Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ange Interesse. Indessen ist das oldenburger Mastvieh, das seit einigen Jahren
in beträchtlicher Menge nach England verschifft wird, der Qualität nach dort nur
das dritte, so weit steht der Deutsche John Bull in diesem Industriezweige, wie
in so vielen anderen nach. Sollte ein Landwirt!) oder eine wackere Hausfrau weiter
die Frage an mich richten, wie viel Milch eine gute oldenburger Kuh täglich in den
besten Monaten spendet, so würde ich das Quantum auf 18--2i Kannen, die
Kanne zu ungefähr drei Schoppen, bestimmen; eine solche Kuh liefert im Jahre
140 Pfund Butter. Milch und Butter siud sehr sett, aber nicht so würzig als
die Gebirgsbutter. Man hat in neuerer Zeit Käsereien durch Schweizer ein¬
gerichtet; aber der Käse, den man erzielt, steht dem der Schweiz natürlich weit
nach. Die Butter, die immer gleich gesalzen wird, geht, in kleine Tonnen ver¬
packt, in beträchtlicher Menge außer Landes. Noch bemerke ich, daß tiedige
(von Tieb, Zeit) und güste Kühe milchgebende und trockenstehende Kühe be¬
deuten, daß ein weibliches Rind Queue (verwandt mit "Moen, Königin), daß
die ein- und zweijährigen Füllen Enter und Twenter, das männliche und
weibliche Schwein Hauer und Mute heißen. -- Der auf der Weide aufgestellte
Pfahl, an dem das Vieh sich reibt, heißt witzig der Schuppjack (woran es die
Jacke schuppt).

Die Studenten gebrauchen das Wort ochsen im tadelnden Sinne; von dem
Oldenburger kann man aber nicht verlangen, daß er ein Thier, dem er so manchen
schönen Thaler verdankt, in Redensarten mißhandle. Ochsig groß heißt bei ihm
nur gewaltig groß, und wer von starkem Körperbau ist, muß es sich schon ge¬
fallen lassen, ein ochsiger Kerl genannt zu werden. Vergleichen sich doch die
Bauersleute selbst unter einander sehr oft mit Thieren. In Goldschmidt's
"kleinen Lebensbildern aus der Mappe eines deutschen Arztes", welche reich an
oldenbnrger Skizzen sind, äußert eine Bauersfrau gegen ihn: "As ick jung
weer, sa min Mann to mi: Deern, Deern, wat bist du nimm um 'n
Kneep! Man tuum ti wol afspusten. Ick heww ti as Faselswin
kragen; -- um nu bist doch rein so fett as 'n Masswin." ("Dirne,
Dirne, was bist Du so schmal um die Taille! Man kann dich wohl abblasen.
Ich habe Dich als ein ungemästeteö Schwein bekommen; -- und nun bist Du
völlig so fett wie ein Mastschwein.")

Schließlich bemerke ich noch, und damit wollen wir den Bestien Valet sagen,
daß in der baumlosen Marsch der getrocknete Dünger häufig, ein Brennmaterial
für die ärmere Klasse bildet, ein Gebrauch, der bekanntlich in Steppenländern
allgemein ist.

Neben Geest und Marsch stellt sich ein dritter Gegensatz: das Moor. Unter
diesem Worte, das, wie Marsch, an mars und marais erinnert, versteht man
diejenigen sumpfigen Niederungen voll stockender Gewässer, in denen eine eigen¬
thümliche, mit verwitterten Baumresten durchschossene Pflanzenwelt eine schwammig-


ange Interesse. Indessen ist das oldenburger Mastvieh, das seit einigen Jahren
in beträchtlicher Menge nach England verschifft wird, der Qualität nach dort nur
das dritte, so weit steht der Deutsche John Bull in diesem Industriezweige, wie
in so vielen anderen nach. Sollte ein Landwirt!) oder eine wackere Hausfrau weiter
die Frage an mich richten, wie viel Milch eine gute oldenburger Kuh täglich in den
besten Monaten spendet, so würde ich das Quantum auf 18—2i Kannen, die
Kanne zu ungefähr drei Schoppen, bestimmen; eine solche Kuh liefert im Jahre
140 Pfund Butter. Milch und Butter siud sehr sett, aber nicht so würzig als
die Gebirgsbutter. Man hat in neuerer Zeit Käsereien durch Schweizer ein¬
gerichtet; aber der Käse, den man erzielt, steht dem der Schweiz natürlich weit
nach. Die Butter, die immer gleich gesalzen wird, geht, in kleine Tonnen ver¬
packt, in beträchtlicher Menge außer Landes. Noch bemerke ich, daß tiedige
(von Tieb, Zeit) und güste Kühe milchgebende und trockenstehende Kühe be¬
deuten, daß ein weibliches Rind Queue (verwandt mit «Moen, Königin), daß
die ein- und zweijährigen Füllen Enter und Twenter, das männliche und
weibliche Schwein Hauer und Mute heißen. — Der auf der Weide aufgestellte
Pfahl, an dem das Vieh sich reibt, heißt witzig der Schuppjack (woran es die
Jacke schuppt).

