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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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übrig. Eine Negerwohnung war nicht vorhanden, in dem corn-douse wollte der
Neger, ans Furcht vor Schlangen, nicht schlafen; es blieb daher nichts übrig,
als daß er seine Matratze dicht neben dem Kamin ausbreitete. Aus der einen
Seite brannte ein Holzblock, auf der andern Seite hatte ich selbst mein einfaches
Lager, bestehend aus einem mit Maiöstroh gefüllten Sacke und einer wollenen
Decke, zurecht gemacht. Zur Vervollständigung der Idylle gehörte jetzt noch ein
fester Schlaf, der uicht durch das Getrampel der Kühe, durch das Gackern der
Hühner, die durch irgend einen Zufall aus ihrer Nuhe gestört werdeu, durch das
ferne Henlen der Wölfe und das Accompagnement der Hunde, oder dnrch das
melancholische Geschrei der Eulen unterbrochen wird; aber dem war nicht so: es
waren triftige Grüude vorhanden, aus alle diese Tone zu achten. Neun Personen
lagen in dem kleinen Raume neben einander, dazu war bei ungünstiger Witterung
Thür und Feuster geschlossen -- ein unausstehlicher Dunst war die nothwendige
Folge. Aber dies nicht allein: nnter dem Hanse schliefen Hunde und einige
Hühner, und in geringer Entfernung davou war das eigentliche Hühnerhaus und
die Cowper; zu manchen Zeiten gesellten sich anch Schweine mit einer Schaar
von Ferkeln dazu; diese Schaaren von Vieh und diese Massen von Unrath er¬
nährten Heere von kleinen Springern, die ihre Deputieren auch in die Versamm¬
lungen vernünftig sprechender Menschen" aussandten. Sie zwangen mich nud
den weißen Gehilfen, den Platz am Boden zu räumen. Aus einigen rohen, ge¬
spaltenen Latten wurde Etwas, das einer Gitterthür ähnlich sah, aber in Wirk¬
lichkeit eine Bettstelle sein sollte, zurecht gemacht, und bei Annäherung der Nacht
mit dem Sacke und der Decke nnter die Galerie außerhalb der Thür gelegt.
Diese Lage schützte allerdings vor Negen und theilweise anch vor Wind, aber als
neue Plage erschien der heftige Thau von Texas; auch einige Horden des Spriuger-
volks statteten mir allnächtlich noch ihre Besuche ab. Einen Vortheil hatte ich
jedoch errungen: reine, frische Luft, und außerdem die Freiheit, während der
Nacht, ohne irgend Jemanden zu stören, aufzustehen, die Nacht durch Gehen
oder Beschauung des gestirnten Himmels abzukürzen, und ans die Zeit zu warten,
wenn der große Bär, mein Zeitmesser währeud der Nacht, seine Bahn zurück¬
gelegt und der Souue sein Amt überlassen haben würde.

Die Nacht ist von der Natur far die Ruhe bestimmt, sie ist daher dem, der
Ruhe sucht und uicht finden kann, gehässig. Trotzdem, daß ich nur sehr wenig
schlief, erfreute sich mein Körper des ausgezeichnetsten Gesundheitszustandes; ich
durfte daher annehmen, daß ein langer Schlaf nnter den damaligen Umständen
kein Bedürfniß für mich war; möglicher Weise äußerte das Klima und die voll¬
ständig veränderte Beschäftigung diesen sonderbaren Einfluß. Im Durchschnitt
waren mir die schlaflosen Nächte langweilig, obwol ich nicht ganz einsam war.
Fern im Walde heulte der Wolf, von den Chiuatreekö vor dem Hause klang der
melancholische Ruf der Eulen, und der Bullfrosch grotte im Sumpfe. Bei Tag und


8*

übrig. Eine Negerwohnung war nicht vorhanden, in dem corn-douse wollte der
Neger, ans Furcht vor Schlangen, nicht schlafen; es blieb daher nichts übrig,
als daß er seine Matratze dicht neben dem Kamin ausbreitete. Aus der einen
Seite brannte ein Holzblock, auf der andern Seite hatte ich selbst mein einfaches
Lager, bestehend aus einem mit Maiöstroh gefüllten Sacke und einer wollenen
Decke, zurecht gemacht. Zur Vervollständigung der Idylle gehörte jetzt noch ein
fester Schlaf, der uicht durch das Getrampel der Kühe, durch das Gackern der
Hühner, die durch irgend einen Zufall aus ihrer Nuhe gestört werdeu, durch das
ferne Henlen der Wölfe und das Accompagnement der Hunde, oder dnrch das
melancholische Geschrei der Eulen unterbrochen wird; aber dem war nicht so: es
waren triftige Grüude vorhanden, aus alle diese Tone zu achten. Neun Personen
lagen in dem kleinen Raume neben einander, dazu war bei ungünstiger Witterung
Thür und Feuster geschlossen — ein unausstehlicher Dunst war die nothwendige
Folge. Aber dies nicht allein: nnter dem Hanse schliefen Hunde und einige
Hühner, und in geringer Entfernung davou war das eigentliche Hühnerhaus und
die Cowper; zu manchen Zeiten gesellten sich anch Schweine mit einer Schaar
von Ferkeln dazu; diese Schaaren von Vieh und diese Massen von Unrath er¬
nährten Heere von kleinen Springern, die ihre Deputieren auch in die Versamm¬
lungen vernünftig sprechender Menschen" aussandten. Sie zwangen mich nud
den weißen Gehilfen, den Platz am Boden zu räumen. Aus einigen rohen, ge¬
spaltenen Latten wurde Etwas, das einer Gitterthür ähnlich sah, aber in Wirk¬
lichkeit eine Bettstelle sein sollte, zurecht gemacht, und bei Annäherung der Nacht
mit dem Sacke und der Decke nnter die Galerie außerhalb der Thür gelegt.
Diese Lage schützte allerdings vor Negen und theilweise anch vor Wind, aber als
neue Plage erschien der heftige Thau von Texas; auch einige Horden des Spriuger-
volks statteten mir allnächtlich noch ihre Besuche ab. Einen Vortheil hatte ich
jedoch errungen: reine, frische Luft, und außerdem die Freiheit, während der
Nacht, ohne irgend Jemanden zu stören, aufzustehen, die Nacht durch Gehen
oder Beschauung des gestirnten Himmels abzukürzen, und ans die Zeit zu warten,
wenn der große Bär, mein Zeitmesser währeud der Nacht, seine Bahn zurück¬
gelegt und der Souue sein Amt überlassen haben würde.

Die Nacht ist von der Natur far die Ruhe bestimmt, sie ist daher dem, der
Ruhe sucht und uicht finden kann, gehässig. Trotzdem, daß ich nur sehr wenig
schlief, erfreute sich mein Körper des ausgezeichnetsten Gesundheitszustandes; ich
durfte daher annehmen, daß ein langer Schlaf nnter den damaligen Umständen
kein Bedürfniß für mich war; möglicher Weise äußerte das Klima und die voll¬
ständig veränderte Beschäftigung diesen sonderbaren Einfluß. Im Durchschnitt
waren mir die schlaflosen Nächte langweilig, obwol ich nicht ganz einsam war.
Fern im Walde heulte der Wolf, von den Chiuatreekö vor dem Hause klang der
melancholische Ruf der Eulen, und der Bullfrosch grotte im Sumpfe. Bei Tag und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/69>, abgerufen am 22.07.2024.