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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Publicistische Beleuchtung und Ergänzung der neuen Gespräche aus der
Gegenwart über Staat und Kirche. Mit besonderer Beziehung auf die deutsche Ver¬
fassungsfrage, vom Standpunkt des deutschen Volks- und Staatsrechts. Weimar,
Rauschke und Schmidt. -- Das Büchlein ist im Sinn unsrer Partei geschrieben,
aber zugleich mit dem entschiedenen Bestreben, die Principien des Rechts und der Billig¬
keit überall über das Interesse der Partei zu stellen, und mit einem warmen Gefühl
für das Wohl des Volkes. Es wäre zu wünschen gewesen, daß der Versasser, statt
sich in die zahllosen Citate zu verlieren, lieber seine eigene Ansicht von der Sache in
einfacher directer Rede ausgesprochen hätte. Man muß jetzt den Gedankengang, der
allerdings vorhanden ist, mit einiger Ruhe aussuchen, was für unser gegenwärtiges
Publicum eine mißliche Zumuthung ist.

Französisches Theater. Vor kurzem ist ein neues Stück aufgeführt: Ma-
thurin No gnier, von Duguö, welches einen neuen Beitrag zu den zahlreichen
Versuchen liefert, die Dichter selbst zum Gegenstand der Dichtung zu machen. Während
sich George Sand's Moliöre mehr aus die innere Welt concentrirte, verliert sich dieses
neue Dichterdrama ganz in die Aeußerlichkeiten des poetischen Zigeunerlebens, welches
uns die modernen Novellisten schon mehrfach in lebhafteren, der Wirklichkeit entlehnten,
aber doch übertriebenen Fahrten dargestellt haben. Es ist in seiner Form wie in seiner
Tendenz durchaus romantisch, und trägt dazu bei, die sittlichen Begriffe durch Ein¬
mischung von ungehörigen Nebenmotiven zu verwirren.

Preisnovelle. Von der in Folge der erlassenen Preisausschreibung eingegangenen
und uns Unterzeichneten vorgelegten Novellen haben wir der Novelle: "Taubstumm," den
ersten Preis mit30 Ducaten und der Novelle: "Anna Marie," den zweiten Preis mit
20 Ducaten zuerkannt. Bei Eröffnung der Devise ergab sich, daß Friedrich Abt
in Wien Verfasser von "Taubstumm", und Ernst Ritter in Aussee Verfasser von
"Anna Marie" ist. Dabei bemerken wir, daß außer diesen beiden Productionen,
die'wir mit dem Preis bctheilen zu müssen glaubten, noch die Novellen: Katiza, der
Ruthengänger und die drei Eichen als fast ebenbürtig hervorgehoben zu werden
verdienen, so wie, daß wir der Novelle: Geschichte des Scharfrichters Rosen-
feld und seines Pathen aus Rücksicht auf das entschiedene Darstellungstalent, das
sie beurkundet, den ersten Preis zuerkannt haben würden, wenn sie nicht aus stofflichen
Gründen durchaus von der Aufnahme ins Familienbuch ausgeschlossen wäre. G rillp arz er.
Friedrich Hebbel. Hermaunsth al. Wien, den 29. November 18ö4.




Herausgegeben von Gustav Fveytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
-Druck von C. E. Elbert in Leipzig.


Publicistische Beleuchtung und Ergänzung der neuen Gespräche aus der
Gegenwart über Staat und Kirche. Mit besonderer Beziehung auf die deutsche Ver¬
fassungsfrage, vom Standpunkt des deutschen Volks- und Staatsrechts. Weimar,
Rauschke und Schmidt. — Das Büchlein ist im Sinn unsrer Partei geschrieben,
aber zugleich mit dem entschiedenen Bestreben, die Principien des Rechts und der Billig¬
keit überall über das Interesse der Partei zu stellen, und mit einem warmen Gefühl
für das Wohl des Volkes. Es wäre zu wünschen gewesen, daß der Versasser, statt
sich in die zahllosen Citate zu verlieren, lieber seine eigene Ansicht von der Sache in
einfacher directer Rede ausgesprochen hätte. Man muß jetzt den Gedankengang, der
allerdings vorhanden ist, mit einiger Ruhe aussuchen, was für unser gegenwärtiges
Publicum eine mißliche Zumuthung ist.

Französisches Theater. Vor kurzem ist ein neues Stück aufgeführt: Ma-
thurin No gnier, von Duguö, welches einen neuen Beitrag zu den zahlreichen
Versuchen liefert, die Dichter selbst zum Gegenstand der Dichtung zu machen. Während
sich George Sand's Moliöre mehr aus die innere Welt concentrirte, verliert sich dieses
neue Dichterdrama ganz in die Aeußerlichkeiten des poetischen Zigeunerlebens, welches
uns die modernen Novellisten schon mehrfach in lebhafteren, der Wirklichkeit entlehnten,
aber doch übertriebenen Fahrten dargestellt haben. Es ist in seiner Form wie in seiner
Tendenz durchaus romantisch, und trägt dazu bei, die sittlichen Begriffe durch Ein¬
mischung von ungehörigen Nebenmotiven zu verwirren.

