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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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wäre, nur dazu bestimmt, seinen Phantasiegebilden eine scheinbare Gestalt zu lei¬
hen. Wie schön ist die Natur! Aber für mich ist sie nnr eine Maske, die ihren
Träger verbirgt, und die uns Nichts weiter sagt, als daß Etwas zu verbergen ist;
und so ist für mich ihre wunderbare Schönheit nur die Schönheit einer Sphinx,
die ihr entsetzliches Geheimniß in das Antlitz der Menschen lächelt." -- Alle
diese Einfälle dienen nicht gerade dazu, das dramatische Leben des Sücks zu er¬
höhen, aber sie sind an sich interessant und verrathen einen denkenden Geist.

Das zweite Stück: Athelwold ist dramatischer gehalten und anch mit Erfolg
aufgeführt. Die Zeit, welche es behandelt, ist die nämliche, welche Taylor in einem
der besten seiner Stücke darstellt, die Zeit des heiligen Dunstan, der auch hier wieder
der Hauptheld des Stücks ist. Er ist das Gegenbild Crichton's, ein kalter Fanatiker
für die Kirche, wie jener ein kalter Fanatiker für den Staat. Die Idee, für welche er
strebt, ist eigentlich nnr eine Maske seiner persönlichen Herrschsucht. Die Mittel, deren
er sich bedient, sind kleinlicher Natur, aber in seinem Charakter selbst liegt nichts
Kleinliches. Die eiserne Energie, mit der er.auch in den Schleichwegen seinem
Zwecke nachgeht, läßt vergessen, daß es Schleichwege sind. -- Die Charakter¬
schwäche und Lüsternheit des Königs Edgar giebt dieser Herrschsucht vollen Spiel¬
raum. Wir finden denselben im Anfang des Stücks im Verhältniß zu der
schönen Edles, die er vor Kurzem aus einem Kloster entführt. Dunstan tritt auf
in dem einfachen Gewand eiues Benedictiners, und gebietet ihnen zu scheiden. Der
König gehorcht auch ohne viel Widerstreben, und erzählt dem Mönch, er habe viel von
der Schönheit Elfridens, der Tochter Olgar's, gehört und habe seinem getreuen Athel¬
wold den Austrag gegeben, sie, im Fall die Wirklichkeit dem Gerücht gleichkommt,
sür ihn zu werben. Dunstan beschließt, diesen jungen Ritter, den einzigen, der
ihm offen widersteht, für sich zu gewinnen. Er setzt ihm mit großer Kaltblütig¬
keit sein System aus einander, und es ist in dieser Erklärung eine gewisse Größe.
"Ich habe die furchtbare Mission, die Schuld und den Irrthum in dieser Welt
niederzuwerfen; ihr Kinder der Erde, die ihr höchstens nur eigene Sünde sühlt,
dürft nur dem Priester eure Schuld und Reue bekennen, so empfangt ihr eure
Vergebung und könnt unbelastet zur geschäftigen Welt wieder zurückkehren. Mir
bleibt die Last eurer Uebertretungen, mir der ewige Schmerz um diese schuldige
Welt, und ich muß einem eifersüchtigen Gott von meiner sorgenvollen Verwaltung
strenge Rechenschaft ablegen." -- Athelwold wird nicht gewonnen, der Priester
beschließt, ihn zu vernichten. -- Im, folgenden Act find wir in Olgar's Schloß.
Elfride ist ziemlich ehrgeizig und hat eine geheime Sehnsucht nach der Krone.
Sie ist aber so schön, daß sich der Abgeordnete des Königs selber in sie verliebt,
und nach einigen heftigen Gefühlsconflicten zwischen Lehnstrene und Liebe den
Entschluß saßt, sie für sich selbst zu werben und deu König mit einem falschen
Bericht zu täuschen. -- Im dritten Act führt er diesen Vorsatz aus, er erzählt
dem König, daß ihre Schönheit nicht der Rede werth sei, daß er ihm daher er-


