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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Schafe mit ihren Lämmern, die aus dem Euter der Mutter gierig saugend die
leckere Kost sich holen:


Ist irgendwo ein Paradies
Bestelle für Thiere, so ist es dies.

Dieses Vieh, besonders Pferde und Rinder, waren lange das Einzige, was
den Namen Oldenburgs nach anßen trug. Graf Anton Günther (1602---1667)
hat die Pferdezucht,ungemein gehoben. Dieser Fürst, der von der Königin
Christine von Schweden der Erzstallmeister des heiligen römischen Reichs genannt
wurde, hielt nicht allein selbst -1500 Rosse von seltener Schönheit und versah aus
seinen Marställen die meisten Höfe Europa's, sondern er veredelte überhaupt die
Pferde seines Landes durch auswärtige Zuchthengste, und legte so den Grund zu
einem der blühendsten Handelszweige des Herzogthums. , Noch lebt das Pracht¬
exemplar eines oldcnburger Rosses, der Kranich, im Angedenken der Menschen.
Ein Portrait auf dem Schlosse zu Oldenburg stellt den stattlichen Grafen lebens¬
groß auf demselben dar. Wer es für eine Lüge des Malers hält, daß die Mähne
des Kranichs aus dem Boden nachschleift, mag sie selber nachsehen, sie wird auf
dem Schlosse vorgezeigt, und mißt, wenn ich nicht irre, sieben Fuß. Das olden¬
burger Pferd ist hohen Wuchses, wie alle Marschthiere, doch hat es nicht die
festen Knochen und die Ausdauer der Senner- oder Gebirgspferde. Nur durch
sorgfältige Racenkreuznng wird es vor Entartung bewahrt; daher eine Köhrungs-
commission über gute Hengste wacht, und dnrch Prämien eine edle Zucht zu er¬
halten strebt. In der Stadt Oldenburg werden jährlich zwei sehr bedeutende
Pferdemärkte abgehalten, zu denen sich Käufer aus fernen Landen, Belgier, Fran¬
zosen, Italiener einfinden. Besonders bekannt ist der aus Medardus (d. 8 Juni)
abgehaltene Markt, an welchem Tage das sonst so ruhige Herzogthum in fieber¬
hafter Bewegung ist. Der Verkauf, geschieht ohne Vermittelung von Juden,
deren das Land überhaupt nur wenige hat. Der Durchschnittspreis eines Pferdes
ist 30--i'0 Louisdo'r. Wie hoch mag es im Werthe gestiegen sein, wenn der
Händler in Rom oder Neapel seine Waare losschlägt, nachdem das Thier einen
Weg von einigen hundert Meilen in kleinen Tagemärschen zurückgelegt hat!
Uebrigens ist das oldenburger Pferd gegenwärtiger Zucht in der Regel nur
Wagenpferd; daher die neuerrichtete Kavallerie ihren Bedarf aus dem benach¬
barten Hannover beziehen muß.

Ein Maler, der Viehstndien machen will, ist natürlich in Oldenburg ganz an
seiner Stelle; er wird aber besser thun, die prächtigen Rinder aus der Weide
aufzusuchen und sich fern von der Thierschau in Ovelgönne (Butjadingen) halten,
wo man Mastvieh sieht, das nach englischer Art dnrch künstliche Fütterung an den¬
jenigen Theilen des Körpers besonders stark angefletscht ist, welche für die schmack¬
haftesten gelten. Diese Ochsen mit Polstern und entf alö Paris ans Fleisch, über
denen die natürliche Gestalt verloren geht, haben nnr für das nüchterne Viehzüchter-


Schafe mit ihren Lämmern, die aus dem Euter der Mutter gierig saugend die
leckere Kost sich holen:


Ist irgendwo ein Paradies
Bestelle für Thiere, so ist es dies.

Dieses Vieh, besonders Pferde und Rinder, waren lange das Einzige, was
den Namen Oldenburgs nach anßen trug. Graf Anton Günther (1602—-1667)
hat die Pferdezucht,ungemein gehoben. Dieser Fürst, der von der Königin
Christine von Schweden der Erzstallmeister des heiligen römischen Reichs genannt
wurde, hielt nicht allein selbst -1500 Rosse von seltener Schönheit und versah aus
seinen Marställen die meisten Höfe Europa's, sondern er veredelte überhaupt die
Pferde seines Landes durch auswärtige Zuchthengste, und legte so den Grund zu
einem der blühendsten Handelszweige des Herzogthums. , Noch lebt das Pracht¬
exemplar eines oldcnburger Rosses, der Kranich, im Angedenken der Menschen.
Ein Portrait auf dem Schlosse zu Oldenburg stellt den stattlichen Grafen lebens¬
groß auf demselben dar. Wer es für eine Lüge des Malers hält, daß die Mähne
des Kranichs aus dem Boden nachschleift, mag sie selber nachsehen, sie wird auf
dem Schlosse vorgezeigt, und mißt, wenn ich nicht irre, sieben Fuß. Das olden¬
burger Pferd ist hohen Wuchses, wie alle Marschthiere, doch hat es nicht die
festen Knochen und die Ausdauer der Senner- oder Gebirgspferde. Nur durch
sorgfältige Racenkreuznng wird es vor Entartung bewahrt; daher eine Köhrungs-
commission über gute Hengste wacht, und dnrch Prämien eine edle Zucht zu er¬
halten strebt. In der Stadt Oldenburg werden jährlich zwei sehr bedeutende
Pferdemärkte abgehalten, zu denen sich Käufer aus fernen Landen, Belgier, Fran¬
zosen, Italiener einfinden. Besonders bekannt ist der aus Medardus (d. 8 Juni)
abgehaltene Markt, an welchem Tage das sonst so ruhige Herzogthum in fieber¬
hafter Bewegung ist. Der Verkauf, geschieht ohne Vermittelung von Juden,
deren das Land überhaupt nur wenige hat. Der Durchschnittspreis eines Pferdes
ist 30—i'0 Louisdo'r. Wie hoch mag es im Werthe gestiegen sein, wenn der
Händler in Rom oder Neapel seine Waare losschlägt, nachdem das Thier einen
Weg von einigen hundert Meilen in kleinen Tagemärschen zurückgelegt hat!
Uebrigens ist das oldenburger Pferd gegenwärtiger Zucht in der Regel nur
Wagenpferd; daher die neuerrichtete Kavallerie ihren Bedarf aus dem benach¬
barten Hannover beziehen muß.

