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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Gesichtspunkte und nothwendige Mittel zur Begründung einer gesunden nationalen
Politik fördern und tragen sollen. Nur zähle man nicht in einem solchen Falle
wirthschaftliche Vortheile denen ans, welche sich durch solche allein bestimmen
lassen, und rechne niemals bloße Antipathien, unfreundliche Stimmungen und vor¬
eilig angenommene Situationen unter die nothwendigen Fundamente einer tüch¬
tigen und gewissen Politik.

Wenn sich die sämmtlichen in Darmstadt vertretenen Regierungen für ihre
Länder dem Projecte, welches aus den Bamberger Besprechungen hervorgegangen
sein soll, anschließen, und für den Fall, daß man in Berlin nicht durchzudringen
vermag, beharrlich aushalten, so wird sich nicht bezweifeln lassen, daß die für die
Begründung eines selbstständigen süddeutschen Zollvereins nöthig erachtete Zahl
von mindestens 10 Millionen Seelen zusammenkommen wird. Zwar Bayern,
(1846: 4,304,874 E.), Sachsen (1843: 1,737,800 E.) und Württemberg (1846:
1,743,827 E.) würden sür sich allein nicht genügend erscheinen; rechnet man aber die
übrigen Staaten noch hinzu, welche in Darmstadt vertreten sein sollen, nämlich Baden
(1846: 1,379,747 Einw.) Darmstadt (1846: 862,679 Einw.), Kurhessen (1843:
732,073 E.) und Nassau (184S: 417,708 E.); so kommt eine 10 Millionen
Seelen übersteigende Zahl heraus, und der Ueberschuß muß bei dem gegenwärtigen
seit 1843 und 1846 gestiegenen Stand der Bevölkerungen in den betreffen¬
den Ländern noch größer sein.

Man kann sich kaum über den endlichen Ausgang einer süddeutschen
Sondervcrbindung täuschen. Würde derselbe ein neues Grundprincip für die
gesammte Haltung der Handelspolitik aufstellen, welches sich wesentlich von der
östreichischen, wie von der preußischen Zolleinigung unterschiede, d. h. würde
dieselbe mit Entschiedenheit die Grundsätze und die Praxis des Freihandelssystems
bestimmt und consequent zu verwirklichen suchen, so ließe sich eine bedeutungsvolle
Entwickelung dem Vereine in Aussicht stellen. Da aber nichts weniger als dieses
zu erwarten steht, und vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach die eventuelle Handels¬
politik des eventuellen Vereins sich als eine Mitte zwischen den Intentionen der
preußisch-hannoverschen Verbindung und der von Oestreich wenigstens momentan
aufgegebenen Position herausstellen wird, so wird dieser süddeutsche Zollverein
der Anziehungskraft der größeren Vereine und insbesondere des östreichischen
Handelsgebietes nicht zu widerstehen vermögen. Eben deshalb glauben wir be¬
stimmt, nur Früchte sür Oestreich aus den Resultaten der Bamberger Uebereinkunft
in Aussicht stellen zu können. Ja, wir möchten- es als nicht minder sicher be¬
zeichnen, daß eben die Staaten, um deren freie Entschließung sich jetzt Alles zu
drehen scheint, weil sie das entscheidende Uebergemicht in einer der beiden Wag¬
schalen zu legen geeignet erscheinen, sich dann, wenn später die Nöthigung eines
Anschlusses an einen der beiden größeren Vereine, oder vielmehr, wegen der wahr¬
scheinlich größern Harmonie in den handelspolitischen Grundprincipien, wenn auch


Gesichtspunkte und nothwendige Mittel zur Begründung einer gesunden nationalen
Politik fördern und tragen sollen. Nur zähle man nicht in einem solchen Falle
wirthschaftliche Vortheile denen ans, welche sich durch solche allein bestimmen
lassen, und rechne niemals bloße Antipathien, unfreundliche Stimmungen und vor¬
eilig angenommene Situationen unter die nothwendigen Fundamente einer tüch¬
tigen und gewissen Politik.

Wenn sich die sämmtlichen in Darmstadt vertretenen Regierungen für ihre
Länder dem Projecte, welches aus den Bamberger Besprechungen hervorgegangen
sein soll, anschließen, und für den Fall, daß man in Berlin nicht durchzudringen
vermag, beharrlich aushalten, so wird sich nicht bezweifeln lassen, daß die für die
Begründung eines selbstständigen süddeutschen Zollvereins nöthig erachtete Zahl
von mindestens 10 Millionen Seelen zusammenkommen wird. Zwar Bayern,
(1846: 4,304,874 E.), Sachsen (1843: 1,737,800 E.) und Württemberg (1846:
1,743,827 E.) würden sür sich allein nicht genügend erscheinen; rechnet man aber die
übrigen Staaten noch hinzu, welche in Darmstadt vertreten sein sollen, nämlich Baden
(1846: 1,379,747 Einw.) Darmstadt (1846: 862,679 Einw.), Kurhessen (1843:
732,073 E.) und Nassau (184S: 417,708 E.); so kommt eine 10 Millionen
Seelen übersteigende Zahl heraus, und der Ueberschuß muß bei dem gegenwärtigen
seit 1843 und 1846 gestiegenen Stand der Bevölkerungen in den betreffen¬
den Ländern noch größer sein.

Man kann sich kaum über den endlichen Ausgang einer süddeutschen
Sondervcrbindung täuschen. Würde derselbe ein neues Grundprincip für die
gesammte Haltung der Handelspolitik aufstellen, welches sich wesentlich von der
östreichischen, wie von der preußischen Zolleinigung unterschiede, d. h. würde
dieselbe mit Entschiedenheit die Grundsätze und die Praxis des Freihandelssystems
bestimmt und consequent zu verwirklichen suchen, so ließe sich eine bedeutungsvolle
Entwickelung dem Vereine in Aussicht stellen. Da aber nichts weniger als dieses
zu erwarten steht, und vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach die eventuelle Handels¬
politik des eventuellen Vereins sich als eine Mitte zwischen den Intentionen der
preußisch-hannoverschen Verbindung und der von Oestreich wenigstens momentan
aufgegebenen Position herausstellen wird, so wird dieser süddeutsche Zollverein
der Anziehungskraft der größeren Vereine und insbesondere des östreichischen
Handelsgebietes nicht zu widerstehen vermögen. Eben deshalb glauben wir be¬
stimmt, nur Früchte sür Oestreich aus den Resultaten der Bamberger Uebereinkunft
in Aussicht stellen zu können. Ja, wir möchten- es als nicht minder sicher be¬
zeichnen, daß eben die Staaten, um deren freie Entschließung sich jetzt Alles zu
drehen scheint, weil sie das entscheidende Uebergemicht in einer der beiden Wag¬
schalen zu legen geeignet erscheinen, sich dann, wenn später die Nöthigung eines
Anschlusses an einen der beiden größeren Vereine, oder vielmehr, wegen der wahr¬
scheinlich größern Harmonie in den handelspolitischen Grundprincipien, wenn auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/145>, abgerufen am 04.07.2024.