschen dient. Rechts
und links ist dieselbe von hölzernen Verschlägen eingeschlossen, in welchen Winters
die Pferde und das Rindvieh, letzteres mit dem Kopfe nach innen, stehn. So
ist das Haus des oldenburger Bauers Wohnung, Stallung und Scheune zugleich.
Es ist auch Hühnerstall, um Nichts zu vergessen; denn über den Verschlägen für
das große Vieh haben Hahn und Hennen ihr Quartier.

Gehen wir auf der Tenne weiter, so folgen die Milch- und Speisekammern
und die offenen oder auch geschlossenen, oft kvjenartigen Räume, wo die Dienst¬
boten und einzelne Familienglieder des Nachts ein hochgethürmtes Bett empfängt.
In der Mitte des Hauses, wo die Tenne in ihrer ganzen Breite frei ist, brennt
aus ganz niedriger, runder Herdmauer das Feuer, dem Vorübergehenden durch
die meist offenstehende Einfahrt sichtbar. Auf der einen Seite des Feuers ist
der Spuk- und Waschort, auf der andern ein großer Eichentisch, der Mann-
siedel, wo der Bauer mit seiner Familie und dem „Volk" Mahlzeit hält. So-


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[0198] Wurzeln zu durchbrechen vermögen, so überwinden die Eichen dieses Hinderniß. Nirgends habe ich so gewaltige Bäume gesehen, als auf der oldenburger Geest, und mancher Bauernhof bewahrt, neben jungen schlanken Stämmen, noch manches Prachtexemplar aus alter Zeit, das den patriarchalischen Eindruck des Ganzen nicht wenig erhöht. Die knorrigen Aeste derselben tragen häufig das Nest der Elster, während Gevatter Storch ans dem Dach des Bauernhauses sich eingerichtet hat. Ein kleiner, von den Eichen umstandener Teich auf dem grünen Hofe dient dem Kleinvieh, das hier weidet, als Tränke und den Enten als Schwimmplatz, so lange es es nicht einem der riesigen Schweine gefällt, sie daraus zu vertreibe». Auf der Hochebene des Düngerhaufens ergeht sich Sultan Hahn mit seinen Weibern; er weiß, daß er des Hausmanns und Wehrfesters Hahn ist, und kräht stolzer als die Hähne der umwohnenden Heuerleute. Jedem Fremden wird die Größe und das ungemein stattliche Aussehn der oldenbnrger Bauerhäuser auffallen. Inmitten des Eichenkamps, zu beiden Seiten umgeben von sehr stattlichen Schaf- und Schweinställen, die sich oft in langer Reihe fortsetzen, mit den geringeren Heuerwohnungen, die halb im Grünen ver¬ steckt sind, im Hintergrunde, machen sie entschieden den Eindruck behaglichen Wohlstands. Die Seitenwände des Hauses, zu dessen Erbauung nicht selten der. eigene Grund und Boden das Holz liefert, sind ganz niedrig und aus Ziegelsteinen, im Münsterlande aus Fachwerk mit Lehm, aufgeführt. Das aus Ried oder Stroh, bei neueren Häusern auch wol aus Ziegeln bestehende Dach steigt tief herab. Die dicke Lage von Ried giebt dem Hause das Aussehn eines Bären, der sich tief in seinen Pelz steckt. Die große Thür oder Einfahrt, über welcher besonders im Münsterlande, unter bunten Holzverzierungen, die Namen des Er¬ bauers und seiner Frau mit einem frommen Spruche zu lesen stehn, liegt auf der Giebelseite, meist nach Westen sehend. Von da gelangt man auf eine breite Tenne, die, ganz wie die Tenne unsrer Scheunen, zum Dreschen dient. Rechts und links ist dieselbe von hölzernen Verschlägen eingeschlossen, in welchen Winters die Pferde und das Rindvieh, letzteres mit dem Kopfe nach innen, stehn. So ist das Haus des oldenburger Bauers Wohnung, Stallung und Scheune zugleich. Es ist auch Hühnerstall, um Nichts zu vergessen; denn über den Verschlägen für das große Vieh haben Hahn und Hennen ihr Quartier. Gehen wir auf der Tenne weiter, so folgen die Milch- und Speisekammern und die offenen oder auch geschlossenen, oft kvjenartigen Räume, wo die Dienst¬ boten und einzelne Familienglieder des Nachts ein hochgethürmtes Bett empfängt. In der Mitte des Hauses, wo die Tenne in ihrer ganzen Breite frei ist, brennt aus ganz niedriger, runder Herdmauer das Feuer, dem Vorübergehenden durch die meist offenstehende Einfahrt sichtbar. Auf der einen Seite des Feuers ist der Spuk- und Waschort, auf der andern ein großer Eichentisch, der Mann- siedel, wo der Bauer mit seiner Familie und dem „Volk" Mahlzeit hält. So-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/198>, abgerufen am 24.07.2024.