Die Studenten gebrauchen das Wort ochsen im tadelnden Sinne; von dem
Oldenburger kann man aber nicht verlangen, daß er ein Thier, dem er so manchen
schönen Thaler verdankt, in Redensarten mißhandle. Ochsig groß heißt bei ihm
nur gewaltig groß, und wer von starkem Körperbau ist, muß es sich schon ge¬
fallen lassen, ein ochsiger Kerl genannt zu werden. Vergleichen sich doch die
Bauersleute selbst unter einander sehr oft mit Thieren. In Goldschmidt's
„kleinen Lebensbildern aus der Mappe eines deutschen Arztes", welche reich an
oldenbnrger Skizzen sind, äußert eine Bauersfrau gegen ihn: „As ick jung
weer, sa min Mann to mi: Deern, Deern, wat bist du nimm um 'n
Kneep! Man tuum ti wol afspusten. Ick heww ti as Faselswin
kragen; — um nu bist doch rein so fett as 'n Masswin." („Dirne,
Dirne, was bist Du so schmal um die Taille! Man kann dich wohl abblasen.
Ich habe Dich als ein ungemästeteö Schwein bekommen; — und nun bist Du
völlig so fett wie ein Mastschwein.")

Schließlich bemerke ich noch, und damit wollen wir den Bestien Valet sagen,
daß in der baumlosen Marsch der getrocknete Dünger häufig, ein Brennmaterial
für die ärmere Klasse bildet, ein Gebrauch, der bekanntlich in Steppenländern
allgemein ist.