wäre, nur dazu bestimmt, seinen Phantasiegebilden eine scheinbare Gestalt zu lei¬
hen. Wie schön ist die Natur! Aber für mich ist sie nnr eine Maske, die ihren
Träger verbirgt, und die uns Nichts weiter sagt, als daß Etwas zu verbergen ist;
und so ist für mich ihre wunderbare Schönheit nur die Schönheit einer Sphinx,
die ihr entsetzliches Geheimniß in das Antlitz der Menschen lächelt." — Alle
diese Einfälle dienen nicht gerade dazu, das dramatische Leben des Sücks zu er¬
höhen, aber sie sind an sich interessant und verrathen einen denkenden Geist.

Das zweite Stück: Athelwold ist dramatischer gehalten und anch mit Erfolg
aufgeführt. Die Zeit, welche es behandelt, ist die nämliche, welche Taylor in einem
der besten seiner Stücke darstellt, die Zeit des heiligen Dunstan, der auch hier wieder
der Hauptheld des Stücks ist. Er ist das Gegenbild Crichton's, ein kalter Fanatiker
für die Kirche, wie jener ein kalter Fanatiker für den Staat. Die Idee, für welche er
strebt, ist eigentlich nnr eine Maske seiner persönlichen Herrschsucht. Die Mittel, deren
er sich bedient, sind kleinlicher Natur, aber in seinem Charakter selbst liegt nichts
Kleinliches. Die eiserne Energie, mit der er.auch in den Schleichwegen seinem
Zwecke nachgeht, läßt vergessen, daß es Schleichwege sind. — Die Charakter¬
schwäche und Lüsternheit des Königs Edgar giebt dieser Herrschsucht vollen Spiel¬
raum. Wir finden denselben im Anfang des Stücks im Verhältniß zu der
schönen Edles, die er vor Kurzem aus einem Kloster entführt. Dunstan tritt auf
in dem einfachen Gewand eiues Benedictiners, und gebietet ihnen zu scheiden. Der
König gehorcht auch ohne viel Widerstreben, und erzählt dem Mönch, er habe viel von
der Schönheit Elfridens, der Tochter Olgar's, gehört und habe seinem getreuen Athel¬
wold den Austrag gegeben, sie, im Fall die Wirklichkeit dem Gerücht gleichkommt,
sür ihn zu werben. Dunstan beschließt, diesen jungen Ritter, den einzigen, der
ihm offen widersteht, für sich zu gewinnen. Er setzt ihm mit großer Kaltblütig¬
keit sein System aus einander, und es ist in dieser Erklärung eine gewisse Größe.
„Ich habe die furchtbare Mission, die Schuld und den Irrthum in dieser Welt
niederzuwerfen; ihr Kinder der Erde, die ihr höchstens nur eigene Sünde sühlt,
dürft nur dem Priester eure Schuld und Reue bekennen, so empfangt ihr eure
Vergebung und könnt unbelastet zur geschäftigen Welt wieder zurückkehren. Mir
bleibt die Last eurer Uebertretungen, mir der ewige Schmerz um diese schuldige
Welt, und ich muß einem eifersüchtigen Gott von meiner sorgenvollen Verwaltung
strenge Rechenschaft ablegen." — Athelwold wird nicht gewonnen, der Priester
beschließt, ihn zu vernichten. -- Im, folgenden Act find wir in Olgar's Schloß.
Elfride ist ziemlich ehrgeizig und hat eine geheime Sehnsucht nach der Krone.
Sie ist aber so schön, daß sich der Abgeordnete des Königs selber in sie verliebt,
und nach einigen heftigen Gefühlsconflicten zwischen Lehnstrene und Liebe den
Entschluß saßt, sie für sich selbst zu werben und deu König mit einem falschen
Bericht zu täuschen. — Im dritten Act führt er diesen Vorsatz aus, er erzählt
dem König, daß ihre Schönheit nicht der Rede werth sei, daß er ihm daher er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/102>, abgerufen am 24.07.2024.