Preisnovelle. Von der in Folge der erlassenen Preisausschreibung eingegangenen
und uns Unterzeichneten vorgelegten Novellen haben wir der Novelle: „Taubstumm," den
ersten Preis mit30 Ducaten und der Novelle: „Anna Marie," den zweiten Preis mit
20 Ducaten zuerkannt. Bei Eröffnung der Devise ergab sich, daß Friedrich Abt
in Wien Verfasser von „Taubstumm", und Ernst Ritter in Aussee Verfasser von
„Anna Marie" ist. Dabei bemerken wir, daß außer diesen beiden Productionen,
die'wir mit dem Preis bctheilen zu müssen glaubten, noch die Novellen: Katiza, der
Ruthengänger und die drei Eichen als fast ebenbürtig hervorgehoben zu werden
verdienen, so wie, daß wir der Novelle: Geschichte des Scharfrichters Rosen-
feld und seines Pathen aus Rücksicht auf das entschiedene Darstellungstalent, das
sie beurkundet, den ersten Preis zuerkannt haben würden, wenn sie nicht aus stofflichen
Gründen durchaus von der Aufnahme ins Familienbuch ausgeschlossen wäre. G rillp arz er.
Friedrich Hebbel. Hermaunsth al. Wien, den 29. November 18ö4.




Herausgegeben von Gustav Fveytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
-Druck von C. E. Elbert in Leipzig.


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[0090] Publicistische Beleuchtung und Ergänzung der neuen Gespräche aus der Gegenwart über Staat und Kirche. Mit besonderer Beziehung auf die deutsche Ver¬ fassungsfrage, vom Standpunkt des deutschen Volks- und Staatsrechts. Weimar, Rauschke und Schmidt. — Das Büchlein ist im Sinn unsrer Partei geschrieben, aber zugleich mit dem entschiedenen Bestreben, die Principien des Rechts und der Billig¬ keit überall über das Interesse der Partei zu stellen, und mit einem warmen Gefühl für das Wohl des Volkes. Es wäre zu wünschen gewesen, daß der Versasser, statt sich in die zahllosen Citate zu verlieren, lieber seine eigene Ansicht von der Sache in einfacher directer Rede ausgesprochen hätte. Man muß jetzt den Gedankengang, der allerdings vorhanden ist, mit einiger Ruhe aussuchen, was für unser gegenwärtiges Publicum eine mißliche Zumuthung ist. Französisches Theater. Vor kurzem ist ein neues Stück aufgeführt: Ma- thurin No gnier, von Duguö, welches einen neuen Beitrag zu den zahlreichen Versuchen liefert, die Dichter selbst zum Gegenstand der Dichtung zu machen. Während sich George Sand's Moliöre mehr aus die innere Welt concentrirte, verliert sich dieses neue Dichterdrama ganz in die Aeußerlichkeiten des poetischen Zigeunerlebens, welches uns die modernen Novellisten schon mehrfach in lebhafteren, der Wirklichkeit entlehnten, aber doch übertriebenen Fahrten dargestellt haben. Es ist in seiner Form wie in seiner Tendenz durchaus romantisch, und trägt dazu bei, die sittlichen Begriffe durch Ein¬ mischung von ungehörigen Nebenmotiven zu verwirren. Preisnovelle. Von der in Folge der erlassenen Preisausschreibung eingegangenen und uns Unterzeichneten vorgelegten Novellen haben wir der Novelle: „Taubstumm," den ersten Preis mit30 Ducaten und der Novelle: „Anna Marie," den zweiten Preis mit 20 Ducaten zuerkannt. Bei Eröffnung der Devise ergab sich, daß Friedrich Abt in Wien Verfasser von „Taubstumm", und Ernst Ritter in Aussee Verfasser von „Anna Marie" ist. Dabei bemerken wir, daß außer diesen beiden Productionen, die'wir mit dem Preis bctheilen zu müssen glaubten, noch die Novellen: Katiza, der Ruthengänger und die drei Eichen als fast ebenbürtig hervorgehoben zu werden verdienen, so wie, daß wir der Novelle: Geschichte des Scharfrichters Rosen- feld und seines Pathen aus Rücksicht auf das entschiedene Darstellungstalent, das sie beurkundet, den ersten Preis zuerkannt haben würden, wenn sie nicht aus stofflichen Gründen durchaus von der Aufnahme ins Familienbuch ausgeschlossen wäre. G rillp arz er. Friedrich Hebbel. Hermaunsth al. Wien, den 29. November 18ö4. Herausgegeben von Gustav Fveytag und Julian Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt: F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/90>, abgerufen am 22.07.2024.