Neben Geest und Marsch stellt sich ein dritter Gegensatz: das Moor. Unter
diesem Worte, das, wie Marsch, an mars und marais erinnert, versteht man
diejenigen sumpfigen Niederungen voll stockender Gewässer, in denen eine eigen¬
thümliche, mit verwitterten Baumresten durchschossene Pflanzenwelt eine schwammig-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0193" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94094"/>
            <p xml:id="ID_526" prev="#ID_525"> ange Interesse. Indessen ist das oldenburger Mastvieh, das seit einigen Jahren<lb/>
in beträchtlicher Menge nach England verschifft wird, der Qualität nach dort nur<lb/>
das dritte, so weit steht der Deutsche John Bull in diesem Industriezweige, wie<lb/>
in so vielen anderen nach. Sollte ein Landwirt!) oder eine wackere Hausfrau weiter<lb/>
die Frage an mich richten, wie viel Milch eine gute oldenburger Kuh täglich in den<lb/>
besten Monaten spendet, so würde ich das Quantum auf 18&#x2014;2i Kannen, die<lb/>
Kanne zu ungefähr drei Schoppen, bestimmen; eine solche Kuh liefert im Jahre<lb/>
140 Pfund Butter. Milch und Butter siud sehr sett, aber nicht so würzig als<lb/>
die Gebirgsbutter. Man hat in neuerer Zeit Käsereien durch Schweizer ein¬<lb/>
gerichtet; aber der Käse, den man erzielt, steht dem der Schweiz natürlich weit<lb/>
nach. Die Butter, die immer gleich gesalzen wird, geht, in kleine Tonnen ver¬<lb/>
packt, in beträchtlicher Menge außer Landes. Noch bemerke ich, daß tiedige<lb/>
(von Tieb, Zeit) und güste Kühe milchgebende und trockenstehende Kühe be¬<lb/>
deuten, daß ein weibliches Rind Queue (verwandt mit «Moen, Königin), daß<lb/>
die ein- und zweijährigen Füllen Enter und Twenter, das männliche und<lb/>
weibliche Schwein Hauer und Mute heißen. &#x2014; Der auf der Weide aufgestellte<lb/>
Pfahl, an dem das Vieh sich reibt, heißt witzig der Schuppjack (woran es die<lb/>
Jacke schuppt).</p><lb/>
            <p xml:id="ID_527"> Die Studenten gebrauchen das Wort ochsen im tadelnden Sinne; von dem<lb/>
Oldenburger kann man aber nicht verlangen, daß er ein Thier, dem er so manchen<lb/>
schönen Thaler verdankt, in Redensarten mißhandle. Ochsig groß heißt bei ihm<lb/>
nur gewaltig groß, und wer von starkem Körperbau ist, muß es sich schon ge¬<lb/>
fallen lassen, ein ochsiger Kerl genannt zu werden. Vergleichen sich doch die<lb/>
Bauersleute selbst unter einander sehr oft mit Thieren. In Goldschmidt's<lb/>
&#x201E;kleinen Lebensbildern aus der Mappe eines deutschen Arztes", welche reich an<lb/>
oldenbnrger Skizzen sind, äußert eine Bauersfrau gegen ihn: &#x201E;As ick jung<lb/>
weer, sa min Mann to mi: Deern, Deern, wat bist du nimm um 'n<lb/>
Kneep! Man tuum ti wol afspusten. Ick heww ti as Faselswin<lb/>
kragen; &#x2014; um nu bist doch rein so fett as 'n Masswin." (&#x201E;Dirne,<lb/>
Dirne, was bist Du so schmal um die Taille! Man kann dich wohl abblasen.<lb/>
Ich habe Dich als ein ungemästeteö Schwein bekommen; &#x2014; und nun bist Du<lb/>
völlig so fett wie ein Mastschwein.")</p><lb/>
            <p xml:id="ID_528"> Schließlich bemerke ich noch, und damit wollen wir den Bestien Valet sagen,<lb/>
daß in der baumlosen Marsch der getrocknete Dünger häufig, ein Brennmaterial<lb/>
für die ärmere Klasse bildet, ein Gebrauch, der bekanntlich in Steppenländern<lb/>
allgemein ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Neben Geest und Marsch stellt sich ein dritter Gegensatz: das Moor. Unter<lb/>
diesem Worte, das, wie Marsch, an mars und marais erinnert, versteht man<lb/>
diejenigen sumpfigen Niederungen voll stockender Gewässer, in denen eine eigen¬<lb/>
thümliche, mit verwitterten Baumresten durchschossene Pflanzenwelt eine schwammig-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0193] ange Interesse. Indessen ist das oldenburger Mastvieh, das seit einigen Jahren in beträchtlicher Menge nach England verschifft wird, der Qualität nach dort nur das dritte, so weit steht der Deutsche John Bull in diesem Industriezweige, wie in so vielen anderen nach. Sollte ein Landwirt!) oder eine wackere Hausfrau weiter die Frage an mich richten, wie viel Milch eine gute oldenburger Kuh täglich in den besten Monaten spendet, so würde ich das Quantum auf 18—2i Kannen, die Kanne zu ungefähr drei Schoppen, bestimmen; eine solche Kuh liefert im Jahre 140 Pfund Butter. Milch und Butter siud sehr sett, aber nicht so würzig als die Gebirgsbutter. Man hat in neuerer Zeit Käsereien durch Schweizer ein¬ gerichtet; aber der Käse, den man erzielt, steht dem der Schweiz natürlich weit nach. Die Butter, die immer gleich gesalzen wird, geht, in kleine Tonnen ver¬ packt, in beträchtlicher Menge außer Landes. Noch bemerke ich, daß tiedige (von Tieb, Zeit) und güste Kühe milchgebende und trockenstehende Kühe be¬ deuten, daß ein weibliches Rind Queue (verwandt mit «Moen, Königin), daß die ein- und zweijährigen Füllen Enter und Twenter, das männliche und weibliche Schwein Hauer und Mute heißen. — Der auf der Weide aufgestellte Pfahl, an dem das Vieh sich reibt, heißt witzig der Schuppjack (woran es die Jacke schuppt). Die Studenten gebrauchen das Wort ochsen im tadelnden Sinne; von dem Oldenburger kann man aber nicht verlangen, daß er ein Thier, dem er so manchen schönen Thaler verdankt, in Redensarten mißhandle. Ochsig groß heißt bei ihm nur gewaltig groß, und wer von starkem Körperbau ist, muß es sich schon ge¬ fallen lassen, ein ochsiger Kerl genannt zu werden. Vergleichen sich doch die Bauersleute selbst unter einander sehr oft mit Thieren. In Goldschmidt's „kleinen Lebensbildern aus der Mappe eines deutschen Arztes", welche reich an oldenbnrger Skizzen sind, äußert eine Bauersfrau gegen ihn: „As ick jung weer, sa min Mann to mi: Deern, Deern, wat bist du nimm um 'n Kneep! Man tuum ti wol afspusten. Ick heww ti as Faselswin kragen; — um nu bist doch rein so fett as 'n Masswin." („Dirne, Dirne, was bist Du so schmal um die Taille! Man kann dich wohl abblasen. Ich habe Dich als ein ungemästeteö Schwein bekommen; — und nun bist Du völlig so fett wie ein Mastschwein.") Schließlich bemerke ich noch, und damit wollen wir den Bestien Valet sagen, daß in der baumlosen Marsch der getrocknete Dünger häufig, ein Brennmaterial für die ärmere Klasse bildet, ein Gebrauch, der bekanntlich in Steppenländern allgemein ist. Neben Geest und Marsch stellt sich ein dritter Gegensatz: das Moor. Unter diesem Worte, das, wie Marsch, an mars und marais erinnert, versteht man diejenigen sumpfigen Niederungen voll stockender Gewässer, in denen eine eigen¬ thümliche, mit verwitterten Baumresten durchschossene Pflanzenwelt eine schwammig-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/193
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/193>, abgerufen am 24.07.2024.