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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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geknüpft ist. Wo diese Attribute des Königthums nicht vorhanden sind, da können
Sie über das göttliche Recht desselben declamiren, so viel Sie Lust haben, Sie
werden das Fundament seines Bestehens auch nicht um ein Atom verstärken.

Wir wollen dem Königthum die Vollgewalt aller Staatskräfte übertrage",
nicht allein das Heer, nicht allein die Verwaltung, nicht allein die Gerichte: wir
hätten Nichts dagegen, wenn man auch die Parlamente als ein königliches In¬
stitut auffaßte, und wir würden eine octroyirte Ständeverfassung im Jahre 1847
viel freudiger begrüßt haben, als das Vereinbarungstreiben der Jahre -1848 -- 30;
vorausgesetzt nämlich, daß das Königthum nur gegeben hätte, was factisch schon
vorhanden war. Denn in der Form soll Alles vom Königthum ausgehen, den
Inhalt aber muß es, wenn es überhaupt Etwas schassen will, aus dem ihm von
der Geschichte überlieferten Material schöpfen. Darum halten wir das constitutionelle
Königthum für einen wesentlichen Fortschritt in der staatlichen Entwickelung, weil
in dieser Form wenigstens annäherungsweise, -- und nur das ist bei allen mensch¬
lichen Angelegenheiten zu verlangen -- der historische Thatbestand objectiv fest¬
gestellt und der Form des königlichen Willens der Inhalt gegeben wird. Wir
halten diese Form namentlich für sittlicher, als die des römischen Kaiserreichs,
wo zügellose Prätorianer und felle Eunuchen die Stelle der Parlamente vertraten;
wir halten sie für sittlicher, als den Absolutismus Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.,
wo der hochmüthige Adel Frankreichs einer feilen Dirne das Kleid küssen mußte,
um den Willen seines Monarchen zu bestimmen, und wir halten die constitutionelle
Form für zweckmäßiger, als die ständische, weil die letztere den Krieg zwischen
den verschiedenen Interessen permanent macht, während die erstere eine Ver¬
mittelung gestattet.

Die Extreme unsrer Zeit haben sich vielfach über die von Montesquieu fest¬
gestellte Trennung der Gewalten lustig gemacht, aber diese Trennung drückt doch
nur eine Wirklichkeit und eine Nothwendigkeit aus. Schon ein großes Geschäft
wird am zweckmäßigsten verfahren, wenn es seine verschiedenen Functionen auch
äußerlich scheidet und jeder eine Grenze ihres Rechts und ihres Einflusses zieht.
Ein Staat ist aber doch noch etwas ganz Anderes, als ein Geschäft, und die
Theilung der Rechte .und Gewalten, die hier nur eine Zweckmäßigkeitssache ist,
wird dort zu einer Sache des Rechts. Eine Gewalt wird nur durch Beschrän¬
kung fest, und, dauerhaft. In der beschränktesten aller Monarchien, der briti¬
schen, strahlt die Majestät des Königthums am herrlichsten, und es fällt keinem
der Unterthanen Sr. britischen Majestät ein, seine Königin mit Ihrem unartigen
Ausdruck als Magd des Parlaments zu bezeichnen.

Zweitens. "Die Revolution fordert die Freiheit, das Gewährenlassen in
allen Gebieten, unbegrenzte Theilbarkeit und Veräußerlichkeit des Grundeigen¬
thums, unbeschränkte Ansässigmachung. und Gewerbefreiheit, unbegrenzte Freiheit
der öffentlichen Lehre, der Sectenstistung, der Ehescheidung, sie fordert Ab-


geknüpft ist. Wo diese Attribute des Königthums nicht vorhanden sind, da können
Sie über das göttliche Recht desselben declamiren, so viel Sie Lust haben, Sie
werden das Fundament seines Bestehens auch nicht um ein Atom verstärken.

Wir wollen dem Königthum die Vollgewalt aller Staatskräfte übertrage»,
nicht allein das Heer, nicht allein die Verwaltung, nicht allein die Gerichte: wir
hätten Nichts dagegen, wenn man auch die Parlamente als ein königliches In¬
stitut auffaßte, und wir würden eine octroyirte Ständeverfassung im Jahre 1847
viel freudiger begrüßt haben, als das Vereinbarungstreiben der Jahre -1848 — 30;
vorausgesetzt nämlich, daß das Königthum nur gegeben hätte, was factisch schon
vorhanden war. Denn in der Form soll Alles vom Königthum ausgehen, den
Inhalt aber muß es, wenn es überhaupt Etwas schassen will, aus dem ihm von
der Geschichte überlieferten Material schöpfen. Darum halten wir das constitutionelle
Königthum für einen wesentlichen Fortschritt in der staatlichen Entwickelung, weil
in dieser Form wenigstens annäherungsweise, — und nur das ist bei allen mensch¬
lichen Angelegenheiten zu verlangen — der historische Thatbestand objectiv fest¬
gestellt und der Form des königlichen Willens der Inhalt gegeben wird. Wir
halten diese Form namentlich für sittlicher, als die des römischen Kaiserreichs,
wo zügellose Prätorianer und felle Eunuchen die Stelle der Parlamente vertraten;
wir halten sie für sittlicher, als den Absolutismus Ludwigs XIV. und Ludwigs XV.,
wo der hochmüthige Adel Frankreichs einer feilen Dirne das Kleid küssen mußte,
um den Willen seines Monarchen zu bestimmen, und wir halten die constitutionelle
Form für zweckmäßiger, als die ständische, weil die letztere den Krieg zwischen
den verschiedenen Interessen permanent macht, während die erstere eine Ver¬
mittelung gestattet.

Die Extreme unsrer Zeit haben sich vielfach über die von Montesquieu fest¬
gestellte Trennung der Gewalten lustig gemacht, aber diese Trennung drückt doch
nur eine Wirklichkeit und eine Nothwendigkeit aus. Schon ein großes Geschäft
wird am zweckmäßigsten verfahren, wenn es seine verschiedenen Functionen auch
äußerlich scheidet und jeder eine Grenze ihres Rechts und ihres Einflusses zieht.
Ein Staat ist aber doch noch etwas ganz Anderes, als ein Geschäft, und die
Theilung der Rechte .und Gewalten, die hier nur eine Zweckmäßigkeitssache ist,
wird dort zu einer Sache des Rechts. Eine Gewalt wird nur durch Beschrän¬
kung fest, und, dauerhaft. In der beschränktesten aller Monarchien, der briti¬
schen, strahlt die Majestät des Königthums am herrlichsten, und es fällt keinem
der Unterthanen Sr. britischen Majestät ein, seine Königin mit Ihrem unartigen
Ausdruck als Magd des Parlaments zu bezeichnen.

Zweitens. „Die Revolution fordert die Freiheit, das Gewährenlassen in
allen Gebieten, unbegrenzte Theilbarkeit und Veräußerlichkeit des Grundeigen¬
thums, unbeschränkte Ansässigmachung. und Gewerbefreiheit, unbegrenzte Freiheit
der öffentlichen Lehre, der Sectenstistung, der Ehescheidung, sie fordert Ab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/134>, abgerufen am 24.07.2024.