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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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gelassen haben, werden die Geestdistricte von dem alten Stamme der Sachsen
bewohnt. Ein anderer Gegensatz, dem wir in dem Herzogthume begegnen, ist
durch die ehemaligen territorialen Verhältnisse gegeben. Um den alten Kern des
Herzogtums, die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, gruppirten sich zu
verschiedenen Zeiten andere Landestheile, wie die Butjadinger Marsch im Nord-
osten zwischen Jahde und Weser, die Herrschaft Jever im Nordwesten und das
katholische, im Süden gelegene Münsterland, d. i. die Kreise Kloppenbnrg und
Vechta, welche erst 1803 bei der Säcularisirung des Bisthums Münster an
Oldenburg kamen. Diese Landestheile haben mehr oder weniger einen besondern
Charakter bewahrt; namentlich gilt dies von Jever- und Münsterland, welche in
Folge ihrer Bodenverhältnisse als Marsch und Geest auch dem erstgenannten Con¬
traste anheimfallen.

Berg und Ebene, Haide und Sumpslaud bedingen nicht allein die Natur
der Pflanzen und Thiere, die ihnen entstammen, sondern'auch der Menschen.
Der Tyroler und Schweizer ist das, was er ist, nicht allein durch gewisse Ab¬
stammung und Nacenkreuzung, sondern wesentlich auch durch die Alpennatur, die
sein Lebenselement ist. Will man ihn verstehen, so muß man die Landschaft ver¬
stehen, in die ihn der Künstler "überm Sternenzelt" als Staffage gesetzt hat.
Eben so wird sich uns der Oldenburger ans seinem Lande und dessen Gegensätzen,
der Geest und der Marsch, entwickeln.

Unter Geest versteht man in dem ganzen nordwestlichen Deutschland, das
von ähnlicher Beschaffenheit wie Oldenburg ist, das höher gelegene, meist san¬
dige, mehr oder weniger magere und trockene Land, wie denn geest oder güst
in der plattdeutschen Sprache trocken bedeutet. Es tritt dieser Ausdruck uur im
Gegensatze zu den von der Geest überall scharf abgegrenzten Niederungen jener
Länder, zu Marsch und Moor, auf. Die oldenburger Geest hat im Süden des
Herzogthums ihre größte Mächtigkeit; von da zieht sie, durch große Moore zur
Rechten und besonders zur Linken eingeengt, in Gestalt einer niedrigen Hügelkette
nordwärts an der Stadt Oldenburg vorbei, und läuft, den Jahdebusen zur Rechten
lassend, auf die Stadt Jever zu, welche, auf einer schmalen Geesthalbinsel gelegen,
wie von einer Zinne in die üppige Marschfläche von Jeverland hinabschant. Die
Aehnlichkeit dieser Hügelkette^ mit Dünen ist ganz augenscheinlich; ja, die Dünen-
gcstalt ist an vielen Orten, wie z. B. in den Oscnbergen, noch vollkommen
erhalten, und es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß die Geest das ältere,
die Marsch das jüngere Land ist, dem die Fische eine gute Zeit später Valet
gesagt haben, als jenem. Die großen Haideflächen, die einen beträchtlichen Theil
des oldenbnrger Landes ausmachen, gehören sowohl den Geest- als den Moor¬
gegenden oder ihren Uebergängen an; denn viele Strecken bilden Zwischenstufen
von Geest zu Moor, von Moor zu Marsch, wie denn z. B. die Stadt Oldenburg auf
sogenannten anmoorigem Boden, der zwischen Geest und Moor die Mitte hält,


gelassen haben, werden die Geestdistricte von dem alten Stamme der Sachsen
bewohnt. Ein anderer Gegensatz, dem wir in dem Herzogthume begegnen, ist
durch die ehemaligen territorialen Verhältnisse gegeben. Um den alten Kern des
Herzogtums, die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, gruppirten sich zu
verschiedenen Zeiten andere Landestheile, wie die Butjadinger Marsch im Nord-
osten zwischen Jahde und Weser, die Herrschaft Jever im Nordwesten und das
katholische, im Süden gelegene Münsterland, d. i. die Kreise Kloppenbnrg und
Vechta, welche erst 1803 bei der Säcularisirung des Bisthums Münster an
Oldenburg kamen. Diese Landestheile haben mehr oder weniger einen besondern
Charakter bewahrt; namentlich gilt dies von Jever- und Münsterland, welche in
Folge ihrer Bodenverhältnisse als Marsch und Geest auch dem erstgenannten Con¬
traste anheimfallen.

Berg und Ebene, Haide und Sumpslaud bedingen nicht allein die Natur
der Pflanzen und Thiere, die ihnen entstammen, sondern'auch der Menschen.
Der Tyroler und Schweizer ist das, was er ist, nicht allein durch gewisse Ab¬
stammung und Nacenkreuzung, sondern wesentlich auch durch die Alpennatur, die
sein Lebenselement ist. Will man ihn verstehen, so muß man die Landschaft ver¬
stehen, in die ihn der Künstler „überm Sternenzelt" als Staffage gesetzt hat.
Eben so wird sich uns der Oldenburger ans seinem Lande und dessen Gegensätzen,
der Geest und der Marsch, entwickeln.

Unter Geest versteht man in dem ganzen nordwestlichen Deutschland, das
von ähnlicher Beschaffenheit wie Oldenburg ist, das höher gelegene, meist san¬
dige, mehr oder weniger magere und trockene Land, wie denn geest oder güst
in der plattdeutschen Sprache trocken bedeutet. Es tritt dieser Ausdruck uur im
Gegensatze zu den von der Geest überall scharf abgegrenzten Niederungen jener
Länder, zu Marsch und Moor, auf. Die oldenburger Geest hat im Süden des
Herzogthums ihre größte Mächtigkeit; von da zieht sie, durch große Moore zur
Rechten und besonders zur Linken eingeengt, in Gestalt einer niedrigen Hügelkette
nordwärts an der Stadt Oldenburg vorbei, und läuft, den Jahdebusen zur Rechten
lassend, auf die Stadt Jever zu, welche, auf einer schmalen Geesthalbinsel gelegen,
wie von einer Zinne in die üppige Marschfläche von Jeverland hinabschant. Die
Aehnlichkeit dieser Hügelkette^ mit Dünen ist ganz augenscheinlich; ja, die Dünen-
gcstalt ist an vielen Orten, wie z. B. in den Oscnbergen, noch vollkommen
erhalten, und es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß die Geest das ältere,
die Marsch das jüngere Land ist, dem die Fische eine gute Zeit später Valet
gesagt haben, als jenem. Die großen Haideflächen, die einen beträchtlichen Theil
des oldenbnrger Landes ausmachen, gehören sowohl den Geest- als den Moor¬
gegenden oder ihren Uebergängen an; denn viele Strecken bilden Zwischenstufen
von Geest zu Moor, von Moor zu Marsch, wie denn z. B. die Stadt Oldenburg auf
sogenannten anmoorigem Boden, der zwischen Geest und Moor die Mitte hält,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/188>, abgerufen am 24.07.2024.