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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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sagen, daß zu viel producirt werde, wo man noch zuweilen das Nützliche, Noth¬
wendige zu produciren den Unterthanen verwehrt, und für Producte noch be¬
deutende Summen anßer Landes wandern läßt, deren Preis man den Inländern
zu verdienen nicht gestattet; wo nun das Gewerbe hindert, den Boden möglichst
nutzbar zu machen und damit dessen Werth zu erhöhen? Und wie mag man
andererseits die Behauptung rechtfertigen, die Bevölkerung sei zu zahlreich um
sich zu ernähren, so lange man den Betriebsamen hindert, sich selbst und dem
Lande mit allem ehrliche", rechtlichen Gewerbe Gewinn und Wohlstand zu suchen?

Die Furcht vor allgemeiner Ueberproduction ist ein Unsinn, jede Annahme
von Uebervölkerung fast eine Irreligiosität. Aber mehrt die Production eines
Landes die Bevölkerung, so muß auch die Regierung dieser Bevölkerung alle
mit ihrer Vermehrung vou selbst sich mehrenden Quellen des Erwerbes öffnen,
oder doch, da der Gewerbtreibende selbst diese Quellen am besten zu finden pflegt,
nicht verschließe".

Wenn el"e Regierung dies thut, wenn sie alles Gewerbe frei gewähren
läßt bis zur Greuze des Rechts und der öffentlichen und sittlichen Ordnung;
wenn sie durch Pflege der Wissenschaften dem Volke die Bildung giebt, welche
die Kräfte der Natur dem'Menschen mehr und mehr dienst- und nutzbar macht,
und damit immer neue Quellen des Wohlstandes öffnet; wenn sie jede Irrthümer,
welche in die öffentliche Meinung sich einschleichen, zu widerlegen, und die Wahr¬
heit zur Geltung zu bringen sich bemüht, und wenn sie endlich, wo die Freiheit
der Bewegung in Unordnung, Unsittlichkeit und Unrecht ausarten will, nach
möglichst geeigneten Gesetzen, mit angemessenen aber strengem Gerichte verfährt,
so erfüllt sie damit eine Aufgabe, welche hoch genug und, wohl durchgeführt,
segensreich genug ist, um dem strebsamsten Geiste ein lohnendes Feld seiner Arbeit
und dem Freunde des Volkes das theuerste Ziel seines Strebens zu sein.

Die Oeffnung aller Erwerbsquellen eines Landes wird jedem alle Arbeits¬
gebiete zugänglich machen, damit aber alle Kräfte des Landes anwenden und mit
der Uebung stärken; die geistige Bildung des Volkes wird die Zahl dieser Kräfte
noch vermehren und diese selbst wieder erhöhen'; -- die Wegräumung aller lästi¬
gen und unbilligen Schranken wird dem Gewerbe neue Capitalien zuführen, und
die geistige Bildung wird Capital und Arbeit auf .die rechten Bahnen leiten; --
die geistige Ausbildung des Volkes wird ferner Irrthümer vermeiden und besei¬
tigen, welche jenem oft große Wunden schlagen, und nicht selten den öffentlichen
Frieden selbst beeinträchtigen. Sie wird, wo sie hoch gediehen ist, Thorheiten,
wie wir sie in den Jahren 1848 und i9 in Deutschland unter den arbeitenden
Klassen gesehen haben, unmöglich machen, Thorheiten, welche nur bei einem
Verkennen aller vernünftigen Grundlagen des Gewerbes und Erwerbes auftauchen
konnten. Die vermehrte Bildung wird zwar Differenzen zwischen Arbeitern und
Arbeitgebern gänzlich aufzuheben nicht vermögen, sie wird aber beide Theile


sagen, daß zu viel producirt werde, wo man noch zuweilen das Nützliche, Noth¬
wendige zu produciren den Unterthanen verwehrt, und für Producte noch be¬
deutende Summen anßer Landes wandern läßt, deren Preis man den Inländern
zu verdienen nicht gestattet; wo nun das Gewerbe hindert, den Boden möglichst
nutzbar zu machen und damit dessen Werth zu erhöhen? Und wie mag man
andererseits die Behauptung rechtfertigen, die Bevölkerung sei zu zahlreich um
sich zu ernähren, so lange man den Betriebsamen hindert, sich selbst und dem
Lande mit allem ehrliche», rechtlichen Gewerbe Gewinn und Wohlstand zu suchen?

Die Furcht vor allgemeiner Ueberproduction ist ein Unsinn, jede Annahme
von Uebervölkerung fast eine Irreligiosität. Aber mehrt die Production eines
Landes die Bevölkerung, so muß auch die Regierung dieser Bevölkerung alle
mit ihrer Vermehrung vou selbst sich mehrenden Quellen des Erwerbes öffnen,
oder doch, da der Gewerbtreibende selbst diese Quellen am besten zu finden pflegt,
nicht verschließe».

Wenn el»e Regierung dies thut, wenn sie alles Gewerbe frei gewähren
läßt bis zur Greuze des Rechts und der öffentlichen und sittlichen Ordnung;
wenn sie durch Pflege der Wissenschaften dem Volke die Bildung giebt, welche
die Kräfte der Natur dem'Menschen mehr und mehr dienst- und nutzbar macht,
und damit immer neue Quellen des Wohlstandes öffnet; wenn sie jede Irrthümer,
welche in die öffentliche Meinung sich einschleichen, zu widerlegen, und die Wahr¬
heit zur Geltung zu bringen sich bemüht, und wenn sie endlich, wo die Freiheit
der Bewegung in Unordnung, Unsittlichkeit und Unrecht ausarten will, nach
möglichst geeigneten Gesetzen, mit angemessenen aber strengem Gerichte verfährt,
so erfüllt sie damit eine Aufgabe, welche hoch genug und, wohl durchgeführt,
segensreich genug ist, um dem strebsamsten Geiste ein lohnendes Feld seiner Arbeit
und dem Freunde des Volkes das theuerste Ziel seines Strebens zu sein.

Die Oeffnung aller Erwerbsquellen eines Landes wird jedem alle Arbeits¬
gebiete zugänglich machen, damit aber alle Kräfte des Landes anwenden und mit
der Uebung stärken; die geistige Bildung des Volkes wird die Zahl dieser Kräfte
noch vermehren und diese selbst wieder erhöhen'; — die Wegräumung aller lästi¬
gen und unbilligen Schranken wird dem Gewerbe neue Capitalien zuführen, und
die geistige Bildung wird Capital und Arbeit auf .die rechten Bahnen leiten; —
die geistige Ausbildung des Volkes wird ferner Irrthümer vermeiden und besei¬
tigen, welche jenem oft große Wunden schlagen, und nicht selten den öffentlichen
Frieden selbst beeinträchtigen. Sie wird, wo sie hoch gediehen ist, Thorheiten,
wie wir sie in den Jahren 1848 und i9 in Deutschland unter den arbeitenden
Klassen gesehen haben, unmöglich machen, Thorheiten, welche nur bei einem
Verkennen aller vernünftigen Grundlagen des Gewerbes und Erwerbes auftauchen
konnten. Die vermehrte Bildung wird zwar Differenzen zwischen Arbeitern und
Arbeitgebern gänzlich aufzuheben nicht vermögen, sie wird aber beide Theile


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/153>, abgerufen am 05.07.2024.