Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und sein neues Blatt " Households-Worts " auf die Veredelung und Verschö¬
nerung des englischen Lebens ausübt, ein eben so bedeutender werden konnte, das
selbst ist wieder national und beneidenswert!), und wir müssen die Persönlichkeit
eines solchen Dichters, der im edelsten Sinne deö Wortes volksthümlich ist, als
ein großes, für uns gegenwärtig unerreichbares Glück betrachten. Auch dem
Buch von Schlesinger sieht man den Einfluß an, welchen die gemüthliche Behand¬
lung der Engländer bei Schilderung ihrer Verhältnisse auf ihn ausgeübt hat.
Das Werk beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung des englischen Hauses,
malt in den einzelnen Streifzügen durch Loudon die Physiognomie der Stadt,
das Leben der Straßen, die großen Mittelpunkte des geschäftlichen Verkehrs.
Eine Menge von klugen und feinen Bemerkungen sind eingestreut, und das Buch
wird nach den zahlreichen Werken, welche im letzten Jahre über London erschienen
sind, doch den Leser zu fesseln und zu belehren wissen. An einzelnen Stellen
zeigt der Verfasser eine größere Bekanntschaft mit den englischen, als mit den
entsprechenden deutschen Verhältnissen, z. B. ist die industrielle Entwickelung der
deutschen Versicheruugsanstalten für Renten und einmalige Capitalzahlnngen ver¬
hältnißmäßig eben so groß> als die englische, die Organisation vieler solcher
Institute ganz vortrefflich, und die Versicheruugssumme ungeheuer groß. Gerade
dieser Theil unsrer Industrie hat sich verhältnißmäßig schneller entwickelt, als
andere Zweige, und aus leicht verständlichen Gründen.

Hier folge eine sehr interessante Schilderung der polizeilichen Thätigkeit von
Loudon, bei deren Darstellung Schlesinger einen Aussatz ans den Honseholdö-
Words von Boz benutzt hat. Die englische Polizei, welche in der letzten Zeit
bei uns so viel gepriesen, von anderer Seite als ungenügend eben so sehr ge¬
tadelt worden ist, erscheint hier in einer Beleuchtung, welche vielen Deutschen neu
sein wird:

Wenn gleich die Pvlizeimacht der Hauptstadt aus neunzehn Supenuteudauten,
hundert vier und zwanzig Jnspectoren, fünfhundert fünf und achtzig Sergeanten
und viertausend siebenhundert und sieben und neunzig Constablern besteht, welche
auf fünf und zwanzig Hauptstatiouen vertheilt sind, und von diesen ans die um--
liegenden Quartiere zu durchstreifen haben, so ist doch die Procedur in allen so
gleichmäßig, daß die Schilderung einer einzigen Station genügt, sich einen Begriff
von der Amtsthätigkeit der übrigen zu macheu.

Und so führen wir denn unsrer Leser ohne viel Umstände gefangen nach
Bow Street, Covent Garden, in die dortige Police-Station.
'

Es ist spät am Abend, düster, feucht, nebelschauerig. Das Gaslicht dringt
durch die Straßenlampcngläser so matt und wässerig wie Kerzenschein im Winter
dnrch schneeangeflogene Fensterscheiben unsrer Bauernhäuser, die auf der Fahrt
durch's Dorf an uns vorüberfliegen. Die Läden werden allmählich geschlossen; auf
der Straße ist es ziemlich still geworden.


und sein neues Blatt „ Households-Worts " auf die Veredelung und Verschö¬
nerung des englischen Lebens ausübt, ein eben so bedeutender werden konnte, das
selbst ist wieder national und beneidenswert!), und wir müssen die Persönlichkeit
eines solchen Dichters, der im edelsten Sinne deö Wortes volksthümlich ist, als
ein großes, für uns gegenwärtig unerreichbares Glück betrachten. Auch dem
Buch von Schlesinger sieht man den Einfluß an, welchen die gemüthliche Behand¬
lung der Engländer bei Schilderung ihrer Verhältnisse auf ihn ausgeübt hat.
Das Werk beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung des englischen Hauses,
malt in den einzelnen Streifzügen durch Loudon die Physiognomie der Stadt,
das Leben der Straßen, die großen Mittelpunkte des geschäftlichen Verkehrs.
Eine Menge von klugen und feinen Bemerkungen sind eingestreut, und das Buch
wird nach den zahlreichen Werken, welche im letzten Jahre über London erschienen
sind, doch den Leser zu fesseln und zu belehren wissen. An einzelnen Stellen
zeigt der Verfasser eine größere Bekanntschaft mit den englischen, als mit den
entsprechenden deutschen Verhältnissen, z. B. ist die industrielle Entwickelung der
deutschen Versicheruugsanstalten für Renten und einmalige Capitalzahlnngen ver¬
hältnißmäßig eben so groß> als die englische, die Organisation vieler solcher
Institute ganz vortrefflich, und die Versicheruugssumme ungeheuer groß. Gerade
dieser Theil unsrer Industrie hat sich verhältnißmäßig schneller entwickelt, als
andere Zweige, und aus leicht verständlichen Gründen.

