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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Charakterbilder aus der deutschen Restauratious-
literatur.
Friedrich Baron de la Motte Fouque.
geb^l 777, geht. 18i3.

Fouque ist es umgekehrt gegangen, wie Heinrich v. Kleist, seinem Lands¬
mann und Zeitgenossen. Dieser strebte während seines Lebens vergebens nach
Anerkennung, die ihm erst von einer spätern Generation zu Theil wurde, Jener
fand mit seiner Poesie bei der Masse des Volks, wie bei einem großen Theil
des höher Gebildeten den lebhaftesten Anklang, hatte aber das traurige Schicksal,
zu erleben, wie sein Name nur noch mit Achselzucken genannt wurde. Wenn
wir. heut zu Tage die Urtheile, die Hoffmann, Jean Paul, Stolberg, Fichte,
Goethe u. A. über ihn fällten, zu Geficht bekommen, so stimmt die warme Theil¬
nahme, ja die Begeisterung, die sich in ihnen ausspricht, nicht im Entferntesten
mehr zu dem Bilde, welches wir uns von ihm mehr aus der Tradition, als ans
eigener Kenntniß gemacht haben. Denn gelesen wird Fouauv nicht mehr; es wird
in der jüngern Welt nur noch Wenige geben, die etwas mehr von ihm kennen,
als höchstens die Undine.

Der Grund liegt zunächst in dem Unterschied zwischen den Leistungen Fouqu<z's
in seiner frühern und in seiner spätern Zeit. Die Ideen und Empfindungen,
die in seiner Jugend noch mit einer gewissen Frische und Originalität hervor¬
traten, wurden in den 20er und 30er Jahren zu bloßen Redensarten, und seine
Polemik gegen das Zeitalter nahm einen so geckenhaften Don Quixote'schen Ton
an, daß man ihm nicht einmal das Interesse schenken konnte, welches man sonst
einem gebildeten Gegner nicht versagt. Der ästhetische Werth seiner Schriften
sank unter das Niveau der ganz gewöhnlichen Taschenbuchliteratur, und der sitt¬
liche und politische Inhalt derselben wurde bis zur Abgeschmacktheit bornirt. Zu-'
letzt mußte er durch die von ihm Heransgegebene "Adelszeitung" (-I8/l0), so wie
durch die politische Gedichtsammlung, "Die Weltreiche", 183S, die Fülle der
. Lächerlichkeit erschöpfen. Damals war die gute Gesellschaft noch liberal, oder
liberal-conservativ; die-Anpreisung des absolute" Königthums und der absoluten
Aristokratie konnte keine Proselyten gewinnen. Heut zu Tage, wo die Angst'vor
der Revolution die Partei der äußersten Rechten auf einen ihr eigentlich ganz
unangemessenen Standpunkt erhoben hat, würde ein kleiner Einband derselben
in Goldschnitt vielleicht wieder Glück machen, wenn nicht die politischen Stoffe
eine andere Physiognomie angenommen hätten, und wenn ihm nicht die neueren
Reactionspoeten Concurrenz machten. Gedächtniß und Dankbarkeit hält bei den
Parteien nicht lange aus. Unsre Konservativen sind noch nicht so weit gekommen,


Charakterbilder aus der deutschen Restauratious-
literatur.
Friedrich Baron de la Motte Fouque.
geb^l 777, geht. 18i3.

Fouque ist es umgekehrt gegangen, wie Heinrich v. Kleist, seinem Lands¬
mann und Zeitgenossen. Dieser strebte während seines Lebens vergebens nach
Anerkennung, die ihm erst von einer spätern Generation zu Theil wurde, Jener
fand mit seiner Poesie bei der Masse des Volks, wie bei einem großen Theil
des höher Gebildeten den lebhaftesten Anklang, hatte aber das traurige Schicksal,
zu erleben, wie sein Name nur noch mit Achselzucken genannt wurde. Wenn
wir. heut zu Tage die Urtheile, die Hoffmann, Jean Paul, Stolberg, Fichte,
Goethe u. A. über ihn fällten, zu Geficht bekommen, so stimmt die warme Theil¬
nahme, ja die Begeisterung, die sich in ihnen ausspricht, nicht im Entferntesten
mehr zu dem Bilde, welches wir uns von ihm mehr aus der Tradition, als ans
eigener Kenntniß gemacht haben. Denn gelesen wird Fouauv nicht mehr; es wird
in der jüngern Welt nur noch Wenige geben, die etwas mehr von ihm kennen,
als höchstens die Undine.

