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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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entgehen; er dürfte nur auf den Kritiker schimpfen); und er findet den Zweifel an
seinen Sprachkenntuissen unehrerbietig. Auch über den letztern Umstand referirt er falsch.
Das factische Verhältniß ist folgendes. Als sein Buch über Paris -- ein unangenehmes
Buch -- erschien, und in demselben ein langes Gespräch mit Thiers, ließ Thiers in
den Französischen Blättern erklären, es sei das von dem deutschen Schriftsteller ein
sehr kühnes Unternehmen, da seine Kenntniß des Französischen nicht so groß gewesen
sei, um ihm das Verständniß einer Conversation möglich zu machen. -- Wir hatten
auf diesen Umstand nur angespielt, weil er in das Capitel der "Zuchtlosigkeit" gehört,
die wir Hrn. Dr. Gutzkow vorgeworfen haben. Denn in seinem, durchgängig auf Effect,
nicht aus Wahrheit gerichteten Streben liebt er eS, durch Einbürgerung fremder Wörter,
die er vielleicht nur halb versteht, dem Publicum zu imponiren, und dadurch trägt er dazu bei,
unsere ohnehin schon mit bedenklichen Elementen überfüllte Sprache noch mehr zu ver¬
drehen. Neuerdings sind es namentlich Englische Wörter, deren flüchtige Bekanntschaft
er eben gemacht, und die er nun in zahlreichen Wiederholungen ausbeutet: I^ovsl^,
ßentlkman-like, z. B.: (Ritter vom Geist II. p. 12ö.): "er war der Nächste, der
meinen beleidigten aristokratischen Aerger, meine gentlemanliken Vorwürfe
auffangen mußte" n. f. w. Wenn man ein ohnehin schon übelklingendes fremdes Wort
einbürgern will, so muß man sich wenigstens vorher erkundigen, was es bedeutet, und
in welcher Verbindung es gebraucht wird. Freilich ist in dieser Stelle die Versün¬
digung an der deutschen Sprache im "beleidigten Aerger", und in der willkürlichen
Flexion eines Fremdworts, das sich durch seine Zusammensetzung wie durch seine Aus¬
sprache derselben entzieht, schlimmer, als die Versündigung an der englischen; abcrauch
diese muß gerügt werden, denn gentlomAn-Me wird niemals in diesem parodirendcn
Sinn, synonym mit Kgugtl^, gebraucht. Synonym mit Zentle aber (höflich, wie es
der Gentleman sein soll), hat es hier keinen Sinn.

Was endlich Herr Dr. Gutzkow von uns wünscht, ist doch zu hart. Wir sollen auf¬
hören, ansehnliche Schriftsteller, die durch ihre Romane einen mehr als belletristischen
Einfluß gewonnen, frech und unehrerbietig zu seciren; wir sollen aushmen, Robot, Pan-
slavismus und andere gemeine Angelegenheiten des gewöhnlichen Lebens zu besprechen;
wir sollen statt dessen, schon im patriotischen Interesse, die einheimischen Producenten
möglichst empfehlen, wir sollen sogar die kleinen Artikel über Luxus und Schönheit ab¬
schaffen, und uns nach anderen Mitarbeitern umsehen, dann würde es gut mit uns bestellt sein.

Wir werden seine Rathschläge nicht befolgen. Seine frühere journalistische Thä¬
tigkeit war nicht von der Art, ihn zu einem Urtheil über das zu befähigen, was dem
deutschen Leser nützlich und angenehm ist. Wir werden fortfahren, seine und anderer
Werke zu analysiren; fortfahren, auch das Schöne in unsrem Leben, das er in seinen
Romanen mit weit mehr Anmaßung als Sachkenntniß darzustellen sucht, zu analysiren;
und werden leider auch fortfahren, uns ernsthaft mit den socialen Zuständen zu be¬
schäftigen, sollten sie selbst so geringfügig sein, wie Robot und Panslavismus, anstatt
sie, wie Gutzkow, zu belletristischen Anspielungen auszubeuten. Und was die Ausdeh¬
nung in unsern Mitarbeitern betrifft, ' so können wir uns deshalb jedenfalls nicht an
Herrn Dr. Gutzkow und die Belletristenclique wenden, deren Verführer er ist, denn es
ist gerade diese, als Speculation gefaßte Literatur, diese Unsicherheit im Denken und
Empfinden, die niemals weiß was sie will und was sie soll, weil sie nie den Muth
hat, gegen sich selber wahr zu sein, die wir nach Kräften zu bekämpfen fortfahren.

