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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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so bleibt daneben freilich zwischen dem Maße der Productivität der einzelnen
Arbeiten zu unterscheiden. Es ist hier nicht der Ort, auf die Ursachen einzu¬
gehen, welche auch in regelmäßigen Zuständen die eine Arbeit besser bezahlt machen
als die andere. Die Ursachen dieser Verschiedenheit sind von den Lehrern der
Volkswirthschaft genügend nachgewiesen, und haben in sich selbst ihre hinläng¬
liche Rechtfertigung, gleichwie alle Verschiedenheiten in der ganzen Natur ihre
Erklärung und Ausgleichung finden. Wol dagegen haben wir hier ans die Ver¬
schiedenheit der Arbeit je nach ihrer Productivität für die Gesammtheit des
Staates, die Gesellschaft, oder nur für das Individuum hinzuweisen, und auf die
Bedingungen dieser beiden Arten der Productivität aufmerksam zu machen.

Es giebt Arbeiten, welche sehr prodnctiv für den einzelnen Arbeitenden sind,
ohne doch für die Gesammtheit irgend welche Productivität zu zeigen; andere,
welche ihre gleiche Productivität für beide, die Gesammtheit und das arbeitende
Individuum, unmittelbar und offen äußern; andere endlich, welche unmittelbar nur
für den einzelnen Arbeitenden prodnctiv scheinen, mittelbar aber von unschätzbarem
Werthe, auch für die Gesammtheit und daher auch für diese höchst produc-
tiv sind.

Von welchen dieser Arbeiten nun ein Volk sich vorzugsweise Glück zu ver-'
sprechen habe, kann keinen Zweifel unterliegen. Glück und Reichthum gehen bei
einem Volke inniger noch, als bei dem einzelnen Menschen Hand in Hand. Bei
dem einzelnen Menschen ist Bildung und wahres Lebensglück nicht immer von
eigenem Reichthums bedingt. Manchen Armen reißt Gönnerschaft reicher Freunde
aus der drückenden Lage heraus, welche die Entwickelung seines Talentes hindern
wollte, und erhebt ihn zu dem Glücke eines durchgebildeten Menschen. Einem
verarmten Volke kommt Niemand zu Hilfe. Die erste Bedingung also nicht nur
des körperlichen Wohlbefindens, sondern auch der geistigen Bildung, d. h. des
Glückes ist für ein Volk der Reichthum an materiellen Gütern, und diejenigen
Arbeiten werden daher den ersten und den Grundpfeiler des Staatswohles bil¬
den, welche unmittelbar auf die Bereicherung der Gesammtheit dnrch gleichzeitige
Bereicherung des Individuums gerichtet siud. Diese Arbeiten, welche in der Ge¬
sellschaft jedes Volkes mit der Anfertigung der nöthigsten Bedürfnisse beginnen
und mit dem steigenden Wohlstande erst zu den verfeinerten, weniger unentbehr¬
lichen Bedürfnissen übergehen, lassen sich in einen Begriff als diejenigen zu¬
sammen sassen, welche sich unmittelbar mit der Findung oder Erzeugung
materieller Werthe beschäftigen.

Neben diesen Arbeiten, zum Schutze, zur Vervollkommnung ihrer und des
Menschen in sittlicher und wissenschaftlicher 'Hinsicht finden wir die große Reihe
von Thätigkeiten, welche dem unverständigen Auge oftmals unproductiv scheinen,
weil aus den Köpfen und Händen ihrer Vertreter entweder eine Waare über¬
haupt gar nicht hervorgeht, oder doch keine solche, welche für jeden einen Werth


so bleibt daneben freilich zwischen dem Maße der Productivität der einzelnen
Arbeiten zu unterscheiden. Es ist hier nicht der Ort, auf die Ursachen einzu¬
gehen, welche auch in regelmäßigen Zuständen die eine Arbeit besser bezahlt machen
als die andere. Die Ursachen dieser Verschiedenheit sind von den Lehrern der
Volkswirthschaft genügend nachgewiesen, und haben in sich selbst ihre hinläng¬
liche Rechtfertigung, gleichwie alle Verschiedenheiten in der ganzen Natur ihre
Erklärung und Ausgleichung finden. Wol dagegen haben wir hier ans die Ver¬
schiedenheit der Arbeit je nach ihrer Productivität für die Gesammtheit des
Staates, die Gesellschaft, oder nur für das Individuum hinzuweisen, und auf die
Bedingungen dieser beiden Arten der Productivität aufmerksam zu machen.

Es giebt Arbeiten, welche sehr prodnctiv für den einzelnen Arbeitenden sind,
ohne doch für die Gesammtheit irgend welche Productivität zu zeigen; andere,
welche ihre gleiche Productivität für beide, die Gesammtheit und das arbeitende
Individuum, unmittelbar und offen äußern; andere endlich, welche unmittelbar nur
für den einzelnen Arbeitenden prodnctiv scheinen, mittelbar aber von unschätzbarem
Werthe, auch für die Gesammtheit und daher auch für diese höchst produc-
tiv sind.

Von welchen dieser Arbeiten nun ein Volk sich vorzugsweise Glück zu ver-'
sprechen habe, kann keinen Zweifel unterliegen. Glück und Reichthum gehen bei
einem Volke inniger noch, als bei dem einzelnen Menschen Hand in Hand. Bei
dem einzelnen Menschen ist Bildung und wahres Lebensglück nicht immer von
eigenem Reichthums bedingt. Manchen Armen reißt Gönnerschaft reicher Freunde
aus der drückenden Lage heraus, welche die Entwickelung seines Talentes hindern
wollte, und erhebt ihn zu dem Glücke eines durchgebildeten Menschen. Einem
verarmten Volke kommt Niemand zu Hilfe. Die erste Bedingung also nicht nur
des körperlichen Wohlbefindens, sondern auch der geistigen Bildung, d. h. des
Glückes ist für ein Volk der Reichthum an materiellen Gütern, und diejenigen
Arbeiten werden daher den ersten und den Grundpfeiler des Staatswohles bil¬
den, welche unmittelbar auf die Bereicherung der Gesammtheit dnrch gleichzeitige
Bereicherung des Individuums gerichtet siud. Diese Arbeiten, welche in der Ge¬
sellschaft jedes Volkes mit der Anfertigung der nöthigsten Bedürfnisse beginnen
und mit dem steigenden Wohlstande erst zu den verfeinerten, weniger unentbehr¬
lichen Bedürfnissen übergehen, lassen sich in einen Begriff als diejenigen zu¬
sammen sassen, welche sich unmittelbar mit der Findung oder Erzeugung
materieller Werthe beschäftigen.

Neben diesen Arbeiten, zum Schutze, zur Vervollkommnung ihrer und des
Menschen in sittlicher und wissenschaftlicher 'Hinsicht finden wir die große Reihe
von Thätigkeiten, welche dem unverständigen Auge oftmals unproductiv scheinen,
weil aus den Köpfen und Händen ihrer Vertreter entweder eine Waare über¬
haupt gar nicht hervorgeht, oder doch keine solche, welche für jeden einen Werth


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/150>, abgerufen am 04.07.2024.