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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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nopel zur Aburtheilnng geschickt hatte, so nachsichtig behandelt und so gelind be¬
straft, daß es außer allem Zweifel steht, die causa viela sei mittlerweile zur causa
vierrix geworden, da die stambulcr Justizmänner bekanntlich keine Catonen sind.

In Bosnien täuschte sich Niemand über die Bedeutung der neuen Maßregeln.
Die alttürkische Partei in Bosnien erhob wieder das Haupt: sie verstand die
Ordre und flüsterte schon von einem KatMsrman ("Vernichtungsbefehl"), wel¬
cher für Omer Pascha schon auf dem Wege nach Bosnien sei. Ein kluger Mann,
wie Omer Pascha, erkannte die Schwierigkeiten der neuen Position, und wußte
sich in die Umstände zu fügen. Vorerst hielt er sich völlig passiv, dann aber
versuchte er, die alttürkische Partei zu einer Annäherung an sich zu veranlassen, was
denn auch bald gelang, da er jedes Interesse an der Raja aufgab. Obwol er
dadurch allein nicht beliebt werden kann, mag man ihn seither doch mehr leiden
als früher, wo er für den Protector der Raja galt; seine Stellung wurde wieder
haltbarer, seitdem er es mit keiner türkischen Partei verderben zu wollen scheint.

In den jüngsten Tagen kamen aber Dinge vor, die Omer Pascha meisterhaft
ausbeutete und sich zu Nutzen machte.

Schon seit einem Jahre und länger cnrsirt das Gerücht, daß einige einflu߬
reiche Christen in Bosnien eine Petition im Namen der Raja an den Sultan
gerichtet und um Gleichberechtigung mit den Türken gebeten habe". In der
That wurde in den Belgrader ,,8rdsl"z Mvivs" eine solche Petition veröffent¬
licht, von anderer Seite aber in Abrede gestellt, und es ist Grund genng vor¬
handen, dieselbe für apokryph zu halten. Ein böhmischer "Frator" (Franziskaner¬
mönch), nebenbei ein Freund der kroatischen Jllyrier und illyrischer Literat, welcher
eine illyrische Zeitschrift "lZosansKi prlMsh" ("der Freund Bosniens") in Agram
erscheinen läßt, nahm jene Petition in das zweite Heft der Zeitschrift auf. Er
glaubte dies um so leichter thun zu können, als er Omer Pascha mit einem illy¬
rischen Siegeshymnns gefeiert und nebenbei den türkischen Machthabern durch
Ueberwachung der serbischen Raja wesentliche Dienste geleistet hatte. Aber die
Publication jeuer Petition wurde als Aufforderung zur Rebellion von den türki¬
schen Beamten sehr übel aufgenommen, und Omer Pascha sah sich genöthigt, den
literaturtrcibenden Frator ins Gefängniß zu schicken. Dies veranlaßte das von
nichtunterrichteten (wozu-vor Allem die sogenannten böhmischen Korrespondenten
der östreichischen Journale gehören) verbreitete Gerücht von einer Verschwörung,
namentlich einer panslavistischen Verschwörung der Raja gegen die Türkei.
Omer Pascha machte sich die Fabel zu Nutzen; er that, als glaube er daran, ließ
Lärm schlagen und vor Allem die griechisch-slavische Geistlichkeit in Bosnien und
der Herzegowina aufsuchen und gefangen nehmen. Auch einige Franziskaner wurden
arretirt; einer derselben aber wollte seiue Liebe zu seinen serbischen Brüdern be¬
sonders bethätigen, und log denselben wirklich eine Verschwörung auf den Hals,
in der Hoffnung, durch diese Offenbarungen die Freilassung zu erkaufen. Da-


nopel zur Aburtheilnng geschickt hatte, so nachsichtig behandelt und so gelind be¬
straft, daß es außer allem Zweifel steht, die causa viela sei mittlerweile zur causa
vierrix geworden, da die stambulcr Justizmänner bekanntlich keine Catonen sind.

In Bosnien täuschte sich Niemand über die Bedeutung der neuen Maßregeln.
Die alttürkische Partei in Bosnien erhob wieder das Haupt: sie verstand die
Ordre und flüsterte schon von einem KatMsrman („Vernichtungsbefehl"), wel¬
cher für Omer Pascha schon auf dem Wege nach Bosnien sei. Ein kluger Mann,
wie Omer Pascha, erkannte die Schwierigkeiten der neuen Position, und wußte
sich in die Umstände zu fügen. Vorerst hielt er sich völlig passiv, dann aber
versuchte er, die alttürkische Partei zu einer Annäherung an sich zu veranlassen, was
denn auch bald gelang, da er jedes Interesse an der Raja aufgab. Obwol er
dadurch allein nicht beliebt werden kann, mag man ihn seither doch mehr leiden
als früher, wo er für den Protector der Raja galt; seine Stellung wurde wieder
haltbarer, seitdem er es mit keiner türkischen Partei verderben zu wollen scheint.

In den jüngsten Tagen kamen aber Dinge vor, die Omer Pascha meisterhaft
ausbeutete und sich zu Nutzen machte.

