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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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privilegirte Raum des Hauses, zu bestimmten Tageszeiten hat Jeder dort Zutritt,
und es wird Alles aufgeboten, diesen Raum zu schmücken und angenehm zu ma¬
chen. Die beste Lage, die weichsten Sessel, allerlei Kunstgegenstände als Zierrath
werden dort hineingesetzt. Freilich ist zuweilen mehr Ostentation, als wirkliches
Interesse bei dieser landesüblichen Anlage; aber sie ist doch immer das Zeichen eines
bessern und edlern Strebens, als die unwohnlichcn Putzzimmer unsrer Haus¬
frauen mit ihren Silber- und Glasschränken und dem kleinen Tisch unsrer soir^c-
adente, auf welchem einige alte Kupferwerke in abgegriffenem Leinwandbänden
liegen, z. B. das malerische und romantische Deutschland, und ähnliche Samm¬
lungen, welche sehr achtungswerth, aber durchaus nicht neu und nicht unbekannt sind.
Die Bibliothekzimmer der Engländer sind ein so charakteristischer Theil ihrer Haus-
einrichtung und so nachahmungswerth für uns, daß hier die Einrichtung und Deco-
ration wenigstens von einem kurz angedeutet werden sollen. Es war das Bibliothek¬
zimmer des Architekten Nass in London, allerdings eines sehr reichen Mannes,
welches Fürst Pückler im vierten Theil der Briefe eines Verstorbenen beschreibt.

"Seine Bibliothek bildet eine lange, breite Galerie mit zwölf tiefen Nischen auf
jeder Seite, und zwei großen Portalen an den Enden, die in zwei andere geräumige
Zimmer führen. Die Galerie ist flach gewölbt, und erhält einen Theil ihres Lichtes von
oben durch eine zusammenhängende Reihe eleganter Rosetten, deren mattes Glas
verschiedene grau in grau gemalte Figuren schmücken. In jeder Nische befindet
sich in der Decke ebenfalls ein halbrundes Fenster von lichtem Glase, an der
Rückwand oben ein Alfresco-Gemälde aus den Logen Raphaels, und unter die¬
sem auf Postamenten aus Gypsmarmor: Abgüsse der besten Antiken. Den üb¬
rigen Raum der Nische nehmen Schränke mit Büchern ein, welche jedoch nicht
höher, als das Postament der Statue ist, emporsteigen. Auf den breiten Pfei¬
lern zwischen den Nischen sind ebenfalls Arabesken nach Raphael aus dem Vali
cau, vortrefflich al ü-chao ausgeführt.

Vor jeder Nische, und etwas entfernt davon, steht in der mittleren Galerie
ein Tisch von Bronze mit offenen Fächern, welche Mappen mit Zeichnungen ent¬
halten, und auf deu Tischen Gypsabgüsse irgend eines berühmten architektonischen
Monuments des Alterthums. Ein breiter Gang bleibt noch in der M(ete frei.

Aller Raum an Wänden und Pfeilern, der keine Malereien enthält, ist mit
mattem Stuck belegt, der in einem blaßröthlichen Tone gehalten, und mit gold-
nen schmalen Leisten eingefaßt ist. Die Ausführung erscheint durchgängig gedie¬
gen und vortrefflich."

Allerdings werden wir in Deutschland nur selten unsre Bücherräume so
reich auszustatten im Stande sein, aber ans dem Lande wie in der Stadt können
wir in viel bescheideneren Verhältnissen auf passende und anmuthigere Weise ein
Zimmer als Bibliothek einrichten. Ein Heller Raum, wo möglich mit der Aus¬
sicht ins Grüne, an den Wänden solide Schränke für die Bücher, ein besonderer mit


privilegirte Raum des Hauses, zu bestimmten Tageszeiten hat Jeder dort Zutritt,
und es wird Alles aufgeboten, diesen Raum zu schmücken und angenehm zu ma¬
chen. Die beste Lage, die weichsten Sessel, allerlei Kunstgegenstände als Zierrath
werden dort hineingesetzt. Freilich ist zuweilen mehr Ostentation, als wirkliches
Interesse bei dieser landesüblichen Anlage; aber sie ist doch immer das Zeichen eines
bessern und edlern Strebens, als die unwohnlichcn Putzzimmer unsrer Haus¬
frauen mit ihren Silber- und Glasschränken und dem kleinen Tisch unsrer soir^c-
adente, auf welchem einige alte Kupferwerke in abgegriffenem Leinwandbänden
liegen, z. B. das malerische und romantische Deutschland, und ähnliche Samm¬
lungen, welche sehr achtungswerth, aber durchaus nicht neu und nicht unbekannt sind.
Die Bibliothekzimmer der Engländer sind ein so charakteristischer Theil ihrer Haus-
einrichtung und so nachahmungswerth für uns, daß hier die Einrichtung und Deco-
ration wenigstens von einem kurz angedeutet werden sollen. Es war das Bibliothek¬
zimmer des Architekten Nass in London, allerdings eines sehr reichen Mannes,
welches Fürst Pückler im vierten Theil der Briefe eines Verstorbenen beschreibt.

„Seine Bibliothek bildet eine lange, breite Galerie mit zwölf tiefen Nischen auf
jeder Seite, und zwei großen Portalen an den Enden, die in zwei andere geräumige
Zimmer führen. Die Galerie ist flach gewölbt, und erhält einen Theil ihres Lichtes von
oben durch eine zusammenhängende Reihe eleganter Rosetten, deren mattes Glas
verschiedene grau in grau gemalte Figuren schmücken. In jeder Nische befindet
sich in der Decke ebenfalls ein halbrundes Fenster von lichtem Glase, an der
Rückwand oben ein Alfresco-Gemälde aus den Logen Raphaels, und unter die¬
sem auf Postamenten aus Gypsmarmor: Abgüsse der besten Antiken. Den üb¬
rigen Raum der Nische nehmen Schränke mit Büchern ein, welche jedoch nicht
höher, als das Postament der Statue ist, emporsteigen. Auf den breiten Pfei¬
lern zwischen den Nischen sind ebenfalls Arabesken nach Raphael aus dem Vali
cau, vortrefflich al ü-chao ausgeführt.

Vor jeder Nische, und etwas entfernt davon, steht in der mittleren Galerie
ein Tisch von Bronze mit offenen Fächern, welche Mappen mit Zeichnungen ent¬
halten, und auf deu Tischen Gypsabgüsse irgend eines berühmten architektonischen
Monuments des Alterthums. Ein breiter Gang bleibt noch in der M(ete frei.

Aller Raum an Wänden und Pfeilern, der keine Malereien enthält, ist mit
mattem Stuck belegt, der in einem blaßröthlichen Tone gehalten, und mit gold-
nen schmalen Leisten eingefaßt ist. Die Ausführung erscheint durchgängig gedie¬
gen und vortrefflich."

Allerdings werden wir in Deutschland nur selten unsre Bücherräume so
reich auszustatten im Stande sein, aber ans dem Lande wie in der Stadt können
wir in viel bescheideneren Verhältnissen auf passende und anmuthigere Weise ein
Zimmer als Bibliothek einrichten. Ein Heller Raum, wo möglich mit der Aus¬
sicht ins Grüne, an den Wänden solide Schränke für die Bücher, ein besonderer mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/118>, abgerufen am 24.07.2024.