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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Nun dürfen wir aber zum Schluß einen Tadel nicht zurückhalten. Der erste
Band hat eine Ausdehnung erhalten, die, wenn die andern Theile der Geschichte
in ähnlicher Ausführlichkeit behandelt werden, dem Werk einen Umfang geben
würde, der seinem Zweck widerspricht, oder die eine Ungleichheit in der Behand¬
lung bedingt. Er behandelt nur Aegypten und die Geschichte der semitischen
Stämme bis zu der Zeit, wo die Perser auftraten, während eigentlich in diesen
Theil noch die griechische Vorgeschichte bis auf die Perserkriege hätte aufgenommen
werden müssen. Der Grund dieser Ausdehnung liegt einmal in der ausführlichen
Darstellung der jüdischen Geschichte, die nicht viel weniger als ein Drittel des
ganzen Buchs einnimmt, und die den Inhalt der Bibel von Abraham an mit
dem vollständigen Detail erzählt. Das war überflüssig, da die Bibel selbst in
Jedermanns Händen ist; hier genügte es vollständig, die Gesichtspunkte anzugeben,
von denen man bei der Lecture der Bibel ausgehen muß, um ihren Inhalt unbefangen
zu würdigen. Diese wesentlichen Gesichtspunkte wären dann um so schärfer und
prägnanter hervorgetreten, während sie sich jetzt in den einzelnen Begebenheiten
zerstreuen. Wir begreifen sehr wohl den Grund dieser Ausführlichkeit, da die
Vollständigkeit der Erzählung bei dem Buch die Hauptsache ist; wir können aber
das Verfahren dennoch nicht billigen, da es anderen, höheren Zwecken entgegen¬
tritt, und da das Urtheil über einzelne Personen und Zustände, welches der Ge¬
schichtschreiber einfließen läßt, ohnehin schon von jedem Gebildeten ohne weitere
Beihilfe gesunden werden dürste. -- Ferner hat sich Duncker bei der Darstellung
her Aegypter und der Assyrier in einzelne wissenschaftliche Argumentationen ein¬
gelassen, die doch nicht erschöpfend sein konnten, und die hier nicht am Ort waren,
und diesen kritischen Bemerkungen zu Liebe manche Details angeführt, die der
Gesamtübersicht und der Anschaulichkeit eher hinderlich als förderlich sind.

Wir haben diese Bemerkungen nicht unterdrückt, theils weil sie auch auf die
späteren Theile ihre Anwendung finden, wo gleichfalls die Gefahr nahe liegt,
allgemein bekannte Begebenheiten und Traditionen, die man nur berühren'darf,
des unmittelbaren Interesses wegen mit einer über das Nothwendige hinausgehen¬
den Ausführlichkeit zu behandeln, theils weil wir den Verfasser noch schärfer auf das
Princip aufmerksam machen möchten, welches er nie aus den Augen verlieren darf,
daß nämlich sein Werk nicht aus alle Welt, nicht auf Kinder und Handwerker,
sondern nur auf das gebildete Publicum berechnet sein darf. Wir haben aber
außerdem noch die Hoffnung, daß sie noch für diesen Theil ihre Berücksichtigung
finden werden, da wir eine zweite in nicht zu langer Zeit erfolgende Ausgabe
eben so hoffen als erwarten.




Nun dürfen wir aber zum Schluß einen Tadel nicht zurückhalten. Der erste
Band hat eine Ausdehnung erhalten, die, wenn die andern Theile der Geschichte
in ähnlicher Ausführlichkeit behandelt werden, dem Werk einen Umfang geben
würde, der seinem Zweck widerspricht, oder die eine Ungleichheit in der Behand¬
lung bedingt. Er behandelt nur Aegypten und die Geschichte der semitischen
Stämme bis zu der Zeit, wo die Perser auftraten, während eigentlich in diesen
Theil noch die griechische Vorgeschichte bis auf die Perserkriege hätte aufgenommen
werden müssen. Der Grund dieser Ausdehnung liegt einmal in der ausführlichen
Darstellung der jüdischen Geschichte, die nicht viel weniger als ein Drittel des
ganzen Buchs einnimmt, und die den Inhalt der Bibel von Abraham an mit
dem vollständigen Detail erzählt. Das war überflüssig, da die Bibel selbst in
Jedermanns Händen ist; hier genügte es vollständig, die Gesichtspunkte anzugeben,
von denen man bei der Lecture der Bibel ausgehen muß, um ihren Inhalt unbefangen
zu würdigen. Diese wesentlichen Gesichtspunkte wären dann um so schärfer und
prägnanter hervorgetreten, während sie sich jetzt in den einzelnen Begebenheiten
zerstreuen. Wir begreifen sehr wohl den Grund dieser Ausführlichkeit, da die
Vollständigkeit der Erzählung bei dem Buch die Hauptsache ist; wir können aber
das Verfahren dennoch nicht billigen, da es anderen, höheren Zwecken entgegen¬
tritt, und da das Urtheil über einzelne Personen und Zustände, welches der Ge¬
schichtschreiber einfließen läßt, ohnehin schon von jedem Gebildeten ohne weitere
Beihilfe gesunden werden dürste. — Ferner hat sich Duncker bei der Darstellung
her Aegypter und der Assyrier in einzelne wissenschaftliche Argumentationen ein¬
gelassen, die doch nicht erschöpfend sein konnten, und die hier nicht am Ort waren,
und diesen kritischen Bemerkungen zu Liebe manche Details angeführt, die der
Gesamtübersicht und der Anschaulichkeit eher hinderlich als förderlich sind.