Hier folge eine sehr interessante Schilderung der polizeilichen Thätigkeit von
Loudon, bei deren Darstellung Schlesinger einen Aussatz ans den Honseholdö-
Words von Boz benutzt hat. Die englische Polizei, welche in der letzten Zeit
bei uns so viel gepriesen, von anderer Seite als ungenügend eben so sehr ge¬
tadelt worden ist, erscheint hier in einer Beleuchtung, welche vielen Deutschen neu
sein wird:

Wenn gleich die Pvlizeimacht der Hauptstadt aus neunzehn Supenuteudauten,
hundert vier und zwanzig Jnspectoren, fünfhundert fünf und achtzig Sergeanten
und viertausend siebenhundert und sieben und neunzig Constablern besteht, welche
auf fünf und zwanzig Hauptstatiouen vertheilt sind, und von diesen ans die um--
liegenden Quartiere zu durchstreifen haben, so ist doch die Procedur in allen so
gleichmäßig, daß die Schilderung einer einzigen Station genügt, sich einen Begriff
von der Amtsthätigkeit der übrigen zu macheu.

Und so führen wir denn unsrer Leser ohne viel Umstände gefangen nach
Bow Street, Covent Garden, in die dortige Police-Station.
'

Es ist spät am Abend, düster, feucht, nebelschauerig. Das Gaslicht dringt
durch die Straßenlampcngläser so matt und wässerig wie Kerzenschein im Winter
dnrch schneeangeflogene Fensterscheiben unsrer Bauernhäuser, die auf der Fahrt
durch's Dorf an uns vorüberfliegen. Die Läden werden allmählich geschlossen; auf
der Straße ist es ziemlich still geworden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0052" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93417"/>
          <p xml:id="ID_128" prev="#ID_127"> und sein neues Blatt &#x201E; Households-Worts " auf die Veredelung und Verschö¬<lb/>
nerung des englischen Lebens ausübt, ein eben so bedeutender werden konnte, das<lb/>
selbst ist wieder national und beneidenswert!), und wir müssen die Persönlichkeit<lb/>
eines solchen Dichters, der im edelsten Sinne deö Wortes volksthümlich ist, als<lb/>
ein großes, für uns gegenwärtig unerreichbares Glück betrachten. Auch dem<lb/>
Buch von Schlesinger sieht man den Einfluß an, welchen die gemüthliche Behand¬<lb/>
lung der Engländer bei Schilderung ihrer Verhältnisse auf ihn ausgeübt hat.<lb/>
Das Werk beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung des englischen Hauses,<lb/>
malt in den einzelnen Streifzügen durch Loudon die Physiognomie der Stadt,<lb/>
das Leben der Straßen, die großen Mittelpunkte des geschäftlichen Verkehrs.<lb/>
Eine Menge von klugen und feinen Bemerkungen sind eingestreut, und das Buch<lb/>
wird nach den zahlreichen Werken, welche im letzten Jahre über London erschienen<lb/>
sind, doch den Leser zu fesseln und zu belehren wissen. An einzelnen Stellen<lb/>
zeigt der Verfasser eine größere Bekanntschaft mit den englischen, als mit den<lb/>
entsprechenden deutschen Verhältnissen, z. B. ist die industrielle Entwickelung der<lb/>
deutschen Versicheruugsanstalten für Renten und einmalige Capitalzahlnngen ver¬<lb/>
hältnißmäßig eben so groß&gt; als die englische, die Organisation vieler solcher<lb/>
Institute ganz vortrefflich, und die Versicheruugssumme ungeheuer groß. Gerade<lb/>
dieser Theil unsrer Industrie hat sich verhältnißmäßig schneller entwickelt, als<lb/>
andere Zweige, und aus leicht verständlichen Gründen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_129"> Hier folge eine sehr interessante Schilderung der polizeilichen Thätigkeit von<lb/>
Loudon, bei deren Darstellung Schlesinger einen Aussatz ans den Honseholdö-<lb/>
Words von Boz benutzt hat. Die englische Polizei, welche in der letzten Zeit<lb/>
bei uns so viel gepriesen, von anderer Seite als ungenügend eben so sehr ge¬<lb/>
tadelt worden ist, erscheint hier in einer Beleuchtung, welche vielen Deutschen neu<lb/>
sein wird:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_130"> Wenn gleich die Pvlizeimacht der Hauptstadt aus neunzehn Supenuteudauten,<lb/>
hundert vier und zwanzig Jnspectoren, fünfhundert fünf und achtzig Sergeanten<lb/>
und viertausend siebenhundert und sieben und neunzig Constablern besteht, welche<lb/>