Der Grund liegt zunächst in dem Unterschied zwischen den Leistungen Fouqu<z's
in seiner frühern und in seiner spätern Zeit. Die Ideen und Empfindungen,
die in seiner Jugend noch mit einer gewissen Frische und Originalität hervor¬
traten, wurden in den 20er und 30er Jahren zu bloßen Redensarten, und seine
Polemik gegen das Zeitalter nahm einen so geckenhaften Don Quixote'schen Ton
an, daß man ihm nicht einmal das Interesse schenken konnte, welches man sonst
einem gebildeten Gegner nicht versagt. Der ästhetische Werth seiner Schriften
sank unter das Niveau der ganz gewöhnlichen Taschenbuchliteratur, und der sitt¬
liche und politische Inhalt derselben wurde bis zur Abgeschmacktheit bornirt. Zu-'
letzt mußte er durch die von ihm Heransgegebene „Adelszeitung" (-I8/l0), so wie
durch die politische Gedichtsammlung, „Die Weltreiche", 183S, die Fülle der
. Lächerlichkeit erschöpfen. Damals war die gute Gesellschaft noch liberal, oder
liberal-conservativ; die-Anpreisung des absolute» Königthums und der absoluten
Aristokratie konnte keine Proselyten gewinnen. Heut zu Tage, wo die Angst'vor
der Revolution die Partei der äußersten Rechten auf einen ihr eigentlich ganz
unangemessenen Standpunkt erhoben hat, würde ein kleiner Einband derselben
in Goldschnitt vielleicht wieder Glück machen, wenn nicht die politischen Stoffe
eine andere Physiognomie angenommen hätten, und wenn ihm nicht die neueren
Reactionspoeten Concurrenz machten. Gedächtniß und Dankbarkeit hält bei den
Parteien nicht lange aus. Unsre Konservativen sind noch nicht so weit gekommen,


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[0175] Charakterbilder aus der deutschen Restauratious- literatur. Friedrich Baron de la Motte Fouque. geb^l 777, geht. 18i3. Fouque ist es umgekehrt gegangen, wie Heinrich v. Kleist, seinem Lands¬ mann und Zeitgenossen. Dieser strebte während seines Lebens vergebens nach Anerkennung, die ihm erst von einer spätern Generation zu Theil wurde, Jener fand mit seiner Poesie bei der Masse des Volks, wie bei einem großen Theil des höher Gebildeten den lebhaftesten Anklang, hatte aber das traurige Schicksal, zu erleben, wie sein Name nur noch mit Achselzucken genannt wurde. Wenn wir. heut zu Tage die Urtheile, die Hoffmann, Jean Paul, Stolberg, Fichte, Goethe u. A. über ihn fällten, zu Geficht bekommen, so stimmt die warme Theil¬ nahme, ja die Begeisterung, die sich in ihnen ausspricht, nicht im Entferntesten mehr zu dem Bilde, welches wir uns von ihm mehr aus der Tradition, als ans eigener Kenntniß gemacht haben. Denn gelesen wird Fouauv nicht mehr; es wird in der jüngern Welt nur noch Wenige geben, die etwas mehr von ihm kennen, als höchstens die Undine. Der Grund liegt zunächst in dem Unterschied zwischen den Leistungen Fouqu<z's in seiner frühern und in seiner spätern Zeit. Die Ideen und Empfindungen, die in seiner Jugend noch mit einer gewissen Frische und Originalität hervor¬ traten, wurden in den 20er und 30er Jahren zu bloßen Redensarten, und seine Polemik gegen das Zeitalter nahm einen so geckenhaften Don Quixote'schen Ton an, daß man ihm nicht einmal das Interesse schenken konnte, welches man sonst einem gebildeten Gegner nicht versagt. Der ästhetische Werth seiner Schriften sank unter das Niveau der ganz gewöhnlichen Taschenbuchliteratur, und der sitt¬ liche und politische Inhalt derselben wurde bis zur Abgeschmacktheit bornirt. Zu-' letzt mußte er durch die von ihm Heransgegebene „Adelszeitung" (-I8/l0), so wie durch die politische Gedichtsammlung, „Die Weltreiche", 183S, die Fülle der . Lächerlichkeit erschöpfen. Damals war die gute Gesellschaft noch liberal, oder liberal-conservativ; die-Anpreisung des absolute» Königthums und der absoluten Aristokratie konnte keine Proselyten gewinnen. Heut zu Tage, wo die Angst'vor der Revolution die Partei der äußersten Rechten auf einen ihr eigentlich ganz unangemessenen Standpunkt erhoben hat, würde ein kleiner Einband derselben in Goldschnitt vielleicht wieder Glück machen, wenn nicht die politischen Stoffe eine andere Physiognomie angenommen hätten, und wenn ihm nicht die neueren Reactionspoeten Concurrenz machten. Gedächtniß und Dankbarkeit hält bei den Parteien nicht lange aus. Unsre Konservativen sind noch nicht so weit gekommen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/175>, abgerufen am 24.07.2024.