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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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schnitte mehr Arbeitsfähige und Arbeitslustige, oder Unfähige und Unlustige unser
Vaterland in den letzten Jahren verlassen haben, so wird man den Verlust an
Arbeits- und Erwerbskraft allein, welchen Deutschland erlittten, sehr hoch an¬
schlagen müssen. Untersucht mau aber vollends weiter, welche baare Capitalien
diese Auswanderer mit sich genommen haben, dann vor Allem werden wir uns
über den furchtbaren Aderlaß, von welchem viele so glückliche Erleichterung träu¬
men, wenig zu freuen haben.

Die meisten deutschen Regierungen haben aber die Nuswandermig, mehr oder
minder direct, dennoch befördert, weil sie selbst meinen, es seien der Arbeitskräfte
in Deutschland mehr vorhanden, als beschäftigt würden, und diesen unbeschäftigten
Arbeitern und ihren Familien müsse die Auswanderung angepriesen und erleich¬
tert werden, denn sie gehören nicht mehr den productiven Arbeitern an, sondern
fallen dem Lande und den Unterstützungskassen zur Last.

Und hiermit behaupten die Regierungen nichts Geringeres, als die Existenz
eines Undinges, nämlich der Ueberproduction. Ist ein Product nichts Anderes,
als ein durch menschliche Arbeit hervorgebrachter Werth, und sind alle Bedürfnisse
der Gesammtheit eines Staates, wie die des Individuums, ebenfalls solche Pro-
ducte der Arbeit, solche Werthe; tauschen wir daher, wenn wir einen Werth für
den andern einkaufen, um Product gegen Product, in der letzten Zurückführung
nur Arbeit gegen Arbeit, so leuchtet ein, daß die Bedingung des Reichthums
eines Individuums, wie eines ganzen Volkes, nicht nur, was Niemand bestreitet,
die Vielheit seiner Werthe, sondern, und was dasselbe, das Ursprüngliche ist, die
Vielheit seiner Producte, dit Quantität seiner Arbeit ist. Und in demselben
Maße nnn, wie die Quantität der Arbeit eines ganzen Staates die Größe seines
Reichthums bestimmt, in demselben Verhältnisse wird das Individuum an diesem
wachsenden Reichthums der Gesellschaft einen größern oder geringern Antheil
haben, je größern oder geringern Theil es an der Totalmasse der Arbeit dieser
Gesellschaft genommen hat.

Wenn uns aber die Förderer der Auswanderung hier einwenden, daß der
Arbeit so viel gefertigt werden könne, daß sie aufhöre productiv zu sein, weil
ihre Prvdncre aufhören, Werthe zu repräsentiren, so beruht dies, von der Arbeit
im Allgemeinen zu reden, ans einem entschiedenen Irrthume. Denn so lange es
eine Wahrheit sein wird, daß jeder Werth, im Besitze des Menschen gedacht, nichts
Anderes ist als ein Product der menschlichen Arbeit, so lange darnach jeder Tausch
zweier Werthe, eines entbehrlichen gegen einen nöthigen, Nichts ist, als ein Tausch
zweier Arbeiten, so lange wird es nicht möglich sein, daß der Arbeit zu viel ge¬
leistet werde, denn so lange wird auch jede Arbeit des Einen die Arbeit des
Andern verdienen, also ein Werth sein, welcher nominell zwar groß oder gering
scheinen kann, an sich aber und im Durchschnitte der Zeiten gerechnet gleich sein
muß. Gilt dies von der Arbeit im Allgemeinen mit mathematischer Gewißheit,


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schnitte mehr Arbeitsfähige und Arbeitslustige, oder Unfähige und Unlustige unser
Vaterland in den letzten Jahren verlassen haben, so wird man den Verlust an
Arbeits- und Erwerbskraft allein, welchen Deutschland erlittten, sehr hoch an¬
schlagen müssen. Untersucht mau aber vollends weiter, welche baare Capitalien
diese Auswanderer mit sich genommen haben, dann vor Allem werden wir uns
über den furchtbaren Aderlaß, von welchem viele so glückliche Erleichterung träu¬
men, wenig zu freuen haben.

Die meisten deutschen Regierungen haben aber die Nuswandermig, mehr oder
minder direct, dennoch befördert, weil sie selbst meinen, es seien der Arbeitskräfte
in Deutschland mehr vorhanden, als beschäftigt würden, und diesen unbeschäftigten
Arbeitern und ihren Familien müsse die Auswanderung angepriesen und erleich¬
tert werden, denn sie gehören nicht mehr den productiven Arbeitern an, sondern
fallen dem Lande und den Unterstützungskassen zur Last.

Und hiermit behaupten die Regierungen nichts Geringeres, als die Existenz
eines Undinges, nämlich der Ueberproduction. Ist ein Product nichts Anderes,
als ein durch menschliche Arbeit hervorgebrachter Werth, und sind alle Bedürfnisse
der Gesammtheit eines Staates, wie die des Individuums, ebenfalls solche Pro-
ducte der Arbeit, solche Werthe; tauschen wir daher, wenn wir einen Werth für
den andern einkaufen, um Product gegen Product, in der letzten Zurückführung
nur Arbeit gegen Arbeit, so leuchtet ein, daß die Bedingung des Reichthums
eines Individuums, wie eines ganzen Volkes, nicht nur, was Niemand bestreitet,
die Vielheit seiner Werthe, sondern, und was dasselbe, das Ursprüngliche ist, die
Vielheit seiner Producte, dit Quantität seiner Arbeit ist. Und in demselben
Maße nnn, wie die Quantität der Arbeit eines ganzen Staates die Größe seines
Reichthums bestimmt, in demselben Verhältnisse wird das Individuum an diesem
wachsenden Reichthums der Gesellschaft einen größern oder geringern Antheil
haben, je größern oder geringern Theil es an der Totalmasse der Arbeit dieser
Gesellschaft genommen hat.