auf fünf und zwanzig Hauptstatiouen vertheilt sind, und von diesen ans die um--<lb/>
liegenden Quartiere zu durchstreifen haben, so ist doch die Procedur in allen so<lb/>
gleichmäßig, daß die Schilderung einer einzigen Station genügt, sich einen Begriff<lb/>
von der Amtsthätigkeit der übrigen zu macheu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_131"> Und so führen wir denn unsrer Leser ohne viel Umstände gefangen nach<lb/>
Bow Street, Covent Garden, in die dortige Police-Station.<lb/>
'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_132"> Es ist spät am Abend, düster, feucht, nebelschauerig. Das Gaslicht dringt<lb/>
durch die Straßenlampcngläser so matt und wässerig wie Kerzenschein im Winter<lb/>
dnrch schneeangeflogene Fensterscheiben unsrer Bauernhäuser, die auf der Fahrt<lb/>
durch's Dorf an uns vorüberfliegen. Die Läden werden allmählich geschlossen; auf<lb/>
der Straße ist es ziemlich still geworden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052] und sein neues Blatt „ Households-Worts " auf die Veredelung und Verschö¬ nerung des englischen Lebens ausübt, ein eben so bedeutender werden konnte, das selbst ist wieder national und beneidenswert!), und wir müssen die Persönlichkeit eines solchen Dichters, der im edelsten Sinne deö Wortes volksthümlich ist, als ein großes, für uns gegenwärtig unerreichbares Glück betrachten. Auch dem Buch von Schlesinger sieht man den Einfluß an, welchen die gemüthliche Behand¬ lung der Engländer bei Schilderung ihrer Verhältnisse auf ihn ausgeübt hat. Das Werk beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung des englischen Hauses, malt in den einzelnen Streifzügen durch Loudon die Physiognomie der Stadt, das Leben der Straßen, die großen Mittelpunkte des geschäftlichen Verkehrs. Eine Menge von klugen und feinen Bemerkungen sind eingestreut, und das Buch wird nach den zahlreichen Werken, welche im letzten Jahre über London erschienen sind, doch den Leser zu fesseln und zu belehren wissen. An einzelnen Stellen zeigt der Verfasser eine größere Bekanntschaft mit den englischen, als mit den entsprechenden deutschen Verhältnissen, z. B. ist die industrielle Entwickelung der deutschen Versicheruugsanstalten für Renten und einmalige Capitalzahlnngen ver¬ hältnißmäßig eben so groß> als die englische, die Organisation vieler solcher Institute ganz vortrefflich, und die Versicheruugssumme ungeheuer groß. Gerade dieser Theil unsrer Industrie hat sich verhältnißmäßig schneller entwickelt, als andere Zweige, und aus leicht verständlichen Gründen. Hier folge eine sehr interessante Schilderung der polizeilichen Thätigkeit von Loudon, bei deren Darstellung Schlesinger einen Aussatz ans den Honseholdö- Words von Boz benutzt hat. Die englische Polizei, welche in der letzten Zeit bei uns so viel gepriesen, von anderer Seite als ungenügend eben so sehr ge¬ tadelt worden ist, erscheint hier in einer Beleuchtung, welche vielen Deutschen neu sein wird: Wenn gleich die Pvlizeimacht der Hauptstadt aus neunzehn Supenuteudauten, hundert vier und zwanzig Jnspectoren, fünfhundert fünf und achtzig Sergeanten und viertausend siebenhundert und sieben und neunzig Constablern besteht, welche auf fünf und zwanzig Hauptstatiouen vertheilt sind, und von diesen ans die um-- liegenden Quartiere zu durchstreifen haben, so ist doch die Procedur in allen so gleichmäßig, daß die Schilderung einer einzigen Station genügt, sich einen Begriff von der Amtsthätigkeit der übrigen zu macheu. Und so führen wir denn unsrer Leser ohne viel Umstände gefangen nach Bow Street, Covent Garden, in die dortige Police-Station. ' Es ist spät am Abend, düster, feucht, nebelschauerig. Das Gaslicht dringt durch die Straßenlampcngläser so matt und wässerig wie Kerzenschein im Winter dnrch schneeangeflogene Fensterscheiben unsrer Bauernhäuser, die auf der Fahrt durch's Dorf an uns vorüberfliegen. Die Läden werden allmählich geschlossen; auf der Straße ist es ziemlich still geworden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/52
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/52>, abgerufen am 22.07.2024.