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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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gehen Hand in Hand mit fünffüßigen Jamben und alliterirenden Versen. Wenn
ein Deutscher sich mit einem Römer unterhält, so redet der Eine in der Nibe-
lungenstrophe, der Andere im'Trimeter. Der alte Segest, Hermann's Schwie¬
gervater, die böse Figur des Stücks, sexe mit einer Ausdauer, die einer bessern
Sache werth wäre, und Jngomar, sein wilder Oheim, kommt in jeder dritten
Scene ans einem schwarzen schnaubenden Roß herangesprengt, um irgend eine
Tölpelhaftigkeit zu begehen. Trotz aller dieser Absurditäten kann man einzelne
Bilder nicht anders nennen als brillant. Die Gegensätze zwischen dem discipli-
nirten Heer des Germaniens, dem zähen, aus seine Freiheiten und seine Vor¬
rechte trotzenden Sachsenvolk und dem auf unnatürliche Verhältnisse basirten Reich
des Marbod sind sehr treffend und anschaulich ausgeführt; eben so der blutige
Götzendienst der Druiden, dessen "arge Götter scheu im Düstern lauschen", wenn
auch ein reines Phantasiegemälde. Aber wenn zuletzt der Oberpriester ans dem
Orient als Christ zurückkommt und die feindlichen. Gegensätze dithyrambisch ver¬
klärt, so ist der Spaß nicht mehr auszuhalten. -- Man muß dieses seltsame
Drama mit Grabbe's Werken vergleichen. Die Formlosigkeit und das Hiuans-
springen aus dem einen Ton in den andern sind bei Beiden gleich stark, und
wenn Grabbe mehr mit modernen, zeitgemäßen Ideen operirt, so ist dagegen
bei Fouqnv mehr poetischer Gehalt. -- Die folgenden drei Theile des Altsäch¬
sischen Bildersaals, z. B. "Velleda und Garua" (-1818), sind unerträglich
affectirt, verschroben und langweilig; sie erinnern an Lobenstein.

Auf die übrige" Romane, Rittergeschichten, Tascheubnchsnovellen :c. einzu¬
gehen, ist uicht der Mühe werth. Je älter Fouqu" wurde, je schlechter schrieb
er. Auch die zahlreichen romantischen Werke seiner Gemahlin, Caroline von
Briefe, geschiedene von Rochow (geb. 1773, geht/ 1831), lassen wir bei Seite
und erwähnen nur die "Briefe über Zweck und Richtung weiblicher Bildung"
(1811). Nur noch ein Drama Fongnv's müssen wir anführen, welches gar
keinen Anklang gefunden hat und doch einiges Interesse bietet, den Don Car¬
los (1823). Er hat das Stück den Manen Schiller's geweiht. Diesmal liegt
die poetische Theilnahme ans der Seite, die uns bei Schiller als hassenswert!)
dargestellt w.ird. Nach Schlegel's und Leo's Vorgang faßt der Dichter Philipp und
Alba als tugendhafte, edle Helden ans, und doch muß man sagen, daß bei
Schiller trotz der entgegengesetzten Intention Philipp viel menschlicher und
selbst königlicher erscheint, als bei Fvnquv, wo er die nämlichen Unthaten begeht,
und dabei fortwährend über die traurige Nothwendigkeit weint, etwa wie Wer¬
ner's Attila. Dagegen ist Don Carlos selbst sehr interessant angelegt, und der
erste Theil des Stücks, der die Exposition enthält, selbst, theatralisch nicht un¬
geschickt. Zuletzt verläuft aber Alles in ganz unklare Stimmungen, in un-
motivirte Gemüthskrämpfe und in eine gezierte Blumensprache. Der Schluß,
wo dem Prinzen die Adern geöffnet werden, während der König segnend seine


gehen Hand in Hand mit fünffüßigen Jamben und alliterirenden Versen. Wenn
ein Deutscher sich mit einem Römer unterhält, so redet der Eine in der Nibe-
lungenstrophe, der Andere im'Trimeter. Der alte Segest, Hermann's Schwie¬
gervater, die böse Figur des Stücks, sexe mit einer Ausdauer, die einer bessern
Sache werth wäre, und Jngomar, sein wilder Oheim, kommt in jeder dritten
Scene ans einem schwarzen schnaubenden Roß herangesprengt, um irgend eine
Tölpelhaftigkeit zu begehen. Trotz aller dieser Absurditäten kann man einzelne
Bilder nicht anders nennen als brillant. Die Gegensätze zwischen dem discipli-
nirten Heer des Germaniens, dem zähen, aus seine Freiheiten und seine Vor¬
rechte trotzenden Sachsenvolk und dem auf unnatürliche Verhältnisse basirten Reich
des Marbod sind sehr treffend und anschaulich ausgeführt; eben so der blutige
Götzendienst der Druiden, dessen „arge Götter scheu im Düstern lauschen", wenn
auch ein reines Phantasiegemälde. Aber wenn zuletzt der Oberpriester ans dem
Orient als Christ zurückkommt und die feindlichen. Gegensätze dithyrambisch ver¬
klärt, so ist der Spaß nicht mehr auszuhalten. — Man muß dieses seltsame
Drama mit Grabbe's Werken vergleichen. Die Formlosigkeit und das Hiuans-
springen aus dem einen Ton in den andern sind bei Beiden gleich stark, und
wenn Grabbe mehr mit modernen, zeitgemäßen Ideen operirt, so ist dagegen
bei Fouqnv mehr poetischer Gehalt. — Die folgenden drei Theile des Altsäch¬
sischen Bildersaals, z. B. „Velleda und Garua" (-1818), sind unerträglich
affectirt, verschroben und langweilig; sie erinnern an Lobenstein.

Auf die übrige» Romane, Rittergeschichten, Tascheubnchsnovellen :c. einzu¬
gehen, ist uicht der Mühe werth. Je älter Fouqu« wurde, je schlechter schrieb
er. Auch die zahlreichen romantischen Werke seiner Gemahlin, Caroline von
Briefe, geschiedene von Rochow (geb. 1773, geht/ 1831), lassen wir bei Seite
und erwähnen nur die „Briefe über Zweck und Richtung weiblicher Bildung"
(1811). Nur noch ein Drama Fongnv's müssen wir anführen, welches gar
keinen Anklang gefunden hat und doch einiges Interesse bietet, den Don Car¬
los (1823). Er hat das Stück den Manen Schiller's geweiht. Diesmal liegt
die poetische Theilnahme ans der Seite, die uns bei Schiller als hassenswert!)
dargestellt w.ird. Nach Schlegel's und Leo's Vorgang faßt der Dichter Philipp und
Alba als tugendhafte, edle Helden ans, und doch muß man sagen, daß bei
Schiller trotz der entgegengesetzten Intention Philipp viel menschlicher und
selbst königlicher erscheint, als bei Fvnquv, wo er die nämlichen Unthaten begeht,
und dabei fortwährend über die traurige Nothwendigkeit weint, etwa wie Wer¬
ner's Attila. Dagegen ist Don Carlos selbst sehr interessant angelegt, und der
erste Theil des Stücks, der die Exposition enthält, selbst, theatralisch nicht un¬
geschickt. Zuletzt verläuft aber Alles in ganz unklare Stimmungen, in un-
motivirte Gemüthskrämpfe und in eine gezierte Blumensprache. Der Schluß,
wo dem Prinzen die Adern geöffnet werden, während der König segnend seine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/186>, abgerufen am 24.07.2024.