Ein Maler, der Viehstndien machen will, ist natürlich in Oldenburg ganz an
seiner Stelle; er wird aber besser thun, die prächtigen Rinder aus der Weide
aufzusuchen und sich fern von der Thierschau in Ovelgönne (Butjadingen) halten,
wo man Mastvieh sieht, das nach englischer Art dnrch künstliche Fütterung an den¬
jenigen Theilen des Körpers besonders stark angefletscht ist, welche für die schmack¬
haftesten gelten. Diese Ochsen mit Polstern und entf alö Paris ans Fleisch, über
denen die natürliche Gestalt verloren geht, haben nnr für das nüchterne Viehzüchter-


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[0192] Schafe mit ihren Lämmern, die aus dem Euter der Mutter gierig saugend die leckere Kost sich holen: Ist irgendwo ein Paradies Bestelle für Thiere, so ist es dies. Dieses Vieh, besonders Pferde und Rinder, waren lange das Einzige, was den Namen Oldenburgs nach anßen trug. Graf Anton Günther (1602—-1667) hat die Pferdezucht,ungemein gehoben. Dieser Fürst, der von der Königin Christine von Schweden der Erzstallmeister des heiligen römischen Reichs genannt wurde, hielt nicht allein selbst -1500 Rosse von seltener Schönheit und versah aus seinen Marställen die meisten Höfe Europa's, sondern er veredelte überhaupt die Pferde seines Landes durch auswärtige Zuchthengste, und legte so den Grund zu einem der blühendsten Handelszweige des Herzogthums. , Noch lebt das Pracht¬ exemplar eines oldcnburger Rosses, der Kranich, im Angedenken der Menschen. Ein Portrait auf dem Schlosse zu Oldenburg stellt den stattlichen Grafen lebens¬ groß auf demselben dar. Wer es für eine Lüge des Malers hält, daß die Mähne des Kranichs aus dem Boden nachschleift, mag sie selber nachsehen, sie wird auf dem Schlosse vorgezeigt, und mißt, wenn ich nicht irre, sieben Fuß. Das olden¬ burger Pferd ist hohen Wuchses, wie alle Marschthiere, doch hat es nicht die festen Knochen und die Ausdauer der Senner- oder Gebirgspferde. Nur durch sorgfältige Racenkreuznng wird es vor Entartung bewahrt; daher eine Köhrungs- commission über gute Hengste wacht, und dnrch Prämien eine edle Zucht zu er¬ halten strebt. In der Stadt Oldenburg werden jährlich zwei sehr bedeutende Pferdemärkte abgehalten, zu denen sich Käufer aus fernen Landen, Belgier, Fran¬ zosen, Italiener einfinden. Besonders bekannt ist der aus Medardus (d. 8 Juni) abgehaltene Markt, an welchem Tage das sonst so ruhige Herzogthum in fieber¬ hafter Bewegung ist. Der Verkauf, geschieht ohne Vermittelung von Juden, deren das Land überhaupt nur wenige hat. Der Durchschnittspreis eines Pferdes ist 30—i'0 Louisdo'r. Wie hoch mag es im Werthe gestiegen sein, wenn der Händler in Rom oder Neapel seine Waare losschlägt, nachdem das Thier einen Weg von einigen hundert Meilen in kleinen Tagemärschen zurückgelegt hat! Uebrigens ist das oldenburger Pferd gegenwärtiger Zucht in der Regel nur Wagenpferd; daher die neuerrichtete Kavallerie ihren Bedarf aus dem benach¬ barten Hannover beziehen muß. Ein Maler, der Viehstndien machen will, ist natürlich in Oldenburg ganz an seiner Stelle; er wird aber besser thun, die prächtigen Rinder aus der Weide aufzusuchen und sich fern von der Thierschau in Ovelgönne (Butjadingen) halten, wo man Mastvieh sieht, das nach englischer Art dnrch künstliche Fütterung an den¬ jenigen Theilen des Körpers besonders stark angefletscht ist, welche für die schmack¬ haftesten gelten. Diese Ochsen mit Polstern und entf alö Paris ans Fleisch, über denen die natürliche Gestalt verloren geht, haben nnr für das nüchterne Viehzüchter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/192>, abgerufen am 24.07.2024.