Schon seit einem Jahre und länger cnrsirt das Gerücht, daß einige einflu߬
reiche Christen in Bosnien eine Petition im Namen der Raja an den Sultan
gerichtet und um Gleichberechtigung mit den Türken gebeten habe». In der
That wurde in den Belgrader ,,8rdsl«z Mvivs" eine solche Petition veröffent¬
licht, von anderer Seite aber in Abrede gestellt, und es ist Grund genng vor¬
handen, dieselbe für apokryph zu halten. Ein böhmischer „Frator" (Franziskaner¬
mönch), nebenbei ein Freund der kroatischen Jllyrier und illyrischer Literat, welcher
eine illyrische Zeitschrift »lZosansKi prlMsh" („der Freund Bosniens") in Agram
erscheinen läßt, nahm jene Petition in das zweite Heft der Zeitschrift auf. Er
glaubte dies um so leichter thun zu können, als er Omer Pascha mit einem illy¬
rischen Siegeshymnns gefeiert und nebenbei den türkischen Machthabern durch
Ueberwachung der serbischen Raja wesentliche Dienste geleistet hatte. Aber die
Publication jeuer Petition wurde als Aufforderung zur Rebellion von den türki¬
schen Beamten sehr übel aufgenommen, und Omer Pascha sah sich genöthigt, den
literaturtrcibenden Frator ins Gefängniß zu schicken. Dies veranlaßte das von
nichtunterrichteten (wozu-vor Allem die sogenannten böhmischen Korrespondenten
der östreichischen Journale gehören) verbreitete Gerücht von einer Verschwörung,
namentlich einer panslavistischen Verschwörung der Raja gegen die Türkei.
Omer Pascha machte sich die Fabel zu Nutzen; er that, als glaube er daran, ließ
Lärm schlagen und vor Allem die griechisch-slavische Geistlichkeit in Bosnien und
der Herzegowina aufsuchen und gefangen nehmen. Auch einige Franziskaner wurden
arretirt; einer derselben aber wollte seiue Liebe zu seinen serbischen Brüdern be¬
sonders bethätigen, und log denselben wirklich eine Verschwörung auf den Hals,
in der Hoffnung, durch diese Offenbarungen die Freilassung zu erkaufen. Da-


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[0111] nopel zur Aburtheilnng geschickt hatte, so nachsichtig behandelt und so gelind be¬ straft, daß es außer allem Zweifel steht, die causa viela sei mittlerweile zur causa vierrix geworden, da die stambulcr Justizmänner bekanntlich keine Catonen sind. In Bosnien täuschte sich Niemand über die Bedeutung der neuen Maßregeln. Die alttürkische Partei in Bosnien erhob wieder das Haupt: sie verstand die Ordre und flüsterte schon von einem KatMsrman („Vernichtungsbefehl"), wel¬ cher für Omer Pascha schon auf dem Wege nach Bosnien sei. Ein kluger Mann, wie Omer Pascha, erkannte die Schwierigkeiten der neuen Position, und wußte sich in die Umstände zu fügen. Vorerst hielt er sich völlig passiv, dann aber versuchte er, die alttürkische Partei zu einer Annäherung an sich zu veranlassen, was denn auch bald gelang, da er jedes Interesse an der Raja aufgab. Obwol er dadurch allein nicht beliebt werden kann, mag man ihn seither doch mehr leiden als früher, wo er für den Protector der Raja galt; seine Stellung wurde wieder haltbarer, seitdem er es mit keiner türkischen Partei verderben zu wollen scheint. In den jüngsten Tagen kamen aber Dinge vor, die Omer Pascha meisterhaft ausbeutete und sich zu Nutzen machte. Schon seit einem Jahre und länger cnrsirt das Gerücht, daß einige einflu߬ reiche Christen in Bosnien eine Petition im Namen der Raja an den Sultan gerichtet und um Gleichberechtigung mit den Türken gebeten habe». In der That wurde in den Belgrader ,,8rdsl«z Mvivs" eine solche Petition veröffent¬ licht, von anderer Seite aber in Abrede gestellt, und es ist Grund genng vor¬ handen, dieselbe für apokryph zu halten. Ein böhmischer „Frator" (Franziskaner¬ mönch), nebenbei ein Freund der kroatischen Jllyrier und illyrischer Literat, welcher eine illyrische Zeitschrift »lZosansKi prlMsh" („der Freund Bosniens") in Agram erscheinen läßt, nahm jene Petition in das zweite Heft der Zeitschrift auf. Er glaubte dies um so leichter thun zu können, als er Omer Pascha mit einem illy¬ rischen Siegeshymnns gefeiert und nebenbei den türkischen Machthabern durch Ueberwachung der serbischen Raja wesentliche Dienste geleistet hatte. Aber die Publication jeuer Petition wurde als Aufforderung zur Rebellion von den türki¬ schen Beamten sehr übel aufgenommen, und Omer Pascha sah sich genöthigt, den literaturtrcibenden Frator ins Gefängniß zu schicken. Dies veranlaßte das von nichtunterrichteten (wozu-vor Allem die sogenannten böhmischen Korrespondenten der östreichischen Journale gehören) verbreitete Gerücht von einer Verschwörung, namentlich einer panslavistischen Verschwörung der Raja gegen die Türkei. Omer Pascha machte sich die Fabel zu Nutzen; er that, als glaube er daran, ließ Lärm schlagen und vor Allem die griechisch-slavische Geistlichkeit in Bosnien und der Herzegowina aufsuchen und gefangen nehmen. Auch einige Franziskaner wurden arretirt; einer derselben aber wollte seiue Liebe zu seinen serbischen Brüdern be¬ sonders bethätigen, und log denselben wirklich eine Verschwörung auf den Hals, in der Hoffnung, durch diese Offenbarungen die Freilassung zu erkaufen. Da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/111>, abgerufen am 04.07.2024.