Wenn uns aber die Förderer der Auswanderung hier einwenden, daß der
Arbeit so viel gefertigt werden könne, daß sie aufhöre productiv zu sein, weil
ihre Prvdncre aufhören, Werthe zu repräsentiren, so beruht dies, von der Arbeit
im Allgemeinen zu reden, ans einem entschiedenen Irrthume. Denn so lange es
eine Wahrheit sein wird, daß jeder Werth, im Besitze des Menschen gedacht, nichts
Anderes ist als ein Product der menschlichen Arbeit, so lange darnach jeder Tausch
zweier Werthe, eines entbehrlichen gegen einen nöthigen, Nichts ist, als ein Tausch
zweier Arbeiten, so lange wird es nicht möglich sein, daß der Arbeit zu viel ge¬
leistet werde, denn so lange wird auch jede Arbeit des Einen die Arbeit des
Andern verdienen, also ein Werth sein, welcher nominell zwar groß oder gering
scheinen kann, an sich aber und im Durchschnitte der Zeiten gerechnet gleich sein
muß. Gilt dies von der Arbeit im Allgemeinen mit mathematischer Gewißheit,


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[0149] schnitte mehr Arbeitsfähige und Arbeitslustige, oder Unfähige und Unlustige unser Vaterland in den letzten Jahren verlassen haben, so wird man den Verlust an Arbeits- und Erwerbskraft allein, welchen Deutschland erlittten, sehr hoch an¬ schlagen müssen. Untersucht mau aber vollends weiter, welche baare Capitalien diese Auswanderer mit sich genommen haben, dann vor Allem werden wir uns über den furchtbaren Aderlaß, von welchem viele so glückliche Erleichterung träu¬ men, wenig zu freuen haben. Die meisten deutschen Regierungen haben aber die Nuswandermig, mehr oder minder direct, dennoch befördert, weil sie selbst meinen, es seien der Arbeitskräfte in Deutschland mehr vorhanden, als beschäftigt würden, und diesen unbeschäftigten Arbeitern und ihren Familien müsse die Auswanderung angepriesen und erleich¬ tert werden, denn sie gehören nicht mehr den productiven Arbeitern an, sondern fallen dem Lande und den Unterstützungskassen zur Last. Und hiermit behaupten die Regierungen nichts Geringeres, als die Existenz eines Undinges, nämlich der Ueberproduction. Ist ein Product nichts Anderes, als ein durch menschliche Arbeit hervorgebrachter Werth, und sind alle Bedürfnisse der Gesammtheit eines Staates, wie die des Individuums, ebenfalls solche Pro- ducte der Arbeit, solche Werthe; tauschen wir daher, wenn wir einen Werth für den andern einkaufen, um Product gegen Product, in der letzten Zurückführung nur Arbeit gegen Arbeit, so leuchtet ein, daß die Bedingung des Reichthums eines Individuums, wie eines ganzen Volkes, nicht nur, was Niemand bestreitet, die Vielheit seiner Werthe, sondern, und was dasselbe, das Ursprüngliche ist, die Vielheit seiner Producte, dit Quantität seiner Arbeit ist. Und in demselben Maße nnn, wie die Quantität der Arbeit eines ganzen Staates die Größe seines Reichthums bestimmt, in demselben Verhältnisse wird das Individuum an diesem wachsenden Reichthums der Gesellschaft einen größern oder geringern Antheil haben, je größern oder geringern Theil es an der Totalmasse der Arbeit dieser Gesellschaft genommen hat. Wenn uns aber die Förderer der Auswanderung hier einwenden, daß der Arbeit so viel gefertigt werden könne, daß sie aufhöre productiv zu sein, weil ihre Prvdncre aufhören, Werthe zu repräsentiren, so beruht dies, von der Arbeit im Allgemeinen zu reden, ans einem entschiedenen Irrthume. Denn so lange es eine Wahrheit sein wird, daß jeder Werth, im Besitze des Menschen gedacht, nichts Anderes ist als ein Product der menschlichen Arbeit, so lange darnach jeder Tausch zweier Werthe, eines entbehrlichen gegen einen nöthigen, Nichts ist, als ein Tausch zweier Arbeiten, so lange wird es nicht möglich sein, daß der Arbeit zu viel ge¬ leistet werde, denn so lange wird auch jede Arbeit des Einen die Arbeit des Andern verdienen, also ein Werth sein, welcher nominell zwar groß oder gering scheinen kann, an sich aber und im Durchschnitte der Zeiten gerechnet gleich sein muß. Gilt dies von der Arbeit im Allgemeinen mit mathematischer Gewißheit, 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/149>, abgerufen am 04.07.2024.