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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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zwischen dem Consumtionsinteresse und dem Interesse der Producenten zu einer
bisher noch nicht erfahrenen Stärke herausbilden wird, muß es sich in kürzester
Frist zum zweiten Male zeigen, daß dem Komplex von Staaten, die man zu einem
süddeutschen Zollverein zu vereinigen sucht, diejenigen Bedingungen abgehen,
welche eine Verselbstständignng der Handelspolitik und der volkswirtschaftlichen
Maßnahme im Allgemeinen zu empfehlen vermögen. Man wird es wol nicht aus
der Praxis unsrer Zeit zu erhärten brauchen, daß das Ausland ans die Maßregeln,
welche ein "ausgiebiges" Schutzzollsystem nöthig macht, mit analogen Netorsionen
zu antworten pflegt. Für ein Haudelsgcbiet, welches das ausgiebige Schutzzoll¬
system als Banner seiner Vvlkswirthschaftspolitik erhebt, ist es deshalb unumgäng¬
lich erforderlich,,daß es entweder in dem eigenen Binnenlande einen hinreichenden
Absatzmarkt für die Producte der künstlich entwickelten Industrie besitzt, oder daß
es über die Landesgrenzen der im Activhaudel concurrirenden europäischen Nachbarn
hinaus sich einen weiten Absatz zu verschaffen vermag, wo ihm keinerlei Retor-
sionsmaßregeln zur Begründung' ausgiebiger Schutzzölle hinderlich in den Weg
treten. Daß für den letztern Ausweg dem von Bayern am eifrigsten betriebene"
süddeutschen Zollvereine alle Bedingungen fehlen, ist wol Jedermann an sich klar.
Die Schweiz, braucht so wenig ängstlich ans den Import deutscher Industrie-
Waaren zu blicke", daß sie inmitten protectionistischcr Nachbarn die Grundsätze
des freien Verkehrs ansteche erhalten kann; gerade so versteht sie es, sich einen,
wenn mich noch so schwer bedrückten, Export in die Weite zu erhalten. Oestreich
wird sicherlich die Erstarkung seiner eigenen Industrie mehr im Auge behalten, als
daß es seine Länder als ein nothwendiges Marktgebiet sür die süddeutschen
Industriellen ganz offen zu halten bereit erscheinen wird; und das Handelsgebiet
des preußisch deutschen Zollvereins wird der Politik abgefallener Bundesgenossen
auch nicht die Wege eben und breit machen. Auf der andern Seite weiß Jeder,
der nur einigermaßen mit den Erwerbszweigen, insbesondere der süddeutschen
Staaten, wie Bayern, Württemberg, Baden u. s. w. bekannt ist, wie groß dort die
Homogenität der protectiven Beschäftigungen ist, und wie dieselbe fortwährend im
Zunehmen begriffen ist. Wie weit ist das für den neuen Bund beabsichtigte
Landesgebiet davon entfernt, Bevölkerungen mit einander in eine Zolleinigung zu
bringen, von denen etwa die eine Hälfte vorzugsweise von der Urproduction und die
andere von der Fabrikation ihren Erwerb zu gewinnen sucht. Es ist nicht viel
anders, als wenn jedes dieser Länder für sich ein besonderes Schutzzollsystem zu
Gunsten der inländischen Industrie aufzurichten unternehmen würde. Insbeson¬
dere werden die Industriellen in den nördlicheren Staaten, wie Sachsen und Kur¬
hessen, gar wohl wissen, wohin die Exportzüge ihrer Fabrikate hauptsächlich gehen.
Wir sind weit entfernt zu meinen, daß nicht auch die volkswirthschaftlichen Thätig-
keitsänßerungen den allgemeinen und höchsten Interessen des Staatslebens zu dienen
bestimmt seien, und wir geben gern zu, daß auch die Projecte von Zolleinigungen


zwischen dem Consumtionsinteresse und dem Interesse der Producenten zu einer
bisher noch nicht erfahrenen Stärke herausbilden wird, muß es sich in kürzester
Frist zum zweiten Male zeigen, daß dem Komplex von Staaten, die man zu einem
süddeutschen Zollverein zu vereinigen sucht, diejenigen Bedingungen abgehen,
welche eine Verselbstständignng der Handelspolitik und der volkswirtschaftlichen
Maßnahme im Allgemeinen zu empfehlen vermögen. Man wird es wol nicht aus
der Praxis unsrer Zeit zu erhärten brauchen, daß das Ausland ans die Maßregeln,
welche ein „ausgiebiges" Schutzzollsystem nöthig macht, mit analogen Netorsionen
zu antworten pflegt. Für ein Haudelsgcbiet, welches das ausgiebige Schutzzoll¬
system als Banner seiner Vvlkswirthschaftspolitik erhebt, ist es deshalb unumgäng¬
lich erforderlich,,daß es entweder in dem eigenen Binnenlande einen hinreichenden
Absatzmarkt für die Producte der künstlich entwickelten Industrie besitzt, oder daß
es über die Landesgrenzen der im Activhaudel concurrirenden europäischen Nachbarn
hinaus sich einen weiten Absatz zu verschaffen vermag, wo ihm keinerlei Retor-
sionsmaßregeln zur Begründung' ausgiebiger Schutzzölle hinderlich in den Weg
treten. Daß für den letztern Ausweg dem von Bayern am eifrigsten betriebene»
süddeutschen Zollvereine alle Bedingungen fehlen, ist wol Jedermann an sich klar.
Die Schweiz, braucht so wenig ängstlich ans den Import deutscher Industrie-
Waaren zu blicke», daß sie inmitten protectionistischcr Nachbarn die Grundsätze
des freien Verkehrs ansteche erhalten kann; gerade so versteht sie es, sich einen,
wenn mich noch so schwer bedrückten, Export in die Weite zu erhalten. Oestreich
wird sicherlich die Erstarkung seiner eigenen Industrie mehr im Auge behalten, als
daß es seine Länder als ein nothwendiges Marktgebiet sür die süddeutschen
Industriellen ganz offen zu halten bereit erscheinen wird; und das Handelsgebiet
des preußisch deutschen Zollvereins wird der Politik abgefallener Bundesgenossen
auch nicht die Wege eben und breit machen. Auf der andern Seite weiß Jeder,
der nur einigermaßen mit den Erwerbszweigen, insbesondere der süddeutschen
Staaten, wie Bayern, Württemberg, Baden u. s. w. bekannt ist, wie groß dort die
Homogenität der protectiven Beschäftigungen ist, und wie dieselbe fortwährend im
Zunehmen begriffen ist. Wie weit ist das für den neuen Bund beabsichtigte
Landesgebiet davon entfernt, Bevölkerungen mit einander in eine Zolleinigung zu
bringen, von denen etwa die eine Hälfte vorzugsweise von der Urproduction und die
andere von der Fabrikation ihren Erwerb zu gewinnen sucht. Es ist nicht viel
anders, als wenn jedes dieser Länder für sich ein besonderes Schutzzollsystem zu
Gunsten der inländischen Industrie aufzurichten unternehmen würde. Insbeson¬
dere werden die Industriellen in den nördlicheren Staaten, wie Sachsen und Kur¬
hessen, gar wohl wissen, wohin die Exportzüge ihrer Fabrikate hauptsächlich gehen.
Wir sind weit entfernt zu meinen, daß nicht auch die volkswirthschaftlichen Thätig-
keitsänßerungen den allgemeinen und höchsten Interessen des Staatslebens zu dienen
bestimmt seien, und wir geben gern zu, daß auch die Projecte von Zolleinigungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/144>, abgerufen am 04.07.2024.