Sie aber, Herr Heinrich Brockhaus, versetzen die Redaction d. Bl. in die unan¬
genehme Nothwendigkeit, Ihnen öffentlich Unwillkommenes zu wiederholen. Schreiben
Sie alles Biedre, das die folgenden Zeilen etwa für Sie haben, der Wiederholung Ihrer
unzweckmäßigen Behauptung zu, daß die Grenzboten eine Unwahrheit gesagt hätten,
als sie aussprachen: "Herr Heinrich Brockhaus benutze seine doppelte Eigenschaft als Ver¬
leger und Redacteur dazu, Bücher seines Verlags durch lobpreisende Kritiken der
D. Allg. Zeitung zu empfehlen." Sie fordern uns auf, Beweise zu liefern, wir wollen


entgehen; er dürfte nur auf den Kritiker schimpfen); und er findet den Zweifel an
seinen Sprachkenntuissen unehrerbietig. Auch über den letztern Umstand referirt er falsch.
Das factische Verhältniß ist folgendes. Als sein Buch über Paris — ein unangenehmes
Buch — erschien, und in demselben ein langes Gespräch mit Thiers, ließ Thiers in
den Französischen Blättern erklären, es sei das von dem deutschen Schriftsteller ein
sehr kühnes Unternehmen, da seine Kenntniß des Französischen nicht so groß gewesen
sei, um ihm das Verständniß einer Conversation möglich zu machen. — Wir hatten
auf diesen Umstand nur angespielt, weil er in das Capitel der „Zuchtlosigkeit" gehört,
die wir Hrn. Dr. Gutzkow vorgeworfen haben. Denn in seinem, durchgängig auf Effect,
nicht aus Wahrheit gerichteten Streben liebt er eS, durch Einbürgerung fremder Wörter,
die er vielleicht nur halb versteht, dem Publicum zu imponiren, und dadurch trägt er dazu bei,
unsere ohnehin schon mit bedenklichen Elementen überfüllte Sprache noch mehr zu ver¬
drehen. Neuerdings sind es namentlich Englische Wörter, deren flüchtige Bekanntschaft
er eben gemacht, und die er nun in zahlreichen Wiederholungen ausbeutet: I^ovsl^,
ßentlkman-like, z. B.: (Ritter vom Geist II. p. 12ö.): „er war der Nächste, der
meinen beleidigten aristokratischen Aerger, meine gentlemanliken Vorwürfe
auffangen mußte" n. f. w. Wenn man ein ohnehin schon übelklingendes fremdes Wort
einbürgern will, so muß man sich wenigstens vorher erkundigen, was es bedeutet, und
in welcher Verbindung es gebraucht wird. Freilich ist in dieser Stelle die Versün¬
digung an der deutschen Sprache im „beleidigten Aerger", und in der willkürlichen
Flexion eines Fremdworts, das sich durch seine Zusammensetzung wie durch seine Aus¬
sprache derselben entzieht, schlimmer, als die Versündigung an der englischen; abcrauch
diese muß gerügt werden, denn gentlomAn-Me wird niemals in diesem parodirendcn
Sinn, synonym mit Kgugtl^, gebraucht. Synonym mit Zentle aber (höflich, wie es
der Gentleman sein soll), hat es hier keinen Sinn.