Wir haben diese Bemerkungen nicht unterdrückt, theils weil sie auch auf die
späteren Theile ihre Anwendung finden, wo gleichfalls die Gefahr nahe liegt,
allgemein bekannte Begebenheiten und Traditionen, die man nur berühren'darf,
des unmittelbaren Interesses wegen mit einer über das Nothwendige hinausgehen¬
den Ausführlichkeit zu behandeln, theils weil wir den Verfasser noch schärfer auf das
Princip aufmerksam machen möchten, welches er nie aus den Augen verlieren darf,
daß nämlich sein Werk nicht aus alle Welt, nicht auf Kinder und Handwerker,
sondern nur auf das gebildete Publicum berechnet sein darf. Wir haben aber
außerdem noch die Hoffnung, daß sie noch für diesen Theil ihre Berücksichtigung
finden werden, da wir eine zweite in nicht zu langer Zeit erfolgende Ausgabe
eben so hoffen als erwarten.




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[0174] Nun dürfen wir aber zum Schluß einen Tadel nicht zurückhalten. Der erste Band hat eine Ausdehnung erhalten, die, wenn die andern Theile der Geschichte in ähnlicher Ausführlichkeit behandelt werden, dem Werk einen Umfang geben würde, der seinem Zweck widerspricht, oder die eine Ungleichheit in der Behand¬ lung bedingt. Er behandelt nur Aegypten und die Geschichte der semitischen Stämme bis zu der Zeit, wo die Perser auftraten, während eigentlich in diesen Theil noch die griechische Vorgeschichte bis auf die Perserkriege hätte aufgenommen werden müssen. Der Grund dieser Ausdehnung liegt einmal in der ausführlichen Darstellung der jüdischen Geschichte, die nicht viel weniger als ein Drittel des ganzen Buchs einnimmt, und die den Inhalt der Bibel von Abraham an mit dem vollständigen Detail erzählt. Das war überflüssig, da die Bibel selbst in Jedermanns Händen ist; hier genügte es vollständig, die Gesichtspunkte anzugeben, von denen man bei der Lecture der Bibel ausgehen muß, um ihren Inhalt unbefangen zu würdigen. Diese wesentlichen Gesichtspunkte wären dann um so schärfer und prägnanter hervorgetreten, während sie sich jetzt in den einzelnen Begebenheiten zerstreuen. Wir begreifen sehr wohl den Grund dieser Ausführlichkeit, da die Vollständigkeit der Erzählung bei dem Buch die Hauptsache ist; wir können aber das Verfahren dennoch nicht billigen, da es anderen, höheren Zwecken entgegen¬ tritt, und da das Urtheil über einzelne Personen und Zustände, welches der Ge¬ schichtschreiber einfließen läßt, ohnehin schon von jedem Gebildeten ohne weitere Beihilfe gesunden werden dürste. — Ferner hat sich Duncker bei der Darstellung her Aegypter und der Assyrier in einzelne wissenschaftliche Argumentationen ein¬ gelassen, die doch nicht erschöpfend sein konnten, und die hier nicht am Ort waren, und diesen kritischen Bemerkungen zu Liebe manche Details angeführt, die der Gesamtübersicht und der Anschaulichkeit eher hinderlich als förderlich sind. Wir haben diese Bemerkungen nicht unterdrückt, theils weil sie auch auf die späteren Theile ihre Anwendung finden, wo gleichfalls die Gefahr nahe liegt, allgemein bekannte Begebenheiten und Traditionen, die man nur berühren'darf, des unmittelbaren Interesses wegen mit einer über das Nothwendige hinausgehen¬ den Ausführlichkeit zu behandeln, theils weil wir den Verfasser noch schärfer auf das Princip aufmerksam machen möchten, welches er nie aus den Augen verlieren darf, daß nämlich sein Werk nicht aus alle Welt, nicht auf Kinder und Handwerker, sondern nur auf das gebildete Publicum berechnet sein darf. Wir haben aber außerdem noch die Hoffnung, daß sie noch für diesen Theil ihre Berücksichtigung finden werden, da wir eine zweite in nicht zu langer Zeit erfolgende Ausgabe eben so hoffen als erwarten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/174>, abgerufen am 24.07.2024.