Was endlich Herr Dr. Gutzkow von uns wünscht, ist doch zu hart. Wir sollen auf¬
hören, ansehnliche Schriftsteller, die durch ihre Romane einen mehr als belletristischen
Einfluß gewonnen, frech und unehrerbietig zu seciren; wir sollen aushmen, Robot, Pan-
slavismus und andere gemeine Angelegenheiten des gewöhnlichen Lebens zu besprechen;
wir sollen statt dessen, schon im patriotischen Interesse, die einheimischen Producenten
möglichst empfehlen, wir sollen sogar die kleinen Artikel über Luxus und Schönheit ab¬
schaffen, und uns nach anderen Mitarbeitern umsehen, dann würde es gut mit uns bestellt sein.

Wir werden seine Rathschläge nicht befolgen. Seine frühere journalistische Thä¬
tigkeit war nicht von der Art, ihn zu einem Urtheil über das zu befähigen, was dem
deutschen Leser nützlich und angenehm ist. Wir werden fortfahren, seine und anderer
Werke zu analysiren; fortfahren, auch das Schöne in unsrem Leben, das er in seinen
Romanen mit weit mehr Anmaßung als Sachkenntniß darzustellen sucht, zu analysiren;
und werden leider auch fortfahren, uns ernsthaft mit den socialen Zuständen zu be¬
schäftigen, sollten sie selbst so geringfügig sein, wie Robot und Panslavismus, anstatt
sie, wie Gutzkow, zu belletristischen Anspielungen auszubeuten. Und was die Ausdeh¬
nung in unsern Mitarbeitern betrifft, ' so können wir uns deshalb jedenfalls nicht an
Herrn Dr. Gutzkow und die Belletristenclique wenden, deren Verführer er ist, denn es
ist gerade diese, als Speculation gefaßte Literatur, diese Unsicherheit im Denken und
Empfinden, die niemals weiß was sie will und was sie soll, weil sie nie den Muth
hat, gegen sich selber wahr zu sein, die wir nach Kräften zu bekämpfen fortfahren.

Sie aber, Herr Heinrich Brockhaus, versetzen die Redaction d. Bl. in die unan¬
genehme Nothwendigkeit, Ihnen öffentlich Unwillkommenes zu wiederholen. Schreiben
Sie alles Biedre, das die folgenden Zeilen etwa für Sie haben, der Wiederholung Ihrer
unzweckmäßigen Behauptung zu, daß die Grenzboten eine Unwahrheit gesagt hätten,
als sie aussprachen: „Herr Heinrich Brockhaus benutze seine doppelte Eigenschaft als Ver¬
leger und Redacteur dazu, Bücher seines Verlags durch lobpreisende Kritiken der
D. Allg. Zeitung zu empfehlen." Sie fordern uns auf, Beweise zu liefern, wir wollen


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[0529] entgehen; er dürfte nur auf den Kritiker schimpfen); und er findet den Zweifel an seinen Sprachkenntuissen unehrerbietig. Auch über den letztern Umstand referirt er falsch. Das factische Verhältniß ist folgendes. Als sein Buch über Paris — ein unangenehmes Buch — erschien, und in demselben ein langes Gespräch mit Thiers, ließ Thiers in den Französischen Blättern erklären, es sei das von dem deutschen Schriftsteller ein sehr kühnes Unternehmen, da seine Kenntniß des Französischen nicht so groß gewesen sei, um ihm das Verständniß einer Conversation möglich zu machen. — Wir hatten auf diesen Umstand nur angespielt, weil er in das Capitel der „Zuchtlosigkeit" gehört, die wir Hrn. Dr. Gutzkow vorgeworfen haben. Denn in seinem, durchgängig auf Effect, nicht aus Wahrheit gerichteten Streben liebt er eS, durch Einbürgerung fremder Wörter, die er vielleicht nur halb versteht, dem Publicum zu imponiren, und dadurch trägt er dazu bei, unsere ohnehin schon mit bedenklichen Elementen überfüllte Sprache noch mehr zu ver¬ drehen. Neuerdings sind es namentlich Englische Wörter, deren flüchtige Bekanntschaft er eben gemacht, und die er nun in zahlreichen Wiederholungen ausbeutet: I^ovsl^, ßentlkman-like, z. B.: (Ritter vom Geist II. p. 12ö.): „er war der Nächste, der meinen beleidigten aristokratischen Aerger, meine gentlemanliken Vorwürfe auffangen mußte" n. f. w. Wenn man ein ohnehin schon übelklingendes fremdes Wort einbürgern will, so muß man sich wenigstens vorher erkundigen, was es bedeutet, und in welcher Verbindung es gebraucht wird. Freilich ist in dieser Stelle die Versün¬ digung an der deutschen Sprache im „beleidigten Aerger", und in der willkürlichen Flexion eines Fremdworts, das sich durch seine Zusammensetzung wie durch seine Aus¬ sprache derselben entzieht, schlimmer, als die Versündigung an der englischen; abcrauch diese muß gerügt werden, denn gentlomAn-Me wird niemals in diesem parodirendcn Sinn, synonym mit Kgugtl^, gebraucht. Synonym mit Zentle aber (höflich, wie es der Gentleman sein soll), hat es hier keinen Sinn. Was endlich Herr Dr. Gutzkow von uns wünscht, ist doch zu hart. Wir sollen auf¬ hören, ansehnliche Schriftsteller, die durch ihre Romane einen mehr als belletristischen Einfluß gewonnen, frech und unehrerbietig zu seciren; wir sollen aushmen, Robot, Pan- slavismus und andere gemeine Angelegenheiten des gewöhnlichen Lebens zu besprechen; wir sollen statt dessen, schon im patriotischen Interesse, die einheimischen Producenten möglichst empfehlen, wir sollen sogar die kleinen Artikel über Luxus und Schönheit ab¬ schaffen, und uns nach anderen Mitarbeitern umsehen, dann würde es gut mit uns bestellt sein. Wir werden seine Rathschläge nicht befolgen. Seine frühere journalistische Thä¬ tigkeit war nicht von der Art, ihn zu einem Urtheil über das zu befähigen, was dem deutschen Leser nützlich und angenehm ist. Wir werden fortfahren, seine und anderer Werke zu analysiren; fortfahren, auch das Schöne in unsrem Leben, das er in seinen Romanen mit weit mehr Anmaßung als Sachkenntniß darzustellen sucht, zu analysiren; und werden leider auch fortfahren, uns ernsthaft mit den socialen Zuständen zu be¬ schäftigen, sollten sie selbst so geringfügig sein, wie Robot und Panslavismus, anstatt sie, wie Gutzkow, zu belletristischen Anspielungen auszubeuten. Und was die Ausdeh¬ nung in unsern Mitarbeitern betrifft, ' so können wir uns deshalb jedenfalls nicht an Herrn Dr. Gutzkow und die Belletristenclique wenden, deren Verführer er ist, denn es ist gerade diese, als Speculation gefaßte Literatur, diese Unsicherheit im Denken und Empfinden, die niemals weiß was sie will und was sie soll, weil sie nie den Muth hat, gegen sich selber wahr zu sein, die wir nach Kräften zu bekämpfen fortfahren. Sie aber, Herr Heinrich Brockhaus, versetzen die Redaction d. Bl. in die unan¬ genehme Nothwendigkeit, Ihnen öffentlich Unwillkommenes zu wiederholen. Schreiben Sie alles Biedre, das die folgenden Zeilen etwa für Sie haben, der Wiederholung Ihrer unzweckmäßigen Behauptung zu, daß die Grenzboten eine Unwahrheit gesagt hätten, als sie aussprachen: „Herr Heinrich Brockhaus benutze seine doppelte Eigenschaft als Ver¬ leger und Redacteur dazu, Bücher seines Verlags durch lobpreisende Kritiken der D. Allg. Zeitung zu empfehlen." Sie fordern uns auf, Beweise zu liefern, wir wollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/529>, abgerufen am